Im Inter­view erläu­tert Prof. Dr. med. Det­lef Haa­se, Ärzt­li­cher Lei­ter der INDIGHO (Indi­vi­du­el­le Genom­dia­gnos­tik für Häma­to­lo­gie und Onkologie)-Speziallabore der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen, wel­che Bedeu­tung sei­ne Arbeit für die moder­ne Krebs-Medi­zin hat.

Inter­view: Ulrich Drees | Fotos: INDIGHO

Prof. Dr. med. Det­lef Haa­se

Nach­dem Prof. Dr. med. Det­lef Haa­se 1987 sei­ne ers­te Assis­tenz­stel­le in Lübeck ange­tre­ten hat­te, war er dort für sechs­ein­halb Jah­re an der medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät in der Human­ge­ne­tik tätig und sam­mel­te human­ge­ne­ti­sche Erfah­run­gen mit den Schwer­punk­ten gene­ti­scher Ver­än­de­run­gen bei Leuk­ämien und ande­ren Blut- und Kno­chen­mar­k­er­kran­kun­gen. 1993 wech­sel­te er nach Göt­tin­gen und bau­te hier das heu­ti­ge Spe­zi­al-Labor auf – zunächst noch mehr oder weni­ger im Allein­gang. Nach und nach wuchs die Ein­rich­tung jedoch, und zur Unter­su­chung von Chro­mo­so­men­ver­än­de­run­gen kamen die mole­ku­lar­ge­ne­ti­schen Ver­än­de­run­gen hin­zu. Wäh­rend­des­sen absol­vier­te Prof. Haa­se eine Aus­bil­dung als Inter­nist, Häma­to­lo­ge und Onko­lo­ge und habi­li­tier­te. Bis heu­te ist das natio­nal und inter­na­tio­nal renom­mier­te Labor auf 40 hoch­mo­ti­vier­te tech­ni­sche, wis­sen­schaft­li­che, ärzt­li­che und Administrations-Mitarbeiter*innen ange­wach­sen.

Herr Prof. Haa­se, wor­in besteht die Kern­tä­tig­keit Ihres Labors?
Wir kate­go­ri­sie­ren mit moderns­ten Metho­den und gro­ßem Enga­ge­ment bös­ar­ti­ge Kno­chen­mar­k­er­kran­kun­gen und Blut­erkran­kun­gen, um auf der Basis gene­ti­scher Infor­ma­tio­nen eine bes­se­re Dia­gno­se, Pro­gno­se­ein­schät­zung und Behand­lung der betrof­fe­nen Pati­en­ten zu ermög­li­chen.
Wor­um geht es dabei im Ein­zel­nen?
Zunächst ermög­li­chen unse­re Ergeb­nis­se eine schnel­le­re Siche­rung von Dia­gno­sen. Wir kön­nen die Aggres­si­vi­tät einer Erkran­kung viel bes­ser ein­ord­nen und so eine Pro­gno­se über den Ver­lauf erstel­len. Die genaue Zuord­nung zu bestimm­ten Krank­heits­for­men erlaubt uns außer­dem, eine per­so­na­li­sier­te Behand­lung von Pati­en­ten zu begin­nen.
Die per­so­na­li­sier­te Medi­zin gehört aktu­ell zu den wich­tigs­ten Ent­wick­lungs­fel­dern im Gesund­heits­we­sen. Wel­cher Zusam­men­hang besteht dabei zu Ihrer Arbeit?
Unse­re gene­ti­schen Befun­de erlau­ben eine genaue Zuord­nung der Erkran­kung, die eine geziel­te Behand­lung mit neu­en, inno­va­ti­ven Medi­ka­men­ten ermög­licht, statt Medi­ka­men­te gewis­ser­ma­ßen „mit der Gieß­kan­ne“ ein­zu­set­zen, was neben den Nach­tei­len durch Neben­wir­kun­gen ja auch sehr teu­er ist. So bekommt der ein­zel­ne Pati­ent eine best­mög­li­che und exakt auf ihn zuge­schnit­te­ne Behand­lung. Die zuneh­men­de Bedeu­tung die­ser maß­ge­schnei­der­ten The­ra­pien stellt neben ihren Vor­tei­len für die Pati­en­ten auch für unser Labor eine wich­ti­ge Zukunfts­per­spek­ti­ve dar, da wir hier eine wich­ti­ge Rol­le spie­len.
Wel­che Vor­tei­le bie­ten die von Ihnen ange­wand­ten gene­ti­schen Metho­den außer­dem?
Sie erlau­ben uns bei­spiels­wei­se auch die bes­se­re, weil eng­ma­schi­ge­re Über­wa­chung von Krank­heits­ver­läu­fen. Bei den  Kno­chen­mar­k­er­kran­kun­gen, mit denen wir uns in der Regel beschäf­ti­gen, ist es schon aus ethi­schen Grün­den nicht ange­bracht, alle paar Wochen das Kno­chen­mark mit einer Stanz­na­del zu punk­tie­ren, um Dia­gno­se­er­geb­nis­se zu erhal­ten. Das ist für die Pati­en­ten ein­fach zu schmerz­haft und belas­tend. Des­halb haben wir uns inten­siv mit der Ent­wick­lung von Metho­den beschäf­tigt, um die nöti­gen Infor­ma­tio­nen aus dem peri­phe­ren Blut zu gewin­nen, und auch zahl­rei­che Publi­ka­tio­nen dazu ver­öf­fent­licht. Heu­te kön­nen und wol­len wir die Kno­chen­mark­punk­ti­on zwar nicht ersetz­ten, aber wir kön­nen jetzt in den meis­ten Fäl­len das peri­phe­re Blut ana­ly­sie­ren, um The­ra­pie­er­fol­ge eng­ma­schig zu über­wa­chen. Dazu erstel­len wir von Zell­klo­nen, die wir aus dem Blut gewin­nen, eine Art „gene­ti­schen Steck­brief“ und betrach­ten dann des­sen Ver­än­de­run­gen im Ver­lauf und gege­be­nen­falls auch unter The­ra­pie.
Moder­ne Medi­zin, ins­be­son­de­re gene­ti­sche Ana­ly­sen, kos­tet häu­fig viel Geld. Wie stellt sich die Situa­ti­on für Ihre Arbeit dar?
Unse­re Ana­ly­sen kön­nen, wenn sie sehr detail­liert und umfas­send aus­fal­len, recht kos­ten­in­ten­siv sein. Sie steue­ren jedoch The­ra­pien, bei denen es um ein Viel­fa­ches die­ser Beträ­ge geht. Manch­mal ent­schei­det sich durch unse­re Ergeb­nis­se, ob es zu einer Stamm­zell­trans­plan­ta­ti­on kommt, die wie­der­um ca. 150.000 Euro und mehr kos­tet. Ein gro­ßer gesund­heits­öko­no­mi­scher Vor­teil besteht auch dar­in, dass mit unse­ren moder­nen Ana­ly­se­ver­fah­ren Erkran­kun­gen inner­halb weni­ger Tage dia­gnos­ti­ziert wer­den kön­nen, die frü­her erst nach wochen- und mona­te­lan­gen Odys­seen von Pati­en­ten durch etli­che medi­zi­ni­sche Insti­tu­tio­nen erkannt wer­den konn­ten. Ein gro­ßer Gewinn für das Gesund­heits­sys­tem aber auch für die Pati­en­ten, die viel schnel­ler gezielt behan­delt wer­den kön­nen. Das zeigt, dass die Kos­ten für unse­re Dia­gnos­tik hier mehr als gerecht­fer­tigt sind. Auch im Zusam­men­hang mit der per­so­na­li­sier­ten Medi­ka­men­ten­the­ra­pie ergibt sich ein gro­ßes Ein­spa­rungs­po­ten­zi­al, denn heu­te kos­tet eine breit ange­setz­te Behand­lung mit moder­nen Medi­ka­men­ten in der Krebs­the­ra­pie oft ca. 8.000-10.000 Euro im Monat. Im Ver­gleich dazu betra­gen die Kos­ten für eine gene­ti­sche Cha­rak­te­ri­sie­rung nur einen Bruch­teil davon. Hin­zu kommt, dass wir auch zu dem Ergeb­nis kom­men kön­nen, dass die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Medi­ka­men­te über­haupt kei­ne Wir­kung zei­gen wür­den, bzw. sogar scha­den wür­den und wir den behan­deln­den Ärz­ten des­halb raten wür­den, „nur“ eine rein unter­stüt­zen­de The­ra­pie ein­zu­set­zen.
Gibt es wei­te­re Mög­lich­kei­ten, die sich aus Ihren Ergeb­nis­sen erge­ben?
Zu den wis­sen­schaft­li­chen For­schungs­ge­bie­ten, die uns gera­de beschäf­ti­gen, gehört die Fra­ge, wel­chen Ein­fluss moder­ne The­ra­pie­ver­fah­ren auf die mali­gnen Zel­len haben. Es ist häu­fig so, dass wir sehen, dass bestimm­te gene­ti­sche Ver­än­de­run­gen auf bestimm­te The­ra­pie­for­men anspre­chen, ande­re wie­der­um nicht. Eine Per­spek­ti­ve für unse­re zukünf­ti­ge Arbeit ist des­halb die Fra­ge, zu wel­chem Zeit­punkt wel­ches Medi­ka­ment ange­wen­det wer­den soll­te, weil wir genau bestim­men kön­nen, wie ein Zell­klon gera­de beschaf­fen ist. Das ist wich­tig, weil die Zell­klo­ne auf Behand­lun­gen reagie­ren. Sie ver­än­dern sich, weil es zu einem soge­nann­ten Selek­ti­ons­druck kommt. Des­halb kann es sinn­voll sein, zu einem bestimm­ten Zeit­punkt auf ein ande­res Medi­ka­ment umzu­stel­len.
Ange­sichts sol­cher medi­zi­ni­scher Fort­schrit­te – erscheint es Ihnen da mög­lich, dass bis­her unheil­ba­re Krebs­for­men in der Zukunft the­ra­pier­bar wer­den?
Es gibt bereits Bei­spie­le, etwa bei der chro­ni­schen mye­loi­schen Leuk­ämie, wo sich mit einer geziel­ten und rela­tiv scho­nen­den Behand­lung mit Tablet­ten, die genau gegen den gene­ti­schen Effekt der Erkran­kung gerich­tet sind, die Krebs­zel­len so weit zurück­drän­gen las­sen, dass sich z. B. nach einer Behand­lung über meh­re­re Jah­re hin­weg unter 100.000 Zel­len nur noch 1 Leuk­ämie-Zel­le befin­det. So etwas kön­nen wir mit unse­ren emp­find­li­chen Ver­fah­ren ent­spre­chend quan­ti­fi­zie­ren und dann eben eine The­ra­pie sogar been­den. In ca. 50 % der Fäl­le taucht der Krebs dann nicht wie­der auf. Gleich­zei­tig ist für die­se Hälf­te eben­so wie für die ande­re eine anhal­ten­de, eng­ma­schi­ge Über­wa­chung mit­tels einer Ana­ly­se des peri­phe­ren Blu­tes wich­tig. Aus unse­rer Sicht ist eine ähn­li­che Wirk­sam­keit in Zukunft für wei­te­re neue The­ra­pie­an­sät­ze zu erwar­ten, was jedoch immer nur klei­ne Sub­grup­pen von Pati­en­ten mit ganz bestimm­ten gene­ti­schen Ver­än­de­run­gen in ihren Blut­krebs­zel­len betref­fen dürf­te.
Wie gehen Sie mit der rasan­ten Ent­wick­lung in Ihrem Bereich um, wo man selbst als Laie aktu­ell bestän­dig von neu­en Erkennt­nis­sen hört?
Wir betrei­ben einen hohen Auf­wand, um über neue Publi­ka­tio­nen infor­miert zu sein, stu­die­ren inten­siv die ver­füg­ba­re Fach­li­te­ra­tur, besu­chen natür­lich die ent­spre­chen­den Kon­gres­se und hal­ten unse­re instru­men­tel­le Aus­stat­tung immer auf dem neu­es­ten Stand.
Kön­nen Sie die Nach­fra­ge nach Ihrer Arbeit abde­cken?
Wir haben kon­stan­te Wachs­tums­ra­ten, ach­ten jedoch dar­auf, in kon­trol­lier­ter Wei­se zu wach­sen. Es ist wich­tig, dass wir nicht über­rollt wer­den, um unse­ren hohen Qua­li­täts­an­spruch zu hal­ten und gleich­zei­tig in einer für die Behand­ler und Pati­en­ten nütz­li­chen Zeit Ergeb­nis­se zu lie­fern. Das ist uns bis­her sehr gut gelun­gen. Wir gehen aktu­ell davon aus, dass wir im nächs­ten Jahr ca. 6.000 Fäl­le bear­bei­ten wer­den, und da häu­fig sowohl Chro­mo­so­men­ana­ly­sen als auch mole­ku­lar­ge­ne­ti­sche Ana­ly­sen nötig sind, läuft das auf 7.000 bis 8.000 Ana­ly­sen hin­aus. In unse­rem bun­des­wei­ten Ein­zugs­ge­biet arbei­ten wir mit mehr als 60 Ein­sen­dern zusam­men, zu denen sehr gro­ße Kli­ni­ken in Ham­burg, Bre­men und Ber­lin sowie zahl­rei­che mit­tel­gro­ße und klei­ne­re Kli­ni­ken, aber auch etli­che Schwer­punkt­pra­xen und medi­zi­ni­sche Ver­sor­gungs­zen­tren gehö­ren.

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