Die Leber ist mit rund 1.500 g das schwerste Organ in Körper
Das Leberzentrum arbeitet interdisziplinär, um eine auf den einzelnen Patienten abgestimmte Behandlung zu ermöglichen und ist Ansprechpartner für ärztliche Kollegen und Zuweiser der Region.
Text: Gina Maria Kerger | Fotos: iStock, UMG
Chronische Lebererkrankungen sind häufig und vor allem in der westlichen Welt zunehmend. Ihre Ursachen sind sehr vielfältig und reichen von übermäßigem Alkoholkonsum, Übergewicht und Bewegungsmangel über Virus-bedingte Entzündungen bis hin zu autoimmunen Erkrankungen, erblich bedingten Stoffwechselerkrankungen und vielen mehr. Betroffene Patienten sind oft lange Zeit asymptomatisch, da die Leber an sich keine Schmerzen macht. Daher werden chronische Lebererkrankungen oftmals erst in einem späten Stadium diagnostiziert. Erhöhte Leberwerte sind bereits Ausdruck einer Leberschädigung und sollten immer eine weitere Abklärung nach sich ziehen. Im interdisziplinären Leberzentrum der Universitätsmedizin Göttingen werden unter Beteiligung der Kliniken für Gastroenterologie und gastrointestinale Onkologie, Allgemeinchirurgie, Radiologie und Pathologie sämtliche akuten und chronischen Lebererkrankungen diagnostiziert und nach neuestem Stand der Forschung verantwortungsvoll behandelt.
Chronische Lebererkrankungen >>> Bei länger andauernder, chronischer Schädigung der Leber entwickelt sich durch bindegewebigen Umbau eine Fibrose, die schließlich bis zur Leberzirrhose fortschreiten kann. Diese ist nicht mehr umkehrbar und kann unter anderem zu Leberkrebs, schweren Blutungen und Bauchwasserbildung führen. Entscheidend für die Prognose und Therapie chronischer Lebererkrankungen ist deshalb das rechtzeitige Erkennen einer relevanten Fibrose. Dies ist durch Bluttests und Ultraschalluntersuchungen (Sonographie) alleine häufig nicht möglich. Bis vor einigen Jahren konnte man eine Leberfibrose nur mit Hilfe einer Gewebeentnahme feststellen. Neuerdings gibt es eine spezielle, in moderne Ultraschallgeräte integrierte Funktion zur Messung der Steifigkeit der Leber, die sogenannte Elastographie. Dabei werden durch spezielle Ultraschallimpulse Scherwellen erzeugt, deren Ausbreitungsgeschwindigkeit abhängig von der Festigkeit des Lebergewebes ist. Durch eine weiche (gesunde) Leber laufen die Scherwellen langsam, durch eine aufgrund ihres fortgeschrittenen bindegewebigen Umbaus harte (kranke) Leber laufen die Scherwellen schneller. Die gemessene Scherwellengeschwindigkeit ist somit ein gutes Maß für die Lebersteifigkeit, die wiederum sehr gut mit dem Fibrosegrad korreliert. Die Untersuchung ist nicht schmerzhaft, vollkommen ohne Risiko durchführbar und nimmt nur wenige Minuten Zeit in Anspruch. In eigenen Untersuchungen konnten wir nachweisen, dass mit dieser Methode der Ausschluss einer relevanten Leberfibrose mit sehr guter Genauigkeit möglich ist. In vielen Fällen kann diese daher die Gewebeentnahme aus der Leber ersetzen. Die Interpretation der Ergebnisse der Elastographie muss dabei von einem Leberexperten unter Berücksichtigung von Laborwerten und dem Ultraschallbefund der Leber erfolgen, da verschiedene weitere Einflussfaktoren berücksichtigt werden müssen. Technisch nicht möglich ist dieses neue Verfahren leider häufig bei stark übergewichtigen Patienten.
Im Bild links ist ein großer heller Knoten in der Leber. Rechts im Bild Darstellung 10 Sekunden nach Gabe von Kontrastmittel. Zu sehen ist eine deutlich vermehrte Kontrastmittelaufnahme des Knotens im Vergleich zum umgebenden Lebergewebe. Selbst kleinste Gefäße innerhalb der Läsion sind hochauflösend darstellbar. Die Radspeichen-artige Gefäßanordnung ist typisch für das Vorliegen einer „Fokalen nodulären Hyperplasie (FNH)“, ein vor allem bei Frauen häufig vorkommender gutartiger Lebertumor.
Leberzirrhose >>> Liegt bereits eine Leberzirrhose vor, geht es darum, damit verbundene Komplikationen zu verhindern. Alle 6 Monate sollte eine Ultraschalluntersuchung durch einen Spezialisten erfolgen zur Vorsorge von Leberkrebs. Bei sehr weit fortgeschrittener Zirrhose können sich auch große Mengen Bauchwasser bilden. Wenn sich dieses durch Gabe von Wassertabletten nicht zurückbildet, kann in Kooperation mit der Abteilung für diagnostische Radiologie der UMG mittels eines kleinen Eingriffs ein Kurzschluss zwischen zwei großen Lebergefäßen gebildet werden. Kommen Patienten für dieses Verfahren nicht in Frage, besteht neuerdings auch die Möglichkeit zur Implantation einer speziellen kleinen Pumpe, die ähnlich wie ein Herzschrittmacher im Unterhautfettgewebe platziert wird und das Bauchwasser in die Harnblase befördert, so dass es über den Urin problemlos ausgeschieden werden kann. Damit kann die Lebensqualität von Patienten mit massiver Bauchwasserbildung erheblich verbessert werden. Die Implantation der Pumpe erfolgt durch die Klinik für Allgemeinchirurgie der UMG. Die optimale Therapieoption für den einzelnen Patienten wird vorher im interdisziplinären Leberboard besprochen.
Endgültig heilbar ist eine Leberzirrhose nur durch eine Lebertransplantation. Wir kooperieren dabei eng mit den universitären Transplantationszentren in Hannover und Jena.
Knoten in der Leber >>> Knoten oder Rundherde in der Leber treten regelmäßig auch bei Patienten ohne chronische Lebererkrankung auf und werden nicht selten als Zufallsbefund bei einer Ultraschalluntersuchung erkannt. Der Nachweis eines Knotens in der Leber sorgt bei Patienten oft für große Verunsicherung und Angst, ein bösartiger Tumor könnte dahinterstecken. Gerade bei ansonsten gesunden Personen ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig entdeckter Knoten gutartig ist, jedoch viel höher. Die häufigsten gutartigen Knoten sind dabei Zysten und Hämangiome (Blutschwämmchen). Diese können in der Regel mittels herkömmlicher Sonographie sicher diagnostiziert werden. Bei allen anderen Knoten ist die Lage etwas komplizierter. Hier hilft die hochauflösende Kontrastmittelsonographie weiter, die im Rahmen einer herkömmlichen Sonographie durchgeführt wird und dem Arzt mit sehr hoher Genauigkeit erlaubt zwischen bösartigen und gutartigen Knoten zu unterscheiden. Die Kontrastmittelsonographie ist somit eine exzellente Methode zur Beurteilung von Leberrundherden und ist vergleichbar mit einer MRT- (Magnetresonanztomographie) oder CT- (Computertomographie) Untersuchung. Die gesamte Untersuchung dauert dabei aber nur ca. 5 Minuten und das Ergebnis kann dem Patienten unmittelbar im Anschluss an die Untersuchung mitgeteilt werden. Das Ultraschallkontrastmittel, das aus in Flüssigkeit gelösten Gasbläschen besteht, wird innerhalb weniger Minuten vollständig über die Lunge abgeatmet, ist sehr gut verträglich und verursacht keine organschädigenden Nebenwirkungen. Im Gegensatz zu CT- und MRT-Kontrastmittel kann es auch problemlos bei Patienten mit Nierenerkrankungen eingesetzt werden.
Ist die genaue Diagnose trotz Anwendung der Kontrastmittelsonographie weiterhin unklar, kann nach Durchführung einer lokalen Betäubung eine ultraschall-gesteuerte Punktion des Knotens oder Rundherdes erfolgen. Anschließend kann der Pathologe dann anhand der Gewebeprobe die Diagnose definitiv stellen. Im Falle eines bösartigen Knotens wird das weitere Vorgehen dann im interdisziplinären Tumorboard besprochen, an dem auch das Leberzentrum beteiligt ist.
Messung der Lebersteifigkeit mittels Elastographie bei einem Patienten mit gesunder Leber (oben) und bei einem Patienten mit Leberzirrhose (unten). Während sich im herkömmlichen Ultraschallbild kaum Unterschiede zeigen, ist die Steifigkeit (Einheit kPa, zusätzlich auch farblich abgebildet) deutlich unterschiedlich.
Dr. med. Golo Petzold
Ärztliche Leitung seit 01.03.2020
Leberzentrum Göttingen Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen
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