Dr. André Sas­se, Dr. Nina Gli­em, Prof. Dr. Ahmad Amanzada

Das Team der Schwer­punk­tam­bu­lanz für chro­nisch-ent­zünd­li­che Darm­er­kran­kun­gen der Kli­nik für Gas­tro­en­te­ro­lo­gie, gas­tro­in­testi­na­le Onko­lo­gie und Endo­kri­no­lo­gie an der UMG hilft Men­schen mit Mor­bus Crohn und Coli­tis ulce­ro­sa.

Text: Ulrich Drees | Fotos: UMG, Ado­be Stock

Zu den wich­tigs­ten Ursa­chen von Beschwer­den im Magen-Darm-Trakt, wie wie­der­keh­ren­de und auch anhal­ten­de Durch­fall­epi­so­den oder Schmer­zen, gehö­ren die chro­nisch-ent­zünd­li­chen Darm­er­kran­kun­gen. Hier­zu zählt man den Mor­bus Crohn und die Coli­tis ulce­ro­sa, die zusam­men mit Blut- und/oder Schleim­bei­men­gun­gen auf­tre­ten kön­nen. Die damit ein­her­ge­hen­den Bauch­schmer­zen tre­ten krampf­ar­tig oder auch dau­er­haft an ver­schie­de­nen Loka­li­sa­tio­nen auf. Bei einem Groß­teil der Betrof­fe­nen kommt es zusätz­lich zu Begleit­sym­pto­men außer­halb des Darms, wie bei­spiels­wei­se Gelenk­schmer­zen, Augen- oder Haut­ent­zün­dun­gen.
Obwohl bei­de Krank­hei­ten vie­le Ähn­lich­kei­ten auf­wei­sen, bestehen auch wich­ti­ge Unter­schie­de. Beim Mor­bus Crohn kann sich die Erkran­kung seg­men­tal an vie­len Stel­len des gesam­ten Magen-Darm-Trak­tes mani­fes­tie­ren, wäh­rend bei der Coli­tis ulce­ro­sa haupt­säch­lich eine kon­ti­nu­ier­li­che Ent­zün­dung des Dick­darms auf­tritt.
Bereits seit Anfang des 19. Jahr­hun­derts nimmt die Zahl der von Mor­bus Crohn und Coli­tis ulce­ro­sa Betrof­fe­nen ste­tig zu. Häu­fig beginnt die Erkran­kung zwi­schen dem 15. und 35. Lebens­jahr, aber auch Men­schen in höhe­rem Alter kön­nen dar­an erkran­ken. Deutsch­land­weit sind ca. 320.000 Men­schen von Mor­bus Crohn oder Coli­tis ulce­ro­sa betrof­fen. Dabei ist die Ver­tei­lung zwi­schen Frau­en und Män­nern nahe­zu gleich. In Euro­pa zeigt sich ein Nord-Süd-Gefäl­le, d.h. die Häu­fig­keit ist in den skan­di­na­vi­schen Län­dern höher als in Süd­eu­ro­pa. Inter­es­san­ter­wei­se kom­men bei­de Erkran­kun­gen haupt­säch­lich in den indus­tria­li­sier­ten Län­dern vor.

Ursa­chen und Dia­gnos­tik >>> Trotz inten­si­ver For­schungs­be­mü­hun­gen in den letz­ten Jahr­zehn­ten ist die Ursa­che der chro­nisch-ent­zünd­li­chen Darm­er­kran­kun­gen wei­ter­hin nicht voll­stän­dig ver­stan­den. Durch bis­her unge­klär­te Mecha­nis­men kommt es einer­seits zu einer über­schie­ßen­den und anhal­ten­den Akti­vie­rung des Immun­sys­tems in der Darm­schleim­haut, ande­rer­seits scheint die Viel­falt der Darm­flo­ra deut­lich redu­ziert zu sein.
Ob ein Mor­bus Crohn oder eine Coli­tis ulce­ro­sa vor­liegt, kann dar­über hin­aus erst nach einer aus­führ­li­chen Befra­gung und einer kör­per­li­chen Unter­su­chung sowie immer auch durch wei­ter­füh­ren­de Unter­su­chun­gen, wie bei­spiels­wei­se eine Ultra­schall-Dia­gnos­tik des Bau­ches, eine Endo­sko­pie des Ver­dau­ungs­trakts und gege­be­nen­falls eine Kern­spin­to­mo­gra­fie, fest­ge­stellt wer­den.
Die Krank­heits­ak­ti­vi­tät wird in drei Sta­di­en ein­ge­teilt: leicht-, mit­tel- und schwerg­ra­dig. Wäh­rend die leicht- und mit­tel­gra­di­gen Ver­läu­fe durch­aus ambu­lant behan­delt wer­den kön­nen, soll­ten Patient*innen mit schwe­rem Ver­lauf sta­tio­när betreut wer­den.

The­ra­pie >>> Das Ziel jeder Behand­lung ist die Beschwer­de­frei­heit ohne Durch­fäl­le und Bauch­schmer­zen. Um dies zu errei­chen, ste­hen mitt­ler­wei­le vie­le ver­schie­de­ne The­ra­pie­op­tio­nen zur Ver­fü­gung. Bevor eine The­ra­pie ein­ge­lei­tet wird, soll­ten jedoch Erkran­kungs­schwe­re und -loka­li­sa­ti­on bestimmt wer­den. Abhän­gig von der vor­lie­gen­den Situa­ti­on kom­men dann ent­we­der lokal wirk­sa­me Medi­ka­men­te, wie z. B. Klys­men, Zäpf­chen oder Schäu­me, oder sys­te­misch wirk­sa­me ent­zün­dungs­hem­men­de Tablet­ten oder Infu­sio­nen, aber auch ope­ra­ti­ve Behand­lungs­ver­fah­ren zum Ein­satz.
Bei Patient*innen mit mit­tel- oder schwerg­ra­di­ger Krank­heits­ak­ti­vi­tät wer­den heut­zu­ta­ge in der Regel spe­zi­el­le Medi­ka­men­te, soge­nann­te Bio­lo­gi­ka, ein­ge­setzt. Die­se Wirk­stof­fe müs­sen ent­we­der als Infu­si­on in ein Blut­ge­fäß ver­ab­reicht oder unter die Haut als Sprit­ze inji­ziert wer­den.

Coro­na-Risi­ken >>> Nach der­zei­ti­gem Erkennt­nis­stand ist das Risi­ko für eine Infek­ti­on mit dem Coro­na-Virus bei Men­schen mit chro­nisch-ent­zünd­li­cher Darm­er­kran­kung nicht grund­sätz­lich erhöht. Aller­dings gilt dies nicht für alle Betrof­fe­nen, und so muss man die­se Fra­ge dif­fe­ren­ziert betrach­ten, da sie von vie­len Fak­to­ren, wie ins­be­son­de­re der jewei­li­gen medi­ka­men­tö­sen The­ra­pie und der aktu­el­len Krank­heits­si­tua­ti­on abhängt. Patient*innen unter immun­sup­pres­si­ven Medi­ka­men­ten haben wahr­schein­lich ein erhöh­tes Risi­ko für eine Infek­ti­on. Daher soll­ten sie beson­ders sorg­fäl­tig die mitt­ler­wei­le gut bekann­ten indi­vi­du­el­len Schutz­maß­nah­men ergrei­fen und ein­hal­ten.
Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass alle Patient*innen mit chro­nisch-ent­zünd­li­cher Darm­er­kran­kung von einer Imp­fung gegen das Coro­na-Virus pro­fi­tie­ren. Eine Imp­fung mit einem Tot­impf­stoff ist grund­sätz­lich bei Men­schen mit immun­sup­pres­si­ver The­ra­pie mög­lich, wäh­rend auf Imp­fun­gen mit einem Lebend­impf­stoff in der Regel ver­zich­tet wer­den soll­te. Die aktu­ell in Euro­pa zuge­las­se­nen Coro­na-Impf­stof­fe der Fir­men Biontech/Pfizer, Moder­na und­A­stra­Ze­ne­ca sind dabei als Tot­impf­stof­fe ein­zu­ord­nen und wer­den dem­entspre­chend bereits bei Men­schen ein­ge­setzt, die immun­sup­pres­si­ve Medi­ka­men­te erhal­ten. Ein­schrän­kend muss hier erwähnt wer­den, dass die Sicher­heit und Effek­ti­vi­tät der ver­schie­de­nen Coro­na-Impf­stof­fe für die Grup­pe der Patient*innen mit chro­nisch-ent­zünd­li­cher Darm­er­kran­kung unter The­ra­pie bis­her noch nicht spe­zi­ell unter­sucht wur­de.

Schwer­punk­tam­bu­lanz >>> Die Schwer­punk­tam­bu­lanz für chro­nisch-ent­zünd­li­che Darm­er­kran­kun­gen der Kli­nik für Gas­tro­en­te­ro­lo­gie, gas­tro­in­testi­na­le Onko­lo­gie und Endo­kri­no­lo­gie an der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen beschäf­tigt sich seit dem Jahr 2014 aus­schließ­lich mit Men­schen mit Mor­bus Crohn und Coli­tis ulce­ro­sa in allen Pha­sen der Erkran­kung.
Ein beson­de­res Augen­merk der Behand­lung liegt hier­bei auf schwe­ren und schwers­ten Ver­läu­fen, die kom­ple­xe, mul­ti­mo­da­le The­ra­pie­stra­te­gien benö­ti­gen. Die Kli­nik bie­tet ihren Patient*innen dabei nicht nur eine stan­dar­di­sier­te Behand­lung mit allen eta­blier­ten Medi­ka­men­ten an, sie kön­nen dar­über hin­aus durch deren Betei­li­gung an kli­ni­schen Stu­di­en gege­be­nen­falls auch von neu­en The­ra­pie­sub­stan­zen pro­fi­tie­ren.
Im Rah­men der Schwer­punk­tam­bu­lanz wer­den die Patient*innen in enger kli­ni­scher Koope­ra­ti­on mit Spe­zia­lis­ten ande­rer Fach­be­rei­che der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen betreut – unter ande­rem wird die Schwer­punk­tam­bu­lanz durch ein Team von Ernährungsberater*innen unter­stützt. Nicht zuletzt steht das Team der Schwer­punk­tam­bu­lanz Patient*innen und Arztkolleg*innen mit sei­ner lang­jäh­ri­gen Erfah­rung auch zur Ein­ho­lung einer Zweit­mei­nung zur Ver­fü­gung.

Prof. Dr. Vol­ker Ellen­rie­der
Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen
Kli­nik für Gas­tro­en­te­ro­lo­gie, gas­tro­in­testi­na­le Onko­lo­gie und Endo­kri­no­lo­gie
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