In der Nach-Corona-Zeit droht der Wirtschaft eine Insolvenz-Welle, die abgehängte Firmen in den Konkurs und Arbeit­suchende auf den schon lange leergefegten Arbeitsmarkt spülen wird. Darin liegen Chancen, für die Betroffenen ebenso wie für zukunftsorientierte Unternehmen mit Wachstumspotenzial.

Text: Ulrich Drees | Illustration: Adobe Stock

Zombieunternehmen. Dieser angsteinflößende Begriff prägte zum Jahreswechsel nicht nur die Schlagzeilen vieler Wirtschaftsmagazine, er bereitet auch vielen Experten erhebliche Sorgen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnt in einem Arbeitspapier mit dem Titel „The Walking Dead? Zombie Firms and Productivity Performance in OECD Countries“ vor solchen Firmen: „ Die Ergebnisse zeigen, dass die Verbreitung von Zombiefirmen sowie die von ihnen verwendeten Ressourcen seit Mitte der 2000er-Jahre zugenommen haben und dass das zunehmende Überleben dieser Unternehmen mit niedriger Produktivität an den Rändern des (Markt-)Austritts die Märkte verstopft sowie das Wachstum von produktiveren Unternehmen beschränkt.“
Zombieunternehmen existieren in jeder Marktwirtschaft und zu jeder Zeit. Im Normalfall sorgen die Marktkräfte jedoch dafür, dass die Verantwortlichen irgendwann freiwillig aufgeben oder durch eine Insolvenz dazu gezwungen werden. Zwar kommen immer wieder neue Zombies hinzu, aber der Bestand reguliert sich auf einem funktionierenden Markt quasi von alleine. Wenn jedoch, wie durch die Corona-Krise ausgelöst, erhebliche staatliche Mittel in die Volkswirtschaften fließen, dann besteht darin die Gefahr, dass nicht nur positive Effekte erzielt werden, sondern auch die Existenz vieler Zombieunternehmen unnatürlich verlängert wird.

Die Corona-Beschleunigung >>> In diesem Zusammenhang spielt ein weiterer Aspekt eine Rolle. Aktuell befindet sich die deutsche Volkswirtschaft in einem wichtigen und umfassenden Strukturwandel, um in Sachen Innovationskraft und neue Technologien auf dem internationalen Parkett aufzuholen. Während eines solchen Strukturwandels gehen für gewöhnlich besonders viele „Zombies“ endgültig zu Boden, da sie die erforderliche Anpassung nicht hinbekommen. Genau dies könnten die Corona-Hilfen jedoch verhindern und so die unnatürliche Existenz der Zombieunternehmen verlängern. Allerdings nur auf Zeit, denn sobald die staatlichen Mittel nicht mehr fließen, dürfte der vorübergehend aufgehaltene Bereinigungsprozess die deutsche Wirtschaft mit Macht einholen und eine deutliche Zunahme an Unternehmensinsolvenzen mit sich bringen. Eine Pleitewelle zeichnet sich ab.

Wachstumsmotor >>> Worin jedoch auch eine Chance liegt. Denn zu den wichtigsten Wachstumsbremsen der Vor-Corona-Zeit gehörte in Deutschland stets auch der zunehmende Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt. Innovativen Unternehmen mit hohem Potenzial fehlten schlicht die Arbeitskräfte, um ihre Möglichkeiten in vollem Umfang zu nutzen. Kommt es jedoch zu einer steigenden Anzahl von Insolvenzen, können diese Unternehmen endlich die Mitarbeiter rekrutieren, die sie so dringend brauchen. So bringt, wie die meisten Krisen, auch die Pandemie Chancen mit sich, denn sie beschleunigt einen schwierigen, aber notwendigen und laufenden Prozess, wie sich am Beispiel der Digitalisierung leicht erkennen lässt.
Wie eine Volkswirtschaft nach diesem Wandel dastehen wird, hängt vor allem davon ab, wie schnell sie ihn erfolgreich bewältigt.
Insofern ist es wichtig, dass die Unternehmen, die diesen Wandel jetzt vorantreiben können, dafür die nötigen Mitarbeiter finden. Natürlich ist es für die Betroffenen zunächst ein schwerer Schlag, aber volkswirtschaftlich betrachtet ist es sinnvoll, dass Unvermeidbare nicht in die Länge zu ziehen, sondern den Prozess von einer noch relativ starken Ausgangsposition, wie sie die deutsche Volkswirtschaft nach Jahren des Wachstums hat, kontrolliert voranzutreiben.

Chancen nutzen >>> Und was für die Digitalisierung gilt, gilt auch für andere Branchen in ähnlichen Transformationsprozessen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Es mag schwerfallen, sich den Menschen hinter der Karstadt-Kasse plötzlich als Innovationstreiber bei der nächsten angesagten Software-Schmiede vorzustellen. Doch lebenslanges Lernen, Fort- und Weiterbildungen und vielseitige Tätigkeitsfelder prägen berufliche Karrieren heute sehr viel mehr als in der Vergangenheit. Und es ist längst für viele Unternehmen ganz selbstverständlich, die eigenen Mitarbeiter selbst individuell für ihre Tätigkeit auszubilden. Insofern ist es sicher nicht unrealistisch, engagierten Arbeitsuchenden für die nächsten Jahre gute Chancen einzuräumen, sich in ein neues Tätigkeitsfeld hineinzuentwickeln – und das in Unternehmen, die ganz bestimmt bessere Löhne zahlen und bessere Aufstiegschancen bieten als es eine Zombiefirma je könnte.
Auch wenn die Pandemie wirtschaftliche Herausforderungen mit sich bringt, macht es für zukunftsorientierte Unternehmen und agile Arbeitnehmer Sinn, sich in der Zukunft darauf zu konzentrieren, die Chancen dieses Wandlungsprozesses zu nutzen.

Der Zombie im wirtschaftlichen Sinne
Als Zombieunternehmen werden hoch verschuldete Unternehmen mit unprofitablem Geschäftsbetrieb bezeichnet, die nicht in der Lage sind, die Zinsen aufgenommener Kredite zu zahlen und deshalb häufig neue Kredite aufnehmen, um bestehende Verpflichtungen zu tilgen. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen und das seit Langem herrschende niedrige Zinsniveau fördern das Fortbestehen solcher Firmen und verhindern die eigentlich nötige Insolvenz zur Marktbereinigung.