For­sa: Sucht­po­ten­zi­al von Smart­phones ist Sor­ge Num­mer 1 von Müt­tern und Vätern

‚Leg‘ doch mal das Smart­phone weg!‘ Die­se Auf­for­de­rung dürf­ten vie­le Kin­der und Jugend­li­che bald wie­der ver­stärkt von ihren Eltern hören. Ange­sichts geschlos­se­ner Schu­len, Kurz­ar­beit und Home­of­fice durch die Coro­na-Pan­de­mie ent­pupp­te sich das Smart­phone – eben­so wie PC und Tablet – als ech­ter Kri­sen-Joker für Müt­ter und Väter, wenn es um die Beschäf­ti­gung ihrer Kin­der ging. Doch nach und nach nor­ma­li­siert sich die Lage. Damit keh­ren auch die Sor­gen vie­ler Eltern zurück, der stän­di­ge Umgang mit dem digi­ta­len All­roun­der kön­ne ihren Kin­dern scha­den. So befürch­ten laut einer For­sa-Umfra­ge im Auf­trag der KKH Kauf­män­ni­sche Kran­ken­kas­se 44 Pro­zent der Eltern, ihr Kind kön­ne via Han­dy mit nicht alters­ge­rech­ten, gefähr­li­chen Inhal­ten in Kon­takt kom­men. Eben­so vie­le machen sich Gedan­ken dar­über, dass ihr Nach­wuchs belei­digt oder bedroht, sprich Opfer von Cyber-Mob­bing wer­den könn­te. Gro­ße Sor­gen berei­ten Müt­tern und Vätern auch mög­li­che gesund­heit­li­che Fol­gen durch über­mä­ßi­gen Han­dy­ge­brauch. So fürch­tet die Hälf­te der Befrag­ten, ihr Kind könn­te süch­tig wer­den. 44 Pro­zent hal­ten nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit für wahr­schein­lich. An drit­ter Stel­le mit 38 Pro­zent ste­hen Gesund­heits­ri­si­ken durch zu wenig Bewe­gung. 

Für Kin­der unty­pi­sche Erkran­kun­gen auf dem Vor­marsch

Die Sor­gen der Eltern schei­nen nicht unbe­grün­det zu sein. Daten der KKH zei­gen, dass immer mehr Kin­der und Jugend­li­che unter Krank­hei­ten lei­den, die frü­her eher unty­pisch waren. Die Ent­wick­lung von fünf Krank­heits­bil­dern von 2008 auf 2018 zeigt das exem­pla­risch:

  • Extre­mes Über­ge­wicht (Adi­po­si­tas) nahm um knapp 27 Pro­zent zu.
  • Moto­ri­sche Ent­wick­lungs­stö­run­gen stie­gen um rund 52 Pro­zent, bei den 15- bis 18-Jäh­ri­gen dras­tisch um rund 137 Pro­zent.
  • Bei Sprach- und Sprech­stö­run­gen ver­zeich­net die KKH einen Anstieg um knapp 57 Pro­zent – bei den 15- bis 18-Jäh­ri­gen sogar um rund 157 Pro­zent.
  • Schlaf­stö­run­gen nah­men um rund 32 Pro­zent zu, am deut­lichs­ten bei Jugend­li­chen zwi­schen 15 und 18 Jah­ren um mehr als 86 Pro­zent.
  • ADHS (Auf­merk­sam­keits-Defi­zit-Hyper­ak­ti­vi­täts-Stö­rung), die unter ande­rem mit Kon­zen­tra­ti­ons­man­gel ein­her­ge­hen kann, stieg um rund 12 Pro­zent.

„Selbst­ver­ständ­lich sind nicht all die­se Erkran­kun­gen bei Kin­dern allein auf das Smart­phone zurück­zu­füh­ren“, sagt KKH-Psy­cho­lo­gin Fran­zis­ka Klemm. „Doch mit inten­si­ver Nut­zung und dem Kon­takt mit nicht alters­ge­rech­ten Inhal­ten steigt nicht nur das Risi­ko für Über­ge­wicht oder moto­ri­sche Beein­träch­ti­gun­gen, son­dern auch für psy­chi­sche Erkran­kun­gen wie Depres­sio­nen oder eine Inter­net­sucht. Durch inten­si­ven Medi­en­kon­sum kön­nen Kin­der und Jugend­li­che Ent­wick­lungs­chan­cen ver­pas­sen, die ihnen die ana­lo­ge Welt bie­tet und die ent­schei­dend für ein gesun­des Auf­wach­sen sind.“ Mit Gleich­alt­ri­gen zum Bei­spiel Fuß­ball zu spie­len, durch die Natur zu strei­fen oder gemein­sam zu musi­zie­ren, sind unver­zicht­ba­re rea­le Erfah­run­gen jen­seits vir­tu­el­ler Wel­ten. Der Aus­tausch mit ande­ren Men­schen ver­an­kert Kin­der im Leben und bil­det damit eine wich­ti­ge Basis für eine gesun­de Medi­en­nut­zung.

Lock­down hat Nut­zung digi­ta­ler Medi­en ver­stärkt – Eltern gelas­se­ner

Fast alle Eltern (95 Pro­zent) berich­ten, dass ihr Kind digi­ta­le Medi­en in den Coro­na-Feri­en stär­ker nutzt als üblich. Zum Smart­phone bei­spiels­wei­se grei­fen 54 Pro­zent der Her­an­wach­sen­den häu­fi­ger. Wäh­rend zu lan­ge Online­zei­ten im Nor­mal­fall Kon­flikt­aus­lö­ser Num­mer 1 sind, sehen Eltern das wäh­rend der Kri­se nicht so eng. So fin­den es 64 Pro­zent der Eltern in der Aus­nah­me­si­tua­ti­on okay, wenn ihr Kind Medi­en inten­si­ver nutzt. Die Hälf­te begrün­det dies damit, Smart­phone & Co. sei­en eine gute Mög­lich­keit, mit Freun­den in Kon­takt zu blei­ben. Etwa ein Drit­tel gibt zu, sich in Zei­ten geschlos­se­ner Schu­len und Kitas nicht durch­ge­hend um ihr Kind küm­mern zu kön­nen und ist des­halb froh über die digi­ta­len Kin­der­sit­ter. 25 Pro­zent der Eltern sagen, dass sie die län­ge­ren Online­zei­ten wäh­rend Coro­na zwar ärgern, wegen der extre­men Zei­ten aber tole­rie­ren. 16 Pro­zent der Eltern befürch­ten wäh­rend der Kri­se, dass sich lan­ge Medi­en­nut­zungs­zei­ten nega­tiv auf die Gesund­heit ihres Kin­des aus­wir­ken.

‚Gene­ra­ti­on online‘ hat Gefah­ren viel­fach im Blick – und doch gibt’s oft Zoff

Tele­fo­nie­ren, chat­ten, für die Schu­le goo­geln, Musik hören, Vide­os anse­hen, foto­gra­fie­ren: Das Smart­phone beein­flusst vie­le Lebens­be­rei­che. Es ist die Steu­er­zen­tra­le des digi­ta­len All­tags und wich­tigs­tes Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­um von Kin­dern und Jugend­li­chen. Wer meint, die ‚Gene­ra­ti­on online‘ gehe durch­weg blau­äu­gig damit um, täuscht sich. So ist die Mehr­heit der von For­sa befrag­ten Eltern (58 Pro­zent) davon über­zeugt, dass ihr Kind sein Smart­phone reflek­tiert nutzt und sich auch mög­li­cher Gefah­ren wie Daten­miss­brauch bewusst ist. Zwei von fünf Müt­tern und Vätern ver­mu­ten dage­gen, dass ihr Kind sein Han­dy eher unbe­fan­gen nutzt: Jun­gen nei­gen offen­bar eher dazu (46 Pro­zent) als Mäd­chen (35 Pro­zent), haben mög­li­che Risi­ken sel­te­ner im Blick. Das sorgt mit­un­ter für Zoff. 85 Pro­zent der befrag­ten Eltern geben an, dass das Han­dy zumin­dest hin und wie­der zu Streit führt. In jeder sieb­ten Fami­lie kommt es sogar häu­fig bis sehr häu­fig zu Rei­be­rei­en. Nur 15 Pro­zent der Eltern sagen, dass die Smart­phone-Nut­zung ihres Kin­des kein Streit­the­ma ist.

Smart­phones bie­ten pures Gehirn­jog­ging

Abs­ti­nenz der Kin­der vom Smart­phone zum Schutz vor even­tu­el­len Gefah­ren ist kei­ne Lösung. Schließ­lich ist das Mobil­ge­rät längst nicht mehr aus dem All­tag weg­zu­den­ken. Dabei bie­tet es ech­te Chan­cen. „Eine reflek­tier­te Han­dy­nut­zung för­dert die Ent­wick­lung des Gehirns, des­sen Form­bar­keit in jun­gen Jah­ren am größ­ten ist“, erklärt Hirn­for­scher Prof. Dr. Mar­tin Kor­te von der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Braun­schweig. „Schla­gen Kin­der und Jugend­li­che Wis­sen schnell nach oder las­sen sie sich Sach­ver­hal­te über Vide­os erklä­ren, kur­belt das die Auf­merk­sam­keit an. Auch ana­ly­ti­sche Fähig­kei­ten sowie räum­li­ches Den­ken wer­den gestärkt. Das ist pures Gehirn­jog­ging.“ Ein umsich­ti­ger Umgang mit dem Smart­phone kann wei­te­re Plus­punk­te für die Ent­wick­lung der ‚Digi­tal nati­ves‘ mit sich brin­gen – von der För­de­rung sozia­ler Kon­tak­te sowie der Iden­ti­täts­fin­dung über den Erwerb prä­zi­ser Kom­mu­ni­ka­ti­on und tech­ni­schen Know-hows bis hin zu mehr Krea­ti­vi­tät durch media­les Gestal­ten und Expe­ri­men­tie­ren.

Vom rei­nen Kon­su­mie­ren zum akti­ven Steu­ern: Haupt­sa­che Medi­en­kom­pe­tenz

Digi­ta­le Medi­en haben viel Poten­zi­al für eine gesun­de Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung in Kind­heit und Jugend. Doch ent­fal­ten kann es sich nur, wenn Kin­der vor­ab in der ana­lo­gen Welt Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen erlernt haben. Dazu zäh­len Kör­per- und Sozi­al­er­fah­run­gen, aber auch Lesen und Schrei­ben, die Basis für den Umgang mit dem Han­dy sind. „Kin­dern ist begreif­lich zu machen, dass die rea­le und die vir­tu­el­le Welt kei­ne zwei Wel­ten sind, son­dern dass das Smart­phone unse­re wirk­li­che Lebens­welt erwei­tert“, betont KKH-Exper­tin Klemm. „Das setzt ein gesun­des Ver­hält­nis von On- und Off­line­zei­ten vor­aus.“ Die hier­für nöti­ge Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­ti­on heißt Medi­en­kom­pe­tenz. Dar­in gilt es, Kin­der und Jugend­li­che fit zu machen. Kom­pe­tent heißt im Ide­al­fall, dass sie sich maß­voll, sach­kun­dig, selbst­be­stimmt, sicher und sozi­al ver­ant­wor­tungs­voll in der digi­ta­len Welt bewe­gen ‒ ohne sich von Medi­en abhän­gig zu machen. „Bei der Ver­mitt­lung kommt Eltern eine ent­schei­den­de Vor­bild­funk­ti­on zu. Sie soll­ten ihren Nach­wuchs an die Hand neh­men, eng beglei­ten und einen sou­ve­rä­nen Umgang mit dem Smart­phone vor­le­ben.“ All die Funk­tio­nen des Smart­phones fas­zi­nie­ren jedoch gene­ra­tio­nen­über­grei­fend und ver­lo­cken daher auch Müt­ter und Väter. Fast jeder 13. Befrag­te hält sich denn auch für kein gutes Vor­bild für sein Kind. 37 Pro­zent der Eltern möch­ten in punc­to Han­dy-Nut­zung mit gutem Bei­spiel vor­an­ge­hen, schaf­fen das jedoch nur manch­mal. Die Hälf­te der Befrag­ten hat hin­ge­gen das Gefühl, das Smart­phone im Griff zu haben und meis­tens ein gutes Vor­bild zu sein. Das gilt ins­be­son­de­re für die Eltern­ge­nera­ti­on 50 plus (59 Pro­zent).

Das Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tut For­sa hat 1.004 Eltern von 10- bis 18-jäh­ri­gen Kin­dern und Jugend­li­chen sowie in einer ergän­zen­den Umfra­ge wäh­rend der Coro­na-Zeit 502 Eltern von 6- bis 18-jäh­ri­gen schul­pflich­ti­gen Kin­dern und Jugend­li­chen mit Smart­phone mit Inter­net­zu­gang 2020 im Auf­trag der KKH Kauf­män­ni­sche Kran­ken­kas­se reprä­sen­ta­tiv online befragt. Die KKH Kauf­män­ni­sche Kran­ken­kas­se ist eine der größ­ten bun­des­wei­ten gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen mit rund 1,7 Mil­lio­nen Ver­si­cher­ten.