Exo­ske­lett, wel­ches wie ein Ruck­sack vom Ope­ra­teur getra­gen wird und die Arme unter­stützt.

Um Chir­ur­gen im Sin­ne einer bes­se­ren Qua­li­tät und Pati­en­ten­si­cher­heit bei lan­gen, anstren­gen­den Ope­ra­tio­nen zu unter­stüt­zen, setzt die neu­ro­chir­ur­gi­sche Kli­nik der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen ein Exo­ske­lett ein.

Text: Ulrich Drees | Fotos: UMG

Mehr als in ande­ren chir­ur­gi­schen Fächern ist bei Hirn­eingriffen Mil­li­me­ter­ar­beit gefragt. So sind krank­haf­ten Pro­zes­se im Schä­del­in­ne­ren, also Tumo­re, Ent­zün­dun­gen und Gefäß­miss­bil­dun­gen, oft direkt umge­ben von wich­ti­gen Hirn­re­gio­nen sowie Ner­ven. Wer­den die­se geschä­digt, dro­hen schwer­wie­gen­de neu­ro­lo­gi­sche Aus­fäl­le wie Läh­mung, Sprach­stö­rung, Blind­heit und Hör­ver­lust. Bei Tumo­ren der Schä­del­ba­sis ist die­ses Risi­ko beson­ders hoch (klei­ne Abbil­dung). Die Navi­ga­ti­on und das Ope­ra­ti­ons­mi­kro­skop wer­den in der Neu­ro­chir­ur­gie Göt­tin­gen rou­ti­ne­haft ein­ge­setzt, um exakt auf einem scho­nen­den Weg das Ziel­ge­biet errei­chen und um prä­zi­se zwi­schen kran­kem und gesun­dem Gewe­be unter­schei­den zu kön­nen. Trotz aller tech­ni­schen Fines­sen spielt der „mensch­li­che Fak­tor“ auch eine gewich­ti­ge Rol­le. Hohe Kon­zen­tra­ti­on und eine ruhi­ge Hand bei der Instru­men­ten­füh­rung tra­gen ent­schei­dend zum Erfolg des Ein­griffs bei. Pro­ble­ma­tisch ist die lan­ge Dau­er vie­ler kom­ple­xer neu­ro­chir­ur­gi­scher Ein­grif­fe, die zu einer zuneh­men­den Ermü­dung der Mus­keln bei über lan­ge Zeit sich kaum ändern­der Posi­ti­on der Arme und Hän­de füh­ren, mit nega­ti­vem Effekt auf mil­li­me­ter­ge­naue Bewe­gun­gen und, damit ein­her­ge­hend, auf die Auf­merk­sam­keit.
Zur Qua­li­täts­op­ti­mie­rung und Ver­bes­se­rung der Pati­en­ten­si­cher­heit hat die Neu­ro­chir­ur­gi­sche Kli­nik der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen nach Lösun­gen für die­se Pro­ble­ma­tik gesucht. Hier­bei stieß sie auf ein soge­nann­tes Exo­ske­lett, wel­ches bei Über­kopf­ar­bei­ten im Auto­bau oder bei Maler­tä­tig­kei­ten zur Anwen­dung kommt. Die­ses Exo­ske­lett wird wie eine Art Ruck­sack auf dem Rücken befes­tigt und unter­stützt die Arme des Ope­ra­teurs pas­siv bei Instru­men­ten­füh­run­gen über der Hori­zon­ta­le durch Auf­he­bung der Effek­te der Schwer­kraft (Abbil­dung oben). Mit dem Ein­satz in der ope­ra­ti­ven Medi­zin betrat die Neu­ro­chir­ur­gi­sche Kli­nik Neu­land und muss­te zunächst Aspek­te wie Ver­ein­bar­keit des Exo­ske­letts mit Anfor­de­run­gen an die Ste­ri­li­tät und Anpas­sung an die wech­seln­den Erfor­der­nis­se bei den jewei­li­gen Ope­ra­tio­nen klä­ren. Nach ers­ten Erpro­bun­gen im März 2020 kommt das Exo­ske­lett mitt­ler­wei­le rou­ti­ne­haft bei län­ge­ren Ein­grif­fen an der Schä­del­ba­sis zur Anwen­dung. Die Ope­ra­teu­re berich­ten uni­so­no von einer deut­li­chen Erleich­te­rung und gerin­ge­ren Erschöp­fung bei län­ger andau­ern­den Ope­ra­tio­nen. Wei­te­re wis­sen­schaft­li­che Aus­wer­tun­gen sind geplant, um den Vor­teil des Exo­ske­letts für die Neu­ro­chir­ur­gin, den Neu­ro­chir­ur­gen auch objek­tiv bele­gen zu kön­nen. Prof. Roh­de, Direk­tor der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Kli­nik: „Für die­se For­schung gibt es kei­nen Nobel­preis. Manch­mal sind es aber auch die klei­nen, weni­ger spek­ta­ku­lär erschei­nen­den Fort­schrit­te und tech­ni­schen Lösun­gen, die für den Pati­en­ten einen gro­ßen Gewinn dar­stel­len kön­nen.”

Gro­ßes Akus­ti­kus­neu­ri­nom an der Basis der hin­te­ren Schä­del­gru­be. Unmit­tel­bar benach­bart zu dem Tumor sind der Hör­nerv und der Gesichts­mus­kel­nerv.

Prof. Dr. med. Veit Roh­de
Kli­nik­di­rek­tor
Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Göt­tin­gen
Neu­ro­chir­ur­gi­sche Kli­nik
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