Asklepios Fachklinikum Göttingen
Wie wirkt sich die Pandemie auf die Psyche älterer Menschen aus? Dr. med. Christiane Walter, Chefärztin der Abteilung Gerontopsychiatrie des Asklepios Fachklinikums Göttingen, spricht über die Situation.
Text: Ulrich Drees | Fotos: Asklepios
Frau Walter, welche Erwartung haben Sie bezüglich der gesundheitlichen Folgen der Corona-Krise für Ihr Fachgebiet?
Es gibt im Moment zwar noch keine Studien zur Corona-Pandemie, aber auf der Basis von Erhebungen zu SARS- oder Ebola-Ausbrüchen ist davon auszugehen, dass die Pandemie erhebliche psychosoziale Auswirkungen haben wird. Dabei sind vor allem Depressionen und Angststörungen zu erwarten. Ältere Menschen sind angesichts der Kontaktbeschränkungen und einer so anhaltenden Verunsicherung, bei der in der Öffentlichkeit sogar auf eigentlich positive Entwicklungen, wie etwa den Impfbeginn, meist schnell mit Kritik reagiert wird, besonders verletzlich.
Sind die Auswirkungen im Asklepios Fachklinikum Göttingen bereits spürbar?
Im vergangenen Jahr war die spezifische Nachfrage nach stationären und ambulanten Angeboten noch relativ gering, was vermutlich mit der mangelnden Besuchsmöglichkeit zusammenhing. Seit Anfang Januar 2021 kommen mehr Patienten. Nachgefragt wird dabei vor allem die Tagesklinik.
Gibt es Hinweise für Angehörige oder Nachbarn, eine beginnende Depression bei älteren Menschen zu erkennen?
Bei depressiven Störungen geht es um Antriebslosigkeit, Interessenverlust und sozialen Rückzug. Ältere Menschen leiden darüber hinaus oft noch unter Schmerzen, Schwindel, Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhter Vergesslichkeit oder Appetitlosigkeit, was dazu führt, dass Depressionen häufig gar nicht erkannt werden. Die aktuellen Kontaktbeschränkungen verstärken diese Schwierigkeit noch, weil Kontakte wegfallen. Tagespflege findet nur sehr eingeschränkt statt, Begegnungsstätten sind geschlossen, Chöre können sich nicht treffen. Viele gehen aus Angst vor vollen Wartezimmern auch nicht mehr zum Hausarzt und werden so kaum noch wahrgenommen.
Bemerken Betroffene selbst, was mit ihnen geschieht?
Die nehmen die eigene Depression meist zuletzt wahr. Umso wichtiger ist der Anstoß von außen, dass zum Beispiel jemand sagt: „Du bist doch sonst ganz anders, was ist denn los?“ Es gibt auch Angebote im Internet, mit denen man für sich selbst, aber auch für andere, prüfen kann, ob es sinnvoll ist, professionelle Hilfe zu holen. Das gilt ebenso für pflegende Angehörige, die oft am Ende ihrer Kraft sind.
Welche Hilfsangebote gibt es?
Zunächst hilft es, per Telefon, Brief oder z. B. Skype Kontakte aufrecht zu erhalten. Wichtig ist vor allem ein geregelter Tagesablauf. Auch kleine Projekte, wie den Kleiderschrank aufzuräumen oder ein Album zu vervollständigen, sind sehr wichtig.
Seitens unserer Klinik verfügen wir neben der Institutsambulanz sowie den stationären und teilstationären Möglichkeiten auch über zwei aufsuchende Angebote. Das ist erstens die ambulante fachpsychiatrische Pflege, bei der geschulte Fachkrankenpfleger mehrmals die Woche zu den Betroffenen nach Hause kommen, denn gerade dort lässt sich die Situation oft gut einschätzen. Zweitens gibt es die stationsäquivalente Behandlung. Dazu ist zwar eine Krankenhauseinweisung nötig, aber die Behandlung erfolgt trotzdem zu Hause, wobei Ärzte, Pflegedienst- und Sozialdienstmitarbeiter tägliche Besuche durchführen – alles natürlich unter coronakonformen Hygienebedingungen.
Online-Unterstützungsangebote
Selbsttest der Stiftung deutsche Depressionshilfe
Zehn an einem internationalen Diagnosekatalog orientierte Fragen erlauben Rückschlüsse.
www.deutsche-depressionshilfe.de
Familiencoach Depression der AOK
Ein Angebot für Angehörige von Erwachsenen mit depressiven Störungen.
www.depression.aok.de
Moodgym
Eine kostenlose Hilfe zur Selbsthilfe, die auf der kognitiven Verhaltenstherapie fußt und von der AOK und der Stiftung Warentest mit „gut“ bewertet wurde.
www.moodgym.de
Dr. med. Christiane Walter
Asklepios Psychiatrie Niedersachsen GmbH
Asklepios Fachklinikum Göttingen
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