Essen wie ein Adliger? Das ist gar nicht so schwer, denn heute ist die Jagd auf Hirsch, Wild­­schwein und Co. nicht mehr dem Adel vorbehalten, sondern der Jägerschaft, die Restaurant­küchen, den Fleischhandel und natürlich die Küchen ihrer Freunde und Bekannten mit leckerem Wild versorgen.

Text: Ulrich Drees | Fotos: iStock

Das Gute daran ist das Gute darin >>> Zweifellos gehört Wildbret zu den hochwertigsten, heimischen Fleischprodukten, denn Wildtiere ernähren sich schließlich von dem, was die Natur ihnen bietet. Manche von ihnen sind sogar ausgesprochene Feinschmecker, Rehe etwa naschen im Frühling nur die feinsten Knospen. Das – und sicher auch viel Bewegung an der frischen Luft – führen zu einem sehr mageren, kurzfaserigem Fleisch, welches beispielsweise beim im Winter erlegten Reh nur 2 Gramm Fett auf 100 Gramm Muskel aufweist. 100 Gramm Rehfleisch beinhalten dementsprechend nur 100 Kalorien, während es 100 Gramm Wildschein auf 120 Kalorien bringen. Das klingt nicht nur gut, das schmeckt auch lecker und zart. Hinzu kommen viele weitere positive Inhaltsstoffe, wie ein hoher Anteil an essenziellen Omega-3-Fettsäuren, Vitaminen, Eiweiß und Spurenelementen. Auch was die Versorgung mit Mineralstoffen angeht, kann Wildbret mit Kalium, Kupfer, Phosphor, Eisen und Zink punkten. Gleichzeitig entfällt die Belastung mit Zusatzstoffen, wie Medikamenten oder Hormonen, die in der Massentierhaltung häufig Verwendung finden. Obwohl natürlich auch ein Wildtier getötet wird, bevor sein Fleisch verzehrt werden kann, darf der Verbraucher jedoch darauf setzen, dass ein erfahrener Jäger ein Tier so erlegt, dass es seine letzten Momente ohne den Stress und die Panik verbringt, denen ein Hausschwein oder ein Rind auf dem Weg zum und in einem Schlachthof ausgesetzt sind. Ja selbst seine Ökobilanz überzeugt: Wildfleisch aus der Region wird meist nicht weit von dem Ort verzehrt, an dem die Tiere ihr Leben verbracht haben.

Nur einmal im Jahr? >>> Jeder Bundesbürger verzehrt laut des Fleischatlas 2018 der Heinrich-Böll-Stiftung pro Jahr im Durchschnitt 60 Kilogramm Fleisch, davon stammen einer Analyse des Deutschen Jagdverbandes zufolge jedoch jährlich nur ca. 250 Gramm vom Wild – wobei der Eigenverbrauch der Jäger herausgerechnet wurde. Der Deutsche gönnt sich also einmal – höchstens zweimal – im Jahr eine Wildmahlzeit. Und das obwohl Wildbret nachweislich viele Vorteile gegenüber konventionellem Fleisch aufweist, ganz zu schweigen davon, dass die jagd die wohl nachhaltigste Form der Fleischgewinnung ist und Lebensmittelskandale beim Wildbret wohl noch nie vorgekommen sind. Warum also bleibt die Nachfrage relativ gering?
Der wichtigste Grund ist vermutlich, dass Wildbret nur ganz selten in Supermärkten auftaucht. Für gewöhnlich braucht es den Kontakt zu einem Jäger oder zu einer entsprechend gut vernetzten Fleischerei, um an das hochwertige und schmackhafte Fleisch zu gelangen. Hinzu kommt die verbreitete Meinung, dass die Zubereitung von Wild mindestens viel Zeit und eigentlich noch mehr an Fachwissen erfordert. Am Ende ist Wild heute das, was Trendforscher ein „curated food“, nennen, ein Gericht, das der Verbraucher vom Profi bezieht oder doch zumindest erklärt bekommt.
Dabei entscheidet sich jeder, der heute Wildbret isst, für nachhaltiges Bio-Fleisch, für geschmackliche Vielfalt, handgemachte Küche und nicht zuletzt deutlich gegen die Massentierhaltung.

Wenn der Jäger Beute macht >>> Obwohl sie in ihren Revieren noch viele andere Aufgaben übernehmen, sind sich die meisten Jäger darin einig, dass sie Beute machen möchten. Dabei gilt ein Wahlspruch, mit dem Ralf Rahnert von der Jägerschaft Northeim seine Frau zitiert: „Lieber das junge Stück in der Pfanne, als den alten Knochen an der Wand.“ Für diese Waidgenossen steht nicht die Jagd nach Trophäen, sondern vor allem der Wunsch, leckeres, zartes Wildbret zu erjagen im Vordergrund.
Denn das schätzen nicht nur die Jäger selbst und ihre Familien. Wildbret hat eine überschaubare aber dafür treue Fangemeinde. Das bestätigt auch Michael Dämgen von der Göttinger Jägerschaft: „Die Nachfrage nach Wildfleisch ist so hoch, dass die Abgabe im Freundes- und Bekanntenkreis eigentlich kein Problem ist. Darüber hinaus findet man auch interessierte Metzger oder kann sich an Fleischhändler wenden.“ Auch Ralf Rahnert von der Jägerschaft Northeim gibt Wildbret vor allem im privaten Umfeld ab. „Das ist darüber hinaus finanziell attraktiver. Professionelle Wildhändler zahlen meist weniger, als direkte Verbraucher.“ Sobald ein Jäger seine Beute in den Handel gibt, muss er außerdem die nötige Kennzeichnungspflicht beachten, die ein solches Vorgehen für viele unattraktiv macht. „Beispielsweise würde der Dorfladen in Bremke sehr gern Wild in seiner Kühltruhe anbieten“, meint Michael Dämgen, „leider kann ich da aber nicht einfach vorbeifahren und abgepacktes Fleisch zu den entsprechenden Preisen hineinlegen. Auch als Privatperson muss ich nämlich zuerst einmal sämtliche Kennzeichnungspflichten des Lebensmittelgroßhandels erfüllen.“ Hinter diesen Regeln stehen natürlich wichtige Aspekte des Verbraucherschutzes. Lebensmittel sollen qualitativ einwandfrei sein. Um das zu gewährleisten, ist es wichtig, ihren Weg vom Erzeuger – hier dem Jäger – bis zum Verkauf genau nachvollziehen zu können. Wohl kaum jemandem ist aber an hochwertigen Wildbret mehr gelegen, als den Jägern selbst, schließlich lassen sie es sich selbst gern schmecken.
Je nach ihren Möglichkeiten – in einer Mietwohnung sind der Weiterverwertung eines Wildschweins nachvollziehbar Grenzen gesetzt – widmen sich viele Jäger jedoch mit Leidenschaft der Zubereitung bzw. Weiterverwertung ihrer Beute. Sie lernen Wild fachmännisch aufzubrechen, also auszunehmen, das Fleisch zu portionieren, manche richten sich in alten Waschküchen oder Kellern vollständig ausgestattete Zerwirkräume und Wildkammern ein. Und manche, wie beispielsweise
Michael Dämgen kochen auch gern und verstehen sich auf die vielseitigen Zubereitungsmöglichkeiten von Wildbret. „Ein Lieblingsgericht habe ich eigentlich nicht“, meint der Jäger. „Dazu schätze ich die Abwechslung zu sehr. Bei der Zubereitung von Wild ist für mich vor allem der Faktor Zeit entscheidend. Und zwar in zweierlei Hinsicht: Ein Stück sollte im Prinzip vier Tage bei vier Grad Celsius in der Wildkammer hängen, schwere Stücke auch einmal sechs Tage, damit das Fleisch später optimal schmeckt. Auch die Zubereitung selbst erfordert Zeit. Ich setze gern auf etwas weniger Temperatur und lasse das Fleisch dafür ein wenig länger im eigenen Sud im Bräter oder im Topf, so wird es zarter und aromatischer.“
Klassisch wird Wild natürlich auch sehr gern gegrillt. „Stücke vom ausgelösten Rehrücken“, freut sich Ralf Rahnert, „vorher zu Steaks geschnitten oder im Ganzen gegrillt: Das sind für mich echte Delikatessen.“ Seine Frau wiederum freut sich, wenn sie in ihrer Küche Wild zubereiten kann. Traditionelle Beilagen sind dann Rosenkohl und Kartoffeln, und natürlich die Sauce, die beim Wildbraten für viele die entscheidende Zutat ist. Um den Fond für gute Saucen herzustellen, bringt Ralf Rahnert seiner Frau dann ein- oder zweimal im Jahr die Läufe erlegter Tiere mit, die zusammen mit Gemüsebeilagen zu einer Wildbrühe in Gläsern eingekocht werden.
Wer sich mit der Zubereitung von Wild zu beschäftigen beginnt, der findet rasch heraus, wie vielseitig die wilde Küche sein kann. Für Maiken Ropeter-Nolte, Jägerin und Pressebeauftragte der Jägerschaft Göttingen, sind Spaghetti mit Rotwildfilet ihr absolutes Lieblingsgericht. Spaghetti statt Kartoffeln zum Wild – warum nicht, auch beim Zubereiten von Wild ist letztlich erlaubt, was schmeckt. Denn auch in Zeiten, in denen es als Herausforderung erscheinen mag, sich die nötige Zeit zur Zubereitung eines gelungenen Wildgerichts zu nehmen, lohnt es sich, das althergebrachte Wildbret als zeitgemäßes nachhaltiges und gesundes Fleisch wiederzuentdecken.

Wildbrethygiene
„Das Thema Wildbrethygiene beginnt sowohl praktisch als auch theoretisch bereits bei der Ausbildung von Jungjägern“, erklärt Ralf Rahnert. „Wenn ein Tier Verhaltensauffälligkeiten aufweist oder gar äußere Symptome möglicher Erkrankungen vorhanden sind, dann ist es gelegentlich ein Fall für den Amtstierarzt vom Veterinäramt.Wir bilden Jungjäger außerdem darin aus, beim Zerwirken – also dem Zerteilen des Tiers – auf Symptome an den Organen und andere Indizien für eine Erkrankung zu achten. Das gilt für Krankheiten, die für Menschen gefährlich sind, genauso, wie für solche, die nur Tiere betreffen.“

Wildgeschmack
Am typischen Wildgeschmack scheiden sich gelegentlich die Geister. Aber obwohl heutige Convenience-Essgewohnheiten viele Menschen bei ungewohnten, intensiveren Geschmackserlebnisse beinahe erschrecken – wer sich für Wildbret entscheidet, der sollte damit rechnen, dass es nach Wild schmeckt. Zu intensiv soll es jedoch nicht sein. Deshalb empfiehlt es sich beim Einkauf nach dem Fleisch von jungen Tieren zu fragen. Ein klassisches Hausmittel gegen zu viel Wildgeschmack ist außerdem, das Fleisch 24 Stunden vor der Zubereitung in Rotwein oder Buttermilch einzulegen. Dazu Wacholderbeeren hinzuzugeben, empfiehlt sich nicht, die sollten erst beim Braten in den Topf, denn sonst sorgen die Bitterstoffe darin für eine Verstärkung des Wildgeschmacks.

Wurstwerkstatt
Neben Wildbraten wissen viele Menschen auch eine gute Wurst von Wildschwein, Reh oder Hirsch zu schätzen. Wie man die zubereitet und vieles andere Wissenswerte über Wildgerichte, das lässt sich in der „Wurstwerkstatt“ von Conrad Baierl erfahren. In seinen Workshops, die in Göttingen zweimal im Jahr von Maiken Ropeter-Nolte von der Jägerschaft Göttingen organisiert werden, vermittelt der Experte auch wie man Wildbret richtig schneidet, erklärt die Zubereitung von Wildsaucen und stellt spannende Rezepte vor.
Weitere Informationen und Anmeldung: ropeter-nolte@t-online.de

Wild aus der Region
Eine Auswahl an Bezugsmöglichkeiten – unser Tipp: Fragen Sie sich, ob sie einen Jäger kennen?

Suchmaschinen
Wild-auf-Wild – eine Suchmaschine für Wildbret aus der Region
(www.wild-auf-wild.de)

Fleischhandel
Beckers Fleischwaren GmbH
(www.beckers-fleischwaren.de)
Börner Eisensacher
(www.boerner-eisenacher.de)
Harrys Wildspezialitäten
(www.harrys-wildspezialitaeten.de)
Rittergut Niedergandern
(www.landgut-von-bodenhausen.de)
Wildhandlung Heine
(www.wildhandel-heine.de)

Restaurants
Gasthaus Mutter Jütte
(www.gasthaus-juette.de)
Landgasthaus Lockemann
(www.landgasthaus-lockemann.de)
Restaurant Waldwerk im FREIgeist Waldhotel Northeim
(www.waldwerk-northeim.de)

Jäger
Graf v. Hardenberg‘sche
Forstverwaltung Ostlutter
(www.hardenberg-ostlutter.de)
Jägerschaft Duderstadt e. V.
(www.js-duderstadt.de)
Jägerschaft Göttingen e. V.
(www.jaegerschaft-goettingen.de)
Jägerschaft Northeim e. V.
(www.ljn.de/jaegerschaften/northeim)
Stadtforstamt Göttingen
(www.goettingen.de)

Buchtipp:
Das GU Themenkochbuch „Wild kochen“ von Alena Steinbach zeigt, das Wildbret viel mehr kann als klassisches Gulasch und richtet sich gezielt auch an Anfänger.