Karl Bert­ram und Chun So vom Max-Planck-Insti­tut (MPI) für bio­phy­si­ka­li­sche Che­mie sowie Fabi­an Jan Schwar­zen­dahl vom MPI für Dyna­mik und Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on haben die renom­mier­te Otto-Hahn-Medail­le erhal­ten. Die Max-Planck-Gesell­schaft (MPG) ehrt damit jähr­lich die 30 bes­ten For­sche­rin­nen und For­scher für ihre her­aus­ra­gen­den Leis­tun­gen wäh­rend der Pro­mo­ti­on. Nur weni­ge der Preis­trä­ge­rin­nen und Preis­trä­ger erhal­ten zusätz­lich den Otto Hahn Award. Die­se Ehre wird in die­sem Jahr auch Chun So vom MPI für bio­phy­si­ka­li­sche Che­mie zuteil.

Wie die Eizel­le ihren Chro­mo­so­men­satz hal­biert

Aus zwei Hälf­ten ein Gan­zes zu machen, ist gar nicht so ein­fach. Zumin­dest, wenn es um die Ver­ei­ni­gung von Eizel­le und Sper­mi­um geht. Vor­her muss eine befruch­tungs­fä­hi­ge Eizel­le ihren voll­stän­di­gen Chro­mo­so­men­satz in einer spe­zi­el­len Zell­tei­lung hal­bie­ren, die Mei­ose genannt wird. Wenn dabei Feh­ler pas­sie­ren, führt dies zu Eizel­len mit über­zäh­li­gen oder feh­len­den Chro­mo­so­men. Wer­den die­se Eizel­len befruch­tet, stirbt der ent­ste­hen­de Embryo häu­fig ab oder zeigt Auf­fäl­lig­kei­ten wie das Down-Syn­drom. Mit den noch uner­forsch­ten Geheim­nis­sen rund um die Mei­ose hat sich Chun So wäh­rend sei­ner Dok­tor­ar­beit beschäf­tigt.

Der Dok­to­rand kon­zen­trier­te sich auf eine kom­ple­xe Maschi­ne­rie, den meio­ti­schen Spin­del­ap­pa­rat, der die Hal­bie­rung des Chro­mo­so­men­sat­zes in der Eizel­le vor­an­treibt. Chun So ent­deck­te einen bis­her unbe­kann­ten Mecha­nis­mus in Mäu­sen und ande­ren Säu­ge­tie­ren, bei dem 19 Pro­te­ine an den bei­den Polen des Spin­del­ap­pa­rats eine unge­wöhn­li­che, flüs­sig­keits­ar­ti­ge Struk­tur bil­den. Die­se för­dert den Auf­bau der Spin­del. Im Rah­men sei­ner wei­te­ren For­schung will er die Mecha­nis­men des meio­ti­schen Spin­del­zu­sam­men­baus bei mensch­li­chen Eizel­len unter­su­chen. Zudem möch­te er neue Modell­sys­te­me ent­wi­ckeln, um auch frü­he­re Sta­di­en der Eizel­len­ent­wick­lung zu erfor­schen.

Chun So stu­dier­te Zell- und Mole­ku­lar­bio­lo­gie an der Chi­ne­se Uni­ver­si­ty in Hong Kong, erhielt schon wäh­rend des Stu­di­ums ins­ge­samt 15 Prei­se und Sti­pen­di­en und schloss die­ses 2016 ab. Er pro­mo­vier­te 2019 in der Abtei­lung Mei­ose von Melina Schuh am MPI für bio­phy­si­ka­li­sche Che­mie und erhielt dafür er ein Sti­pen­di­um der Crou­ch­er Foun­da­ti­on. Seit­dem forscht er wei­ter­hin als Crou­ch­er-/Max-Planck-Post­doc-Sti­pen­di­at bei Melina Schuh und Ufuk Günes­do­gan an der Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen. Mit dem Otto Hahn Award kann nun er eine eige­ne For­schungs­grup­pe an einem Max-Planck-Insti­tut sei­ner Wahl auf­bau­en.

Dr. Chun So – Foto: Ire­ne Bött­cher-Gajew­ski / Max-Planck-Insti­tut für bio­phy­si­ka­li­sche Che­mie

 

Ein detail­lier­ter Bau­plan der Spleiß-Maschi­ne­rie

In jeder Zel­le ver­rich­ten zahl­rei­che „Nano­ma­schi­nen“ lebens­wich­ti­ge Auf­ga­ben. Karl Bert­ram forsch­te wäh­rend sei­ner Dok­tor­ar­beit am soge­nann­ten Spleiß­osom. Die­se rie­si­ge mole­ku­la­re Maschi­ne erfüllt in den Zel­len unse­res Kör­pers eine ent­schei­den­de Auf­ga­be: Sie zer­schnei­det und reor­ga­ni­siert die gene­ti­sche Infor­ma­ti­on und fügt sie anschlie­ßend zu einer Bau­an­lei­tung zusam­men, nach der jede Zel­le ihre jeweils benö­tig­ten Pro­te­ine her­stel­len kann. Bis vor kur­zem war jedoch weit­ge­hend unklar, wie die­ser Spleiß-Pro­zess auf mole­ku­la­rer Ebe­ne funk­tio­niert und wie er regu­liert wird.

Karl Bert­ram erforsch­te in sei­ner Dok­tor­ar­beit am MPI für bio­phy­si­ka­li­sche Che­mie inner­halb einer gro­ßen Koope­ra­ti­on zwi­schen der Abtei­lung Struk­tu­rel­le Dyna­mik von Hol­ger Stark, der For­schungs­grup­pe Bio­ana­ly­ti­sche Mas­sen­spek­tro­me­trie von Hen­ning Urlaub und der Eme­ri­tus­grup­pe Zel­lu­lä­re Bio­che­mie von Rein­hard Lühr­mann die ato­ma­re Struk­tur, also den detail­lier­ten Bau­plan die­ser Maschi­ne. Er hat dazu bei­getra­gen, hoch­auf­ge­lös­te, drei­di­men­sio­na­le Auf­nah­men des mensch­li­chen Spleiß­osoms mit dem Kryo-Elek­tro­nen­mi­kro­skop zu erhal­ten – in unter­schied­li­chen Pha­sen des Spleiß-Pro­zes­ses. Die­se Struk­tu­ren zähl­ten zu den ers­ten die­ser kom­ple­xen Maschi­ne aus mensch­li­chen Zel­len welt­weit. Künf­tig möch­te der Nach­wuchs­for­scher Schlüs­sel­pro­zes­se in der kryo-elek­tro­nen­mi­kro­sko­pi­schen Pro­ben­vor­be­rei­tung wei­ter­ent­wi­ckeln, um die mole­ku­la­ren Bau­plä­ne unse­rer zel­lu­lä­ren Nano­ma­schi­nen noch bes­ser zu ver­ste­hen.

Karl Bert­ram stu­dier­te Mole­ku­la­re Bio­me­di­zin an der Uni­ver­si­tät Bonn, wech­sel­te nach dem Bache­lor an die Lud­wig-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Mün­chen und schloss Ende 2014 sein Mas­ter­stu­di­um in den Berei­chen Bio­che­mie, orga­ni­scher Che­mie und Struk­tur­bio­lo­gie mit einem Sti­pen­di­um-geför­der­ten For­schungs­auf­ent­halt an der Rocke­fel­ler Uni­ver­si­ty in New York ab. Für die Pro­mo­ti­on kam er 2015 in die Abtei­lung für Struk­tu­rel­le Dyna­mik von Hol­ger Stark am MPI für bio­phy­si­ka­li­sche Che­mie in Göt­tin­gen und pro­mo­vier­te 2018.

Dr. Karl Bert­ram – Foto: Ire­ne Bött­cher-Gajew­ski / Max-Planck-Insti­tut für bio­phy­si­ka­li­sche Che­mie

 

Auf den Spu­ren der Mikro­schwim­mer

Wäh­rend sei­ner Dok­tor­ar­beit erforsch­te der theo­re­ti­sche Phy­si­ker Fabi­an Jan Schwar­zen­dahl mit­hil­fe von Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen und theo­re­ti­schen Berech­nun­gen, wie sich Mikro­schwim­mer – kleins­te Lebe­we­sen wie zum Bei­spiel Bak­te­ri­en oder Mikro­al­gen – in kom­ple­xen Umge­bun­gen kol­lek­tiv ver­hal­ten. Hier­bei unter­such­te er den Ein­fluss von hydro­dy­na­mi­schen Wech­sel­wir­kun­gen auf Mikro­schwim­mer und erkann­te, dass die­se ein Zusam­men­klum­pen von Mikro­schwim­mern ermög­li­chen. Wei­ter­hin unter­such­te der Dok­to­rand Mikro­or­ga­nis­men in ver­schie­de­nen Geo­me­trien, zum Bei­spiel in Behäl­tern mit unter­schied­li­chen Grö­ßen, und fand her­aus, wie die­se auf engs­tem Raum navi­gie­ren. Ein beson­de­res wich­ti­ges Ergeb­nis der Arbei­ten von Schwar­zen­dahl: Das kol­lek­ti­ve Ver­hal­ten von Mikro­schwim­mern kann durch die Hydro­dy­na­mik, also das blo­ße Vor­han­den­sein der Flüs­sig­keit, in der sie schwim­men, qua­li­ta­tiv ver­än­dert wer­den. Sei­ne Erkennt­nis­se könn­ten bei­spiels­wei­se hel­fen, die Ent­ste­hung von bak­te­ri­el­len Bio­fil­men zu ver­ste­hen oder mit­tels künst­li­cher Mikro­schwim­mer Medi­ka­men­te an ihr Ziel zu brin­gen. Mit der Otto-Hahn-Medail­le wür­digt die Jury die Arbei­ten als „völ­lig neue Ein­sich­ten, die das aktu­el­le Wis­sen über Mikro­schwim­mer her­aus­for­dern.“ Schwar­zen­dahl hat in sei­ner Dis­ser­ta­ti­on das Ver­ständ­nis von akti­ven Flui­den erheb­lich vor­an­ge­bracht.

Fabi­an Jan Schwar­zen­dahl stu­dier­te Phy­sik an der Georg-August-Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen und schloss sein Stu­di­um 2015 ab. Anschlie­ßend pro­mo­vier­te er über die Dyna­mik von Mikro­schwim­mern am MPI für Dyna­mik und Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on in der Grup­pe von Mar­co G. Maz­za in der Abtei­lung Kom­ple­xe Flui­de von Ste­phan Her­ming­haus.  Mitt­ler­wei­le arbei­tet Schwar­zen­dahl als Post­doc­to­ral Fel­low an der Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia in Mer­ced, USA. (is/ch)

Dr. Fabi­an Jan Schwar­zen­dahl – Foto: pri­vat