Ohne eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs wird es nichts mit den Klimazielen. Im Interview erläutert Michael Neugebauer, Geschäftsführer der Göttinger Verkehrsbetriebe, was aus seiner Sicht nötig ist.

Interview: Ulrich Drees | Fotos: GöVB

Herr Neugebauer, wie sehen Sie aus Sicht der Göttinger Verkehrsbetriebe die Erfolgschancen einer Mobilitätswende in Göttingen?
Nur mit einem starken ÖPNV kann die Verkehrswende gelingen. Wenn wir wie bisher weitermachen, wird sie weder in Göttingen noch anderswo gelingen. Es braucht eine deutliche Verlagerung von Fahrten mit dem Pkw hin zum ÖPNV. Von der Vorgabe, den CO₂-Ausstoß bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 30 Prozent zu senken, haben wir noch nichts erreicht. Hier vor Ort wäre beispielsweise ein neuer und größerer Betriebshof eine der wichtigsten Voraussetzungen, um mehr ÖPNV durchführen zu können; dass der Beschluss dazu jetzt gefasst wurde, ist ein echter Startschuss.
Welche Rolle spielt die Umstellung auf Elektro-Mobilität?
Wir befinden uns mitten drin, aber viel wichtiger ist, dass die Menschen ihre Pkws deutlich weniger nutzen. Wir haben in Göttingen trotz der vielen Fahrradnutzerinnen und -nutzer noch immer einen Anteil von 36 Prozent an Fahrten mit dem Pkw, dem nur ca. 12 Prozent Fahrten mit dem Bus gegenüberstehen. Wir müssen die Nutzung vom Pkws hin zum Fahrrad, zum Zu-Fuß-gehen und eben zum Bus verlagern. Doch das heißt natürlich auch: Steigt der Anteil der Busfahrten auf z.  B. 18 Prozent, müssen wir als Göttinger Verkehrsbetriebe 50 Prozent mehr leisten.
Was könnte aus Ihrer Sicht diejenigen, die heute noch Auto fahren, zur Nutzung des Busses motivieren?
Zum einen müssen wir unser Angebot erhöhen und beschleunigen. Zum anderen darf es nicht mehr so bequem sein, überall mit dem Auto hinzufahren. Der Preis ist dabei weniger entscheidend, wichtiger sind Häufigkeit, Schnelligkeit und eine gute Vernetzung mit den Angeboten des Verkehrsverbundes Südniedersachsen, die sich ebenfalls weiterentwickeln müssen. Allein das wird aber nicht reichen, es muss weniger einfach sein, mal eben mit dem Pkw in die Stadt zu fahren.
Kann der ÖPNV diesen Strukturwandel aus eigener Kraft leisten?
Wir werden mehr Geld brauchen, denn unser Angebot können wir nicht kostendeckend finanzieren. Beispielsweise haben wir in Göttingen seit fünf Jahren unsere Preise nicht erhöht, obwohl die Kosten für Kraftstoff, Personal und unsere Busse deutlich gestiegen sind. Jetzt kommt noch das Deutschland-Ticket, mit dem man für 49 Euro überall in Deutschland mit dem ÖPNV fahren kann. Unsere Monatskarte kostet 53 Euro – die wird dann niemand mehr kaufen, was bedeutet, pro Ticket nehmen wir 4 Euro weniger ein, und auf die Dauer werden wir die 49 Euro auch noch aufteilen müssen. Wenn wir also mehr ÖPNV-Nutzung wollen, dann wird das entsprechend mehr Geld kosten.
Die Finanzierung ist das eine, wie steht es mit den Arbeitskräften für den nötigen Ausbau des Angebots?
Wenn wir zu wenige Menschen bekommen, die unsere Busse fahren, warten, die Fahrten planen und das Ganze managen, nützt alles Geld nichts. Obwohl wir aktuell die Folgen eines außergewöhnlich hohen Krankenstands in den letzten Jahren und Monaten mit einem angepassten Fahrplan kompensieren müssen, betreiben wir seit langem eine sehr aktive Mitarbeitergewinnung. Das wird jedoch schon bald nicht mehr reichen. Wir brauchen den großen Wurf: eine qualifizierte Einwanderung. Sonst fehlen uns in Deutschland mittelfristig Jahr für Jahr Zehntausende von Fahrpersonalen. Ohne die werden wir es nicht schaffen.

Autonomes Fahren
Technisch ist das autonome Fahren zwar möglich und kann auch dazu beitragen, den wachsenden Mangel an Arbeitskräften zu verkleinern, doch wann es im ÖPNV-Alltag wirklich sinnvoll einzusetzen ist, das ist noch unklar. „Wir könnten es für die Wartungsabläufe hier auf dem Betriebshof nutzen“, erklärt Michael Neugebauer, „aber die Situationen im normalen Betrieb – Fahrradfahrer, Fußgänger auf der Straße, parkender Lieferverkehr in der Stadt etc. – sind so komplex, dass ich nicht abschätzen kann, wann sich dort ein spürbarer Effekt erzielen ließe.“

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