Es gibt viele Wege, um ein besonderer Arbeitgeber zu sein. Zahllose neue Angebote verhelfen zu zufriedeneren Mitarbeitern, die heute nicht mehr nur durch ihren Lohn motiviert werden. Die Grundlage bildet jedoch das „Warum“.

Text: Ulrich Drees | Foto: iStock

Was ist ein besonderer Arbeitgeber? Diese Frage lässt sich auf vielerlei Weise beantworten. Sie ist heute davon geprägt, dass vom IT-Startup bis zum Handwerksbetrieb, in der Pflegebranche ebenso wie in der Automobilindustrie oder der Gastronomie – praktisch überall, wo immer man hinhört, Arbeitgeber Schwierigkeiten haben, geeignete Mitarbeiter zu finden. Selbst angesichts einer schwächelnden Weltwirtschaft ändert sich daran wohl nicht sehr schnell etwas, denn der ungedeckte Bedarf ist aktuell einfach zu groß, und geburtenstärkere Jahrgänge werden noch geraume Zeit auf sich warten lassen, bevor sie auf den Arbeitsmarkt gelangen.
Und so gewinnt die Frage, wie man sich als Arbeitgeber so verhält, dass man erstens für neue Bewerber attraktiv ist und zweitens die eigenen Mitarbeiter halten kann, für mehr und mehr Unternehmer an Bedeutung. Gleichzeitig hat sich auch bei den Arbeitnehmern etwas verändert; schon seit geraumer Zeit treten Generation XYZ in den Arbeitsmarkt ein, deren Bedürfnisse zu erkennen, für Arbeitgeber, Personaler und eine in diesem Zusammenhang gewachsene Beratungsbranche nicht immer einfach ist. Die Gehälter immer weiter zu erhöhen, ist weder wirtschaftlich tragbar noch reagieren Arbeitnehmer heute noch so auf derartige Anreize, wie sie es vielleicht vor 20 Jahren getan hätten. Es scheint vielmehr so, dass Arbeitnehmer heute eine Balance aus Bezahlung und der subjektiv empfundenen Qualität der eigenen Arbeitssituation suchen, und wenn das Gehalt eines Arbeitnehmers letztlich durch die wirtschaftlichen Zwänge begrenzt ist, denen ein Unternehmen unterliegt, entscheidet sich die Frage, welcher Arbeitgeber sich heute für einen Arbeitnehmer möglichst dauerhaft als „gut“ erweist, an einer Vielzahl weicher Faktoren, die letztlich alle damit zusammenhängen, dass der Arbeitnehmer mit dem Gesamtpaket zufrieden ist. Das Problem ist nur, dass es so schwer ist, hier eine allgemeine Strategie zu entwickeln, denn jeder Arbeitnehmer, jeder Arbeitsplatz, jede Branche, jedes Unternehmen stellt hier eine individuelle Ausgangslage dar. Trotzdem kommen viele Experten, die sich damit auseinandersetzen, was diese Zufriedenheit ausmacht, zu dem Schluss, dass ein Arbeitnehmer vor allem eine Frage für sich beantworten können sollte: Warum arbeite ich? Eine Frage, die auf der „Golden Circle“-Theorie von Simon Sinek beruht, der im Kern der Wahrnehmung der eigenen Arbeitssituation für jeden Menschen die Frage nach dem Warum sieht. Übergeordnet folgen dann noch die Fragen danach, „wie“ man arbeitet und „was man arbeitet“.

Simon Sinek
Der 46-jährige Simon O. Sinek, Kulturanthropologe, Autor und Unternehmensberater, brach sein Jura-Studium ab, um in der Werbebranche zu arbeiten. Seine zentrale These arbeitet mit dem Modell eines „Goldenen Kreises“, in dessen Mitte ein Warum steht, das von einem Wie und einem Was umschlossen wird. „Weniger erfolgreiche Menschen“, so Sinek, „kommunizieren vom äußeren zum inneren Kreis. Sie beginnen mit dem Was und gehen über das Wie zum Warum. Begeisternde und damit erfolgreiche Menschen wählen genau den anderen Weg.“

Kommt ein Arbeitnehmer hier zu dem Schluss, dass er weiß, warum er arbeitet, und dass dieser Grund für ihn der richtige ist, dann wird er seinem Arbeitgeber lange erhalten bleiben. Und wenn ein Unternehmen einem Bewerber auf einen Arbeitsplatz die Frage nach diesem Warum so beantwortet, dass es bei dem potenziellen Arbeitnehmer „klickt“, dann wird es einen neuen Mitarbeiter gewinnen können.
Die gute Nachricht ist: Dieses Warum zu finden, ist für einen Arbeitgeber, der selbst in den Strukturen arbeitet, die seine Firma prägen, sei es in einem Familienunternehmen, als Chef eines der klassischen „kleinen und mittleren Unternehmen“ oder als Meister eines Handwerksbetriebs, vermutlich leichter zu beantworten als für die Verantwortlichen eines börsennotierten Konzerns, die sich da auf ihre Personalabteilung verlassen müssen. Wenn sich ein Arbeitgeber fragt, warum er eigentlich selbst arbeitet – angenommen, es geht ihm nicht nur darum reich zu werden –, dann wird er schnell bei Gründen ankommen, die möglicherweise auch seine Mitarbeiter motivieren können.
Das Warum ist dabei extrem vielseitig. Es kann darin bestehen, etwas zu tun, was gesellschaftliche Bedeutung hat, etwa kranke oder alte Menschen zu pflegen oder einen besonders nachhaltigen Antrieb zu entwickeln. Es kann aber ebenso davon geprägt sein, sich täglich darauf zu freuen, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die auch Freunde sind, zu wissen, dass man Teil einer Produktionskette ist, die im Ergebnis ein so spezifisches technisches Gerät herstellt, dass es sogar von Unternehmen am anderen Ende der Welt gekauft wird, dass man dem eigenen Wunsch nach vielfältigem Kontakt mit unterschiedlichen Menschen entgegenkommt oder in zehn Jahren an einem Haus irgendwo in der Region vorbeifährt und erzählen kann, dass man dort die Fenster eingebaut oder das Dach gedeckt hat. Das Warum kann sein, dass man das Gefühl hat, einen wichtigen Teil zum Erfolg des Unternehmens beizutragen, für das man arbeitet, dass man von seinem Chef gefördert und geschätzt wird, dass man gern an der frischen Luft ist und einem die eigene Arbeit das ermöglicht und noch vieles andere mehr. Wieder wird klar, die „Warums“ sind sehr unterschiedlich und immer individuell, laufen jedoch stets darauf hinaus, dass der Arbeitnehmer einfach weiß oder mindestens spürt, dass es einen Grund gibt, warum er sich morgens auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz macht.
Solange ein Arbeitnehmer die Frage nach diesem Warum positiv beantworten kann, darf sich sein Arbeitgeber vermutlich darüber freuen, einen motivierten und langfristig loyalen Mitarbeiter zu haben. Gleichermaßen dürfte es einem Arbeitgeber auf der Suche nach einem Bewerber leichter fallen, einen geeigneten neuen Kollegen zu finden, wenn er diesem ein Angebot machen kann, das dessen Warum beantwortet. Doch wie geht das nun?
Der erste Schritt besteht darin, sich dessen bewusst zu werden. Der zweite Schritt beginnt mit der Suche nach der für das jeweilige Unternehmen und den jeweiligen Arbeitgeber richtigen Lösung. Die Grundlage für eine erfolgreiche Antwort bildet jedoch erneut eine eigentlich ganz einfache Entscheidung aufseiten des Arbeitgebers. Er muss akzeptiert haben, dass seine Mitarbeiter ebenso wie er selbst einen Sinn in ihrer Arbeit sehen wollen; denn wir leben heute in einer Gesellschaft, die materiell so weit entwickelt ist, dass die meisten menschlichen Grundbedürfnisse abgedeckt sind, und wer nicht friert, hungert oder verdurstet, der wünscht sich eben das Gefühl, das eigene Leben als bedeutsam und sinnvoll zu empfinden.
Bei Licht betrachtet, ist dies dann weder neu noch eine Mode-Erscheinung. Arbeitgeber, die sich ihren Mitarbeitern gegenüber verantwortlich fühlen, werden auf die Dauer mit großer Wahrscheinlichkeit den richtigen Weg finden, um das gar nicht so komplizierte Rätsel des „Warum“ zu lösen.