Rund fünf Pro­zent der Kin­der und Jugend­li­chen in Deutsch­land lei­den unter ADHS. Sowohl für die betrof­fe­nen Kin­der als auch für die Eltern fängt nach die­ser Dia­gno­se die Pro­ble­ma­tik aber oft erst an, denn nun muss sich für eine pas­sen­de The­ra­pie­maß­nah­me ent­schie­den wer­den.

Text: Kris­tin Schild | Foto: iStock

Wenn das eige­ne Kind beson­ders impul­siv ist, es zuneh­mend Pro­ble­me hat, sich zu kon­zen­trie­ren, und Auf­fäl­lig­kei­ten im Sozi­al­ver­hal­ten auf­tre­ten, lau­tet die Dia­gno­se, die die besorg­ten Eltern dar­auf­hin erhal­ten, häu­fig ADHS. Das Auf­merk­sam­keits­de­fi­zit-Hyper­ak­ti­vi­täts-Syn­drom ist dabei klar vom ADS, dem Auf­merk­sam­keits­de­fi­zit­syn­drom abzu­gren­zen, denn die­se bei­den For­men wei­sen unter­schied­li­che Sym­pto­me auf. Kin­der mit ADHS wer­den als unru­hig und zap­pe­lig beschrie­ben, wäh­rend Kin­der mit ADS eher ver­träumt und zurück­hal­tend wir­ken. Bei­de Stö­run­gen soll­ten jedoch ernst genom­men und behan­delt wer­den, denn es han­delt sich hier­bei kei­nes­falls um eine „Mode­er­kran­kung“, aus­ge­löst durch fal­sche Erzie­hung oder über­durch­schnitt­li­chen Medi­en­kon­sum. Die­se Aspek­te kön­nen aber durch­aus einen ungüns­ti­gen Ein­fluss auf die Krank­heit haben.

ADHS-Ursa­chen >>> For­scher gehen heu­te davon aus, dass den Ursa­chen von ADHS eine Viel­zahl gene­ti­scher Ver­an­la­gun­gen zugrun­de lie­gen; hin­zu­kom­men bestimm­te Umwelt­ein­flüs­se wie bei­spiels­wei­se eine Früh­ge­burt, die bei der Ent­ste­hung von ADHS eine Rol­le spie­len. Man fand her­aus, dass bei ADHS das Gleich­ge­wicht der Boten­stof­fe im Gehirn ver­än­dert ist. Vor allem Dopa­min und Nor­ad­re­na­lin sind hier von Bedeu­tung. Auf­grund die­ser aus der Balan­ce gera­te­nen Boten­stof­fe kommt es zu einer dau­er­haf­ten Reiz­über­flu­tung im Gehirn des Kin­des, wel­che die typi­schen Sym­pto­me wie Unauf­merk­sam­keit und Hyper­ak­ti­vi­tät ver­ur­sacht. Medi­ka­men­te sor­gen bei­spiels­wei­se dafür, dass die­se Boten­stof­fe wie­der regu­liert wer­den kön­nen.

Mög­lich­kei­ten zur The­ra­pie >>> Spä­tes­tens nach dem Ein­tritt in die Schu­le soll­ten sich die Eltern Gedan­ken über mög­li­che The­ra­pie­maß­nah­men machen, mit denen sich die Ver­hal­tens­auf­fäl­lig­kei­ten gut behan­deln las­sen. Je nach Schwe­re­grad und Aus­prä­gung der Erkran­kung gibt es psy­cho­the­ra­peu­ti­sche und medi­ka­men­tö­se Maß­nah­men, die häu­fig auch im Zusam­men­spiel emp­foh­len wer­den. Da die Sym­pto­me aber häu­fig sehr unter­schied­lich sind, ist eine The­ra­pie meist kom­pli­ziert. Seit 2018 gibt es für Ärz­te eine neue Leit­li­nie, die auch für Kin­der mit mit­tel­schwe­ren Sym­pto­ma­ti­ken eine medi­ka­men­tö­se Behand­lung, zum Bei­spiel mit Rital­in, emp­fiehlt. Bis dahin wur­den Medi­ka­men­te nur bei Kin­dern mit star­ken Aus­prä­gun­gen emp­foh­len.
Die­se neue Leit­li­nie stieß aber nicht über­all auf gro­ßen Zuspruch, denn vie­le Fach­leu­te haben die Befürch­tung, dass nun zu vor­schnell eine medi­ka­men­tö­se Behand­lung durch­ge­führt wird. Vor allem der am häu­figs­ten zum Ein­satz kom­men­de Wirk­stoff Methyl­phe­ni­dat, bes­ser bekannt als Rital­in, gilt als sehr umstrit­ten, da er vie­le unspe­zi­fi­sche Neben­wir­kun­gen aus­lö­sen kann. So lei­den laut einer Stu­die der Coch­ra­ne Foun­da­ti­on von den Kin­dern, die Rital­in bekom­men, 60 Pro­zent häu­fi­ger unter Schlaf­stö­run­gen und 266 Pro­zent häu­fi­ger unter einem gestör­ten Appe­tit.

Neue Behand­lungs­me­tho­den >>> Auf­grund die­ser Neben­wir­kun­gen wird stets an alter­na­ti­ven Medi­ka­men­ten und Behand­lungs­mög­lich­kei­ten geforscht. 2018 haben ame­ri­ka­ni­sche For­scher ein neu­es, spe­zi­fisch wir­ken­des Medi­ka­ment erfolg­reich in kli­ni­schen Stu­di­en getes­tet. Die­ser Wirk­stoff wies deut­lich weni­ger Neben­wir­kun­gen auf, bes­ser­te aber nach­weis­lich die ADHS-Sym­pto­me. Aller­dings wirkt die­ses Mit­tel wohl nur bei Pati­en­ten mit bestimm­ten Gen­ver­än­de­run­gen.
Eine wei­te­re neue The­ra­pie­mög­lich­keit, die der­zeit in Deutsch­land ent­wi­ckelt wird, ist die soge­nann­te Trans­kra­ni­elle Elek­tri­sche Neu­ro­sti­mu­la­ti­on. Mit die­ser Hirn­sti­mu­la­ti­on sol­len durch leich­te elek­tri­sche Strö­me die Hirn­area­le akti­viert wer­den, die bei ADHS-Betrof­fe­nen gestört sind. Im Gegen­satz zu einer tie­fen Hirn­sti­mu­la­ti­on ist hier­für kei­ne Ope­ra­ti­on not­wen­dig, da hier­bei die Elek­tro­den nur vor­über­ge­hend außen am Kopf des Kin­des befes­tigt wer­den. Die­se medi­ka­men­ten­lo­se The­ra­pie­mög­lich­keit wird der­zeit an der Uni Olden­burg mit der Fir­ma neu­ro­Conn und ande­ren Part­nern ent­wi­ckelt und vom Bun­des­for­schungs­mi­nis­te­ri­um finan­zi­ell geför­dert.

Video­spie­le zur Ver­bes­se­rung der Auf­merk­sam­keit >>> Eine ande­re, ver­mut­lich auf den ers­ten Blick eher unge­wöhn­li­che The­ra­pie­maß­nah­me, ent­wi­ckel­te eine ame­ri­ka­ni­sche Fir­ma namens Aki­li Inter­ac­ti­ve Labs. Mit­hil­fe eines digi­ta­len Spiels, das den wis­sen­schaft­li­chen Namen AKL-T01 trägt, soll die Auf­merk­sam­keit der Kin­der ver­bes­sert wer­den. In einer Stu­die, an der 348 Pati­en­ten zwi­schen acht und zwölf Jah­ren teil­nah­men, spiel­te eine Grup­pe das Spiel fünf Mal am Tag vier Wochen lang; eine ande­re Grup­pe spiel­te eine ver­gleich­ba­re Anwen­dung. Am Ende folg­te ein Auf­merk­sam­keits­test, den die Kin­der zu Beginn der Stu­die schon ein­mal absol­viert hat­ten. Die Grup­pe der Kin­der, die das eigens ent­wi­ckel­te Spiel gespielt hat­ten, schnit­ten 0,93 Punk­te bes­ser ab als zuvor. Die Kin­der mit der ver­gleich­ba­ren Anwen­dung ver­bes­ser­ten sich im Durschnitt um 0,03 Punk­te. Ver­bes­se­run­gen in ande­ren Kate­go­rien waren aller­dings bei kei­ner der zwei Grup­pen fest­zu­stel­len. Erst im letz­ten Jahr wur­de ein neu­es Gesetz ver­ab­schie­det, das die digi­ta­le Gesund­heits­ver­sor­gung in Deutsch­land erleich­tern soll. Dazu zählt bei­spiels­wei­se auch der Zugang zu medi­zi­ni­schen Apps, die aller­dings zunächst auf Sicher­heit, Taug­lich­keit, Qua­li­tät, Daten­schutz und vor allem auch auf nach­weis­li­che Ver­bes­se­rung über­prüft wer­den müs­sen. Ob das neu ent­wi­ckel­te Spiel AKL-T01 dazu zählt, ist noch frag­lich. Aller­dings könn­ten digi­ta­le Anwen­dun­gen in der Zukunft tat­säch­lich die gän­gi­gen The­ra­pie­mög­lich­kei­ten für ADHS-Betrof­fe­ne erwei­tern; denn auf­grund der hohen Anzahl der Betrof­fe­nen und der Kom­ple­xi­tät der Sym­pto­me wird stets an vie­ler­lei neu­en The­ra­pie­an­sät­zen geforscht.

Auch in Göt­tin­gen gibt es meh­re­re Anlauf­stel­len für Eltern, deren Kind an ADHS lei­det:

ADHS-Selbst­hil­fe Göt­tin­gen
Clau­dia Ebbers-Fiegl
Von-Ossietz­ky-Stra­ße 60
37085 Göt­tin­gen
Tele­fon: 05 51 /  29 21 16 61
info@adhs-goettingen.de
www.adhs-goettingen.de

Spe­zi­al­am­bu­lanz – Auf­merk­sam­keits­de­fi­zit-Hyper­ak­ti­vi­täts­stö­rung (ADHS) an der UMG
Dr. Hen­rik Uebel-von San­ders­le­ben
Lei­ten­der Ober­arzt
Tele­fon: 05 51 / 39-66454
Fax: 05 51 / 39-22696
huebel@gwdg.de
www.kjp.med.uni-goettingen.de/de/content/service/251.html

Dr. Ulri­ke Schä­fer
Wald­weg 5 (im Maxi­ne­um)
37073 Göt­tin­gen
Tele­fon: 05 51 / 38 44 59 32
info@dr-ulrike-schaefer.de
www.dr-ulrike-schaefer.de 

Askle­pi­os Kin­der und Jugend­psych­ia­trie
Dr. med. Sig­run Bün­ger
Lei­ten­de Ärz­tin
Anmel­dung und Aus­kunft:
Tele­fon: 05 51 / 50 05-180
Fax: 05 51 / 50 05-4330
www.asklepios.com/tiefenbrunn/experten/kinder-und-jugendpsychiatrie/adhs