Im einleitenden Interview zum großen Charakter-Spezial über inhabergeführte und Familienunternehmen sprechen vier von fünf Vertretern des Regionalkreis-Vorstandes von „DIE FAMILIENUNTERNEHMER“ und „DIE JUNGEN UNTERNEHMER“ über ihren Verband und ihre Perspektive auf zeitgemäßes Unternehmertum.

Text: Ulrich Drees| Fotos: Sylvia Stein

Anke Drewes
P&K Vertriebsgesellschaft mbH

Claus-Henrik Schneider
Cubus GmbH & Co. KG

Peter Müller-Kronberg
Friedrich Zufall GmbH & Co. KG

Dr. Nadine Losch-Hawellek
Krekeler & Losch GmbH & Co. KG

Frau Dr. Losch-Hawellek, wie sind Sie zum Verband DIE JUNGEN UNTERNEHMER gestoßen, und welche Motivation treibt Ihr Engagement an?
Losch-Hawellek: Als ich 2013 nach Göttingen zurückkehrte, lernte ich im Zuge des Nachfolgeprozesses in unserem Unternehmen Ulrich Herfurth kennen, der mir den Verband bei einer Schnupperrunde vorstellte. Es gefiel mir sofort, mit regionalen Unternehmerinnen und Unternehmern mit vergleichbaren Interessen und Problemen in einem relativ intimen Rahmen zusammenzukommen. Hinzu kam der politische Bezug. Da es für unser mittelständisches Unternehmen mit seinen 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern allein kaum möglich ist, sich überregional Gehör zu verschaffen, hat mich die Möglichkeit überzeugt, über den Verband auch in Berlin Interessen vorbringen zu können.
Herr Schneider, wie sind Sie zum Verband gestoßen?
Schneider: Nachdem ich 2017 nach acht Jahren im Ausland nach Göttingen zurückkehrte, um als Nachfolger meines Vaters in unserem vor 25 Jahren gegründetem Unternehmen aktiv zu werden, hatte ich zunächst gar nicht vor, mich in einem unternehmerischen Netzwerk zu engagieren. Als Vater mit kleinen Kindern und häufiger Wochenendarbeit wollte ich ungern Zeit für etwas opfern, das nicht zum Tagesgeschäft gehört. Da mein Vater jedoch bereits seit 20 Jahren Verbandsmitglied ist, überzeugte er mich, es mir trotzdem einmal anzuschauen. Ich war dann vom ersten Event an begeistert. Es gab tolle Gespräche und viele spannende, neue Kontakte, um mir nach meiner langen Abwesenheit ein regionales Netzwerk aufzubauen. Im Vorstand engagiere ich mich nach meinem Eintritt nun deshalb, weil ich den Verband für unsere Region fördern und aktiv mitgestalten möchte. Zeitlich wird dies erleichtert, weil wir uns als funktionierendes Team verstehen und alle Aufgabenbereiche unter uns Fünfen – Stefan Sander fehlt heute leider – aufteilen.

DIE FAMILIENUNTERNEHMER e. V. 
Als Interessenverband deutscher Familienunternehmen vertritt der Verein 6.000 Mitglieder. Er ging aus der Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Unternehmer hervor. Sein Sitz ist in Berlin, darunter gibt es eine Landesebene und Regionalkreise wie den Regionalkreis 25 Südniedersachsen. Präsident des Verbandes ist seit 2017 Reinhold von Eben-Worlée, Geschäftsführender Gesellschafter der E. H. Worlée & Co. GmbH & Co. KG. Politisch orientiert sich der Verein an seinem Motto „Freiheit, Eigentum, Wettbewerb und Verantwortung“, um über seine Mitglieder hinaus die wirtschaftspolitischen Interessen von 180.000 deutschen Familienunternehmern zu vertreten, die ca. acht Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigen. Um Mitglied zu werden, sind ein Mindestjahresumsatz von einer Million Euro und mindestens zehn Beschäftigte nötig.
www.familienunternehmer.eu

Frau Drewes, wie kam es zu Ihrem Eintritt?
Drewes: Ich bin seit 2011 dabei. Als ich 2010 nach Göttingen kam und in unser Familienunternehmen eintrat, das mein Vater vor über 20 Jahren gegründet hatte, fragte ich mich: Wo findet hier Wirtschaft statt, und wo kann ich mich vernetzen? Ich kam mit Marie-Christin-Ostermann, der damaligen Bundesvorsitzenden, ins Gespräch und so entstand sehr schnell der Kontakt. Ich schätze vor allem die regelmäßigen Unternehmertreffen, bei denen wir uns u. a. unsere eigenen Firmen gegenseitig vorstellendie eigenen Unternehmen verschiedene Firmen anschauen, und uns in sehr offenen und ehrlichen Gesprächen über aktuelle Themen, Baustellen und Herausforderungen austauschen. Es geht dabei nicht darum, Geschäfte zu machen, sondern von den vorhandenen Gemeinsamkeiten zu profitieren. So bieten wir uns auf vielen Themenfeldern einen echten Mehrwert, wenn es beispielsweise darum geht, wie man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen kann.
Herr Müller-Kronberg, Sie sind seit 2012 im Verband. Welche Aspekte sind Ihnen besonders wichtig?
Müller-Kronberg: Aus meiner Sicht sind wir FAMILIENUNTERNEHMER eine besondere Spezies. Wir sind uns menschlich nah. Es gibt keinen Wettbewerb, sondern einen kollegialen Austausch auf hohem Niveau. Der deutsche Mittelstand wird ja immer wieder für seine Wirtschafskraft gerühmt. Trotzdem sind viele dieser Unternehmen relativ klein. Umso wichtiger ist deshalb unser gut funktionierender Austausch über Themen, die uns alle bewegen, wie etwa die Digitalisierung. Und obwohl DIE FAMILIENUNTERNEHMER in der Presse eher zurückhaltend auftreten, gelingt es uns gut, uns in Berlin zu positionieren. Wir werden gehört.
Wie funktioniert dieser politische Prozess? Werden die Themen auf den regelmäßigen Verbandstreffen gesammelt und dann in Berlin gebündelt?
Schneider: Unser Verband ist gut durchorganisiert. Wir haben eine Regionalebene, wir sind beispielsweise in Südniedersachsen im Regionalkreis 25 organisiert. Dann gibt es die niedersächsische Landesebene mit zwei jährlichen Treffen. Dort werden politische Themen konkretisiert, die wir auf regionaler Ebene gesammelt haben und an den Landesvorsitzenden herantragen. Darüber liegt die Bundesebene, auf der es ebenfalls regelmäßige Treffen gibt. So hatten wir etwa beim parlamentarischen Abend des Verbandes Gelegenheit zu einem Austausch mit Joachim Gauck, bei dem es um den Diskurs über Europa ging.

DIE JUNGEN UNTERNEHMER
Die JUNGEN UNTERNEHMER ist ein Wirtschaftsverband, der sich als Interessenvertretung für junge Familien- und Eigentümerunternehmer versteht. Er ist eine nicht rechtsfähige Unterorganisation des Unternehmerverbands DIE FAMILIENUNTERNEHMER e. V. und wurde 1950 als Bundesverband Junger Unternehmer gegründet. Seine Mitglieder wechseln mit 40 Jahren in den DIE FAMILIENUNTERNEHMER e. V.“; um Mitglied zu werden, sind ein Mindestjahresumsatz von einer Million Euro oder mindestens zehn Beschäftigte erforderlich.
www.junge-unternehmer.eu

Sind DIE FAMILIENUNTERNEHMER auch regional politisch aktiv?
Schneider: Da ein starkes, geeintes Europa zu unseren zentralen Anliegen gehört, haben wir regional alle Mitglieder angeschrieben, ob wir ihnen Europaflaggen mit dem Verbandslogo und unserem Bekenntnis für ein stabiles Europa überreichen dürfen. Wir möchten, dass in den Unternehmen darüber gesprochen wird, welche Vorteile Europa mit sich bringt. Für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das Thema sehr weit weg, deshalb bedarf es einer Sensibilisierung und einer guten Information, um zu verhindern, dass extremistische Einzelgruppen diese Situation ausnutzen.
Ergibt sich über den Verband auch ein direkter persönlicher Kontakt zu den Politikern?
Losch-Hawellek: Dazu kommt es immer wieder, beispielsweise auf den politischen Abenden in der Region. Dort kommen wir einmal im Jahr mit einem Politiker in sehr kleiner Runde zu einem intensiven Austausch zusammen und können unsere Anliegen als Unternehmen ganz direkt weitergeben.
Schneider: Auch beim parlamentarischen Abend mit Joachim Gauck war das eine kleine Runde, nach seinem Kurzvortrag gab es dann zwei Stunden lang einen regen Austausch. Solche Veranstaltungen verdeutlichen, dass Politiker neben ihrer öffentlichen immer auch eine privatere, verträglichere Seite haben.
Gerade die sogenannten kleinen und mittleren Unternehmen spielen eine wichtige Rolle für die deutsche Volkswirtschaft. Wird dies im Rahmen ihrer Kontakte zu Vertretern der Politik erkennbar?
Müller-Kronberg: Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Natürlich gibt es für Politiker die Motivation, sich vor allem mit Unternehmen einer bestimmten Größenordnung auseinanderzusetzen, aber trotzdem ergibt sich aus unseren Kontakten für Politiker häufig ein sehr konkreter Qualitätscheck. Sie finden im Gespräch mit uns heraus, welche Konsequenzen sich auf unserer Seite z. B. aus den Forderungen ergeben, für die sie sich einsetzen. Aus meiner Sicht ist es auch menschlich förderlich, wenn sie sich dann fragen: Wollte ich das?
Bedingt durch ihre Altersgruppe, sind Sie alle quasi im digitalen Zeitalter aufgewachsen und leben in einer sich rapide verändernden Arbeitswelt. Gleichzeitig folgen Sie an der Unternehmensspitze auf eine gewissermaßen noch „analog“ gereifte Generation klassischer Unternehmerpersönlichkeiten. Welche Rolle spielen diese Unterschiede für Sie?
Drewes: Ich bin 39 Jahre alt und leite unser Unternehmen zusammen mit meinem Vater, der über 70 ist. Seit ich dabei bin, hat sich die Ausrichtung sowohl in der Führungsphilosophie als auch von der Einstellung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern innovativ weiterentwickelt. Wir delegieren Aufgaben und Verantwortung, es gibt mehr Offenheit und jede bzw. jeder Einzelne im Team generiert mit seinem Input einen Mehrwert. Die fortschreitende Digitalisierung steht dabei weniger im Zentrum – die nimmt von ganz allein zu, weil wir Schritt für Schritt Prozesse und Abläufe optimieren. Alles in allem erleben wir gegenwärtig eine radikale Veränderung, die aber durch unser Team selbst geformt wird.
Losch-Hawellek: Digitalisierung wird einfach gelebt. Während mein Vater seinen PC anschaltet und seine E-Mails liest, bin ich als Nachfolgerin längst in einen weltweiten Datenaustausch mit unseren Kunden eingebunden, der von den großen, globalen Playern, mit denen wir zusammenarbeiten, einfach erwartet wird. Wichtig ist einfach, alle Beteiligten für diese Prozesse fit zu machen. Ich glaube, unsere Väter sind durchaus dankbar, dass wir als junge Unternehmer diese Herausforderungen annehmen. Gerade in vergleichsweise kleineren Unternehmen wie unserem ist es wichtig, sich gut strukturiert mit allen Aspekten des Themas Industrie 4.0 auseinanderzusetzen.
Schneider: Genau diese Prozesse bilden wir ja beispielsweise auch in den Veranstaltungen unseres Verbandes ab. Im vergangenen Jahr hatten wir einen Vortrag zum Thema Cybercrime und einen anderen, in dem es um den „Clash“ bzw. „Change of Generations“ ging. Natürlich ist letzteres kein neues Thema, aber es ist wirklich interessant, wenn eben beide Generationen in einem Raum sitzen und sich darüber austauschen. Im Frühling haben wir uns in einer anderen Veranstaltung dann des Themas Resilienz und Wandel in der Unternehmensführung angenommen. Wenn man heute mit Vertretern der Generation Y oder Z zusammenarbeitet, muss man sich bewusst sein, dass man bestimmte Prozesse umstellen und andere eben auch beibehalten sollte.

Regionalkreis Südniedersachsen
Im Regionalkreis sind bei DIE JUNGEN UNTERNEHMER und DIE FAMILIENUNTERNEHMER insgesamt 75 Mitglieder aktiv. Bei den verschiedenen Events kommen regelmäßig unterschiedliche Gruppengrößen in wechselnder Besetzung zusammen. Diese Events reichen dabei von der jährlich gut besuchten Weihnachtsfeier, über politische Veranstaltungen, Treffen für Unternehmer mit Kindern, Betriebsbesichtigungen, informative Vorträge bis hin zum Stammtisch in einer Bar oder einem Restaurant. Einmal im Jahr wird auch eine Unternehmerreise organisiert, bei der andere Städte und Regionalkreise besucht werden – alles im Sinne des gemeinsamen Austausches.

Wenn es um den Generationswechsel geht: Müssen Sie als jüngere Unternehmer der älteren Generation gegenüber manchmal auch Druck machen, um zeitgemäße Veränderungen voranzubringen oder gibt es dafür bereits das nötige Verständnis?
Müller-Kronberg: Das hängt sicher immer von dem Menschen ab, mit dem man es zu tun hat. Es gibt diese „alte Schule“, die sich mit einem neuen Verständnis von Dialog oder Führung schwer tut, weil sie eben auf 40 Jahre Erfahrung zurückblickt. Wir sind aber an einem Punkt, an dem reine Erfahrung an Wert verliert. Niemand weiß, was das für uns bedeutet, aber wir müssen jetzt die Fragen beantworten, die sich daraus ergeben und wohl auch Erfahrung neu interpretieren. Das ist je nach Branche unterschiedlich, aber die Vielfalt der Branchen in unserem Verband bringt hier unglaublich wertvolle Perspektiven mit sich. Wir alle stehen da in der Verantwortung, uns für eine Philosophie des „Respekt muss runter, Wertschätzung muss hoch“ auszusprechen. Auch wenn jemand hierarchisch über mir steht, muss ich sagen dürfen: Der erste Teil deines Vortrags war super, den zweiten habe ich nicht verstanden und der dritte war Käse. Meinem Vater wäre ein solcher Dialog schwergefallen, weil er das als Herausforderung verstanden hätte. Ich sage: Wo liegt das Problem? Wir müssen das Potenzial unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern, denn so können wir Geld verdienen. Um Zukunftsfähigkeit zu sichern, braucht es deshalb genau die Dialogkultur, die wir in unserem Verband leben.
Drewes: Gleichzeitig ist es von Vorteil, wenn zwei Generationen zusammen ein Unternehmen leiten. Da ist dann die Erfahrung, aber auch die innovative Kraft der Jüngeren.
Sie arbeiten im Vorstand als gleichberechtigtes Team. Wäre das vor 15 Jahren vorstellbar gewesen?
Losch-Hawellek: Es hat sicher einen Wandel gegeben, den wir auch umsetzen müssen. Führung ist heute Teamarbeit. Ich delegiere meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht, ich arbeite mit ihnen zusammen und tausche mich aus. Unsere Väter haben eine andere Führungsmentalität. Aber die noch zu erleben und mich zum Beispiel mit meinem Vater darüber austauschen zu können, ist etwas, für das ich sehr dankbar bin. Angesichts der großen Unterschiede ist das von außen vielleicht gar nicht so nachvollziehbar, aber ich denke die Anwesenden können gut verstehen, was ich damit meine.