Heu­te müs­sen sich Unter­neh­men eini­ges ein­fal­len las­sen, um Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter zu inter­es­sie­ren, zu bin­den und zu moti­vie­ren. Wer weiß, wie Beloh­nun­gen funk­tio­nie­ren, ist hier klar im Vor­teil.

Text: Ulrich Drees | Fotos: Ado­be­Stock, pri­vat

Gegen­wär­tig suchen vie­le Unter­neh­men hän­de­rin­gend Bewer­be­rin­nen und Bewer­ber für freie Arbeits­plät­ze. Dafür gibt es vie­le Grün­de, allen vor­an die demo­gra­fi­sche Ent­wick­lung. Doch klu­ge Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer suchen nicht nach Schul­di­gen, son­dern nach Lösun­gen.
Und die fin­den sie nicht nur in der Lohn­tü­te, son­dern auch im mensch­li­chen Gehirn. Natür­lich arbei­ten wir alle des Gel­des wegen. Die Zah­lung von Lohn ist wei­ter die zen­tra­le und recht­mä­ßi­ge Beloh­nung für unse­re Zeit und unser Enga­ge­ment. Doch wer heu­te meint, im Wett­be­werb um knap­pe Fach­kräf­te nur über hohe Löh­ne zu punk­ten, hat für gewöhn­lich schon ver­lo­ren. Ein­mal abge­se­hen von den Kos­ten, wer­den so näm­lich vor allem die­je­ni­gen Arbeits­kräf­te ange­lockt, die beim nächst­hö­he­ren Ange­bot auch schon wie­der weg sind. Wer jedoch bleibt, das sind die­je­ni­gen, denen ihre Arbeit­ge­be­rin oder ihr Arbeit­ge­ber das rich­ti­ge „Mehr“ zu bie­ten hat. Wor­um es sich dabei han­delt, das wie­der­um ist nicht ein­fach zu beant­wor­ten, denn kon­kret dürf­te es für jeden Men­schen unter­schied­lich aus­fal­len.

Vom Wol­len und Mögen »> Gera­de weil es am Ende um Ein­zel­ent­schei­dun­gen geht, lohnt sich jedoch der Blick auf die grund­le­gen­den Mecha­nis­men, die die­se Ent­schei­dun­gen maß­geb­lich beein­flus­sen. Sie beru­hen auf den soge­nann­ten Beloh­nungs­sys­te­men – Pro­zes­sen, die in unse­rem Gehirn ablau­fen – und von denen es neue­ren wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se zufol­ge zwei gibt, die getrennt von­ein­an­der funk­tio­nie­ren.
Das eine regelt unse­re Freu­de über eine erhal­te­ne Beloh­nung, die wir „mögen“, das ande­re moti­viert uns, nach einer Beloh­nung zu stre­ben, die wir „wol­len“, indem es bereits unse­re Anstren­gun­gen, sie zu errei­chen, „belohnt“. Aus Ver­su­chen mit Mäu­sen schlie­ßen For­sche­rin­nen und For­scher, wie Assoz. Prof. Gior­gia Sila­ni, PhD vom Insti­tut für Ange­wand­te Psy­cho­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Wien, dass bei­de Sys­te­me ver­mut­lich getrennt von­ein­an­der arbei­ten.
Noch ist nicht alles erforscht, aber wenn wir uns bei­spiels­wei­se im Stu­di­um anstren­gen, weil wir einen guten Abschluss „wol­len“, dann unter­stützt uns unser Kör­per dabei, indem er Dopa­min aus­schüt­tet. Die aus­ge­lös­te Vor­freu­de auf den Dok­tor­ti­tel moti­viert uns, wäh­rend es höchst­wahr­schein­lich kör­per­ei­ge­ne Opio­ide sind, die für das Hoch­ge­fühl sor­gen, wenn wir frisch pro­mo­viert das Gän­se­lie­sel küs­sen. Die Wir­kung die­ser Endor­phi­ne und ande­rer Boten­stof­fe, wie etwa Oxy­to­cin, hält jedoch nicht lan­ge an, schließ­lich soll unser Kör­per schon bald für das Errei­chen des nächs­ten Ziels bereit sein. Die wich­ti­ge Erkennt­nis dabei ist, dass Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer ihre Arbeit­ge­be­rin­nen und Arbeit­ge­ber nicht nur für die Freu­de über eine erhal­te­ne Beloh­nung zu schät­zen wis­sen, son­dern dass auch der Weg zu die­sem Ziel bereits ein posi­ti­ves Gefühl ver­mit­teln kann. Doch was ist ein erstre­bens­wer­tes Ziel? Essen, Trin­ken, Sex sind in Unter­neh­mens­zu­sam­men­hän­gen kei­ne ech­ten Zug­pfer­de, der noch nicht abschlie­ßend erforsch­te Wunsch nach posi­ti­ver mensch­li­cher Inter­ak­ti­on aller­dings schon.

So kann‘s gehen… »> Stel­len wir uns bei­spiels­wei­se ein Unter­neh­men vor, das ein bestimm­tes Pro­jekt umset­zen möch­te. Wie wäre es, die­ses einem aus­ge­such­ten Dream-Team zu über­ge­ben, des­sen Mit­glie­der sich ergän­zen und schät­zen, die ein­fach gut mit­ein­an­der kön­nen? Schon die­se Kon­stel­la­ti­on dürf­te bei den Betei­lig­ten jede Men­ge Dopa­min frei­set­zen, auf das dann nach Errei­chen des Ziels bei einer abschlie­ßen­den klei­nen oder grö­ße­ren Par­ty und der Aus­sicht, als Team wei­ter zusam­men­zu­ar­bei­ten, eine ordent­li­che Por­ti­on Opio­ide fol­gen könn­te. Wäre das nicht eine Blau­pau­se für erfolg­rei­che Mit­ar­bei­ter­bin­dung, die dar­über hin­aus auch opti­ma­le Arbeits­er­geb­nis­se gewähr­leis­ten wür­de?
Die erwünsch­te, posi­ti­ve mensch­li­che Inter­ak­ti­on lässt sich auch anders gene­rie­ren. Bei­spiels­wei­se, indem man dafür sorgt, dass sich Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter, die bei ihrer eigent­li­chen Tätig­keit eher allein sind, trotz­dem als Teil eines grö­ße­ren Teams wahr­neh­men kön­nen. Oder wie wäre es, für einen Kon­takt zwi­schen den eige­nen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern und zufrie­de­nen Kun­din­nen und Kun­den zu sor­gen? So kön­nen Ers­te­re erfah­ren, dass ihre Arbeit auch über ihre direk­te Umge­bung hin­aus geschätzt wird. Eben­so wenig unter­schät­zen soll­te man die Macht posi­ti­ver Inter­ak­ti­on, wenn es um die per­sön­li­che Wert­schät­zung durch eine Füh­rungs­kraft geht, mit der eine Mit­ar­bei­te­rin oder ein Mit­ar­bei­ter sonst kei­nen Kon­takt hat. Wich­tig ist dabei, dass es bei all die­sen Bei­spie­len stets authen­tisch zugeht. Eine rein insze­nier­te mensch­li­che Inter­ak­ti­on wird schei­tern.
Wer sich also fragt, womit er sei­ne Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter beloh­nen kann, ohne immer nur mehr Geld zu zah­len, der soll­te sich ver­deut­li­chen, wie sozi­al der Mensch ist und wie wich­tig ihm vor allem die Aner­ken­nung der Men­schen in sei­nem enge­ren Umfeld ist. Im Grun­de sind wir evo­lu­tio­när noch immer sehr nah an der klei­nen Grup­pe ver­wand­ter Men­schen, die gemein­sam in einer Höh­le zu über­le­ben ver­sucht. Wir alle mögen es, uns als Teil einer auf­ein­an­der ange­wie­se­nen Gemein­schaft zu füh­len, in der wir wert­ge­schätzt wer­den, weil wir eine sinn­haf­te und wich­ti­ge Funk­ti­on erfül­len. Mit einer sol­chen Gemein­schaft iden­ti­fi­zie­ren wir uns gern. Das lässt einen Arbeits­platz wert­voll wer­den, und sol­che Arbeits­plät­ze zie­hen auch neue Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter an. Am Ende geht es also dar­um, dass es Unter­neh­men gelingt, zu einer funk­tio­nie­ren­den Gemein­schaft zu wer­den – der Rest kommt dann von selbst.

Wie kann Arbeit loh­nend sein?
Im Inter­view geht Prof. Dr. Klaus Moser, Wirt­schafts- und Sozi­al­psy­cho­lo­ge an der Uni­ver­si­tät Erlan­gen-Nürn­berg, auf Fra­gen von Ent- und Beloh­nung ein. Er befasst sich in For­schung, Leh­re und Bera­tung damit, was Men­schen moti­viert, aber auch demo­ti­viert.

Herr Prof. Moser, wel­che Rol­le spielt der klas­si­sche Arbeits­lohn heu­te noch?
Zunächst ein­mal ist er ein Rechts­an­spruch, weil Beschäf­tig­te mit ihm ihre ele­men­ta­ren Bedürf­nis­se absi­chern müs­sen. In der Psy­cho­lo­gie gab es schon immer die Nei­gung, die Bedeu­tung von Ent­loh­nung zu unter­schät­zen. Doch sei­ne Höhe ist auch des­halb bedeut­sam, weil man ihn leicht mes­sen und ver­glei­chen kann. Des­halb erwächst aus ihm eine erleb­te Gerech­tig­keit, wäh­rend wir aus vie­len Unter­su­chun­gen wis­sen, dass erleb­te Unge­rech­tig­keit, z. B. bei der Arbeit star­ke demo­ti­vie­ren­de Effek­te hat. Sie führt zu Leis­tungs­zu­rück­hal­tung, Zynis­mus, Dienst nach Vor­schrift und sogar zu kon­tra­pro­duk­ti­vem Ver­hal­ten, wie z. B. zu Dieb­stahl oder zum „Blau­ma­chen“.
Wie schät­zen Sie die Bedeu­tung der viel dis­ku­tier­ten „Work-Life-Balan­ce“ ein?
Dort, wo Arbeit pri­mär als „Müh‘ und Plag‘“ ver­stan­den wird, mag es beson­ders nahe­lie­gend sein, ihren Umfang zu redu­zie­ren. Doch was tun die Betref­fen­den in ihrer „Frei­zeit“, und war­um ist dies für sie ein per­sön­li­cher Gewinn? Wir soll­ten respek­tie­ren, dass Men­schen auch außer­halb der Arbeit wich­ti­ge Zie­le ver­fol­gen oder eine Arbeits­zeit­re­duk­ti­on not­wen­dig ist, weil sie sich z. B. um Ange­hö­ri­ge küm­mern wol­len oder müs­sen. Der Wunsch nach Arbeits­zeit­re­duk­ti­on lässt sich aber auch als „Feed­back“ an den Arbeit­ge­ber ver­ste­hen. Als Füh­rungs­kraft soll­te man fra­gen, wor­aus die­ser Wunsch erwächst.
Was moti­viert Men­schen über den Lohn hin­aus zur Arbeit?
Arbeit kann Erfah­run­gen ermög­li­chen, die in der „frei­en Zeit“ weni­ger oder gar nicht rea­li­sier­bar sind. Offen­sicht­lich ist bei­spiels­wei­se, sich als leis­tungs­fä­hig zu erle­ben, dass erfolg­rei­che Koope­ra­ti­on mög­lich wird oder das Errei­chen eines beruf­li­chen Sta­tus. Eben­so wich­tig sind die Wert­schät­zung, die man bei der Arbeit erfährt, oder das Gefühl, etwas Bedeut­sa­mes zu tun.
Wie soll­ten Füh­rungs­kräf­te an das The­ma Moti­va­ti­on her­an­ge­hen?
Sie soll­ten sich drei Fra­gen stel­len: Was sind die objek­ti­ven Bedin­gun­gen der ange­bo­te­nen Arbeit? Wel­che Fähig­kei­ten und Moti­ve haben die Beschäf­tig­ten, und wel­che Kar­rie­re­zie­le spie­len eine Rol­le? Aus die­sen Säu­len kann Moti­va­ti­on erwach­sen, wenn man sie in einer Arbeits­be­zie­hung ent­spre­chend gestal­tet. Man kann aber auch die Säu­len anpas­sen. Wenn ich bei­spiels­wei­se eine allein­er­zie­hen­de Mut­ter mit zwei klei­nen Kin­dern beschäf­ti­ge, dann sind deren Lebens­um­stän­de, wie die Wohn­si­tua­ti­on oder die Öff­nungs­zei­ten der Kita, objek­ti­ve Grün­de, die – auch wenn Fähig­kei­ten und per­sön­li­che Moti­ve pas­sen wür­den – die Über­nah­me einer Füh­rungs­po­si­ti­on ver­hin­dern. Als Unter­neh­men könn­te ich aller­dings die objek­ti­ven Bedin­gun­gen ändern und z. B. eine arbeits­platz­na­he Kita orga­ni­sie­ren.
Hät­ten Sie drei grund­sätz­li­che Tipps, Men­schen jen­seits finan­zi­el­ler Anrei­ze zu moti­vie­ren?
Wenn es ein­fa­che Rat­schlä­ge sein sol­len, dann: (1) Selbst­stän­dig­keit ermög­li­chen, aber dabei dar­auf ach­ten, dass die gene­rel­len Zie­le bei der Arbeit klar sind und dass auf Kennt­nis­se und Fähig­kei­ten Rück­sicht genom­men wird. (2) Den Beschäf­tig­ten Chan­cen eröff­nen, sich als leis­tungs­fä­hig zu erle­ben und ihnen dar­über Feed­back geben. (3) Ver­mit­teln, dass die Arbeit bedeut­sam für ande­re ist.
Wie wür­den Sie erbrach­te Leis­tun­gen „beloh­nen“?
Gene­rell soll­te „merk­bar“ sein, dass beson­de­re Leis­tun­gen erbracht wur­den. Ins­be­son­de­re Ein­mal­zah­lun­gen sind gut geeig­net. Dar­über hin­aus hilft es, sich zu fra­gen, was denn ein wirk­lich gelun­ge­nes Geschenk ist. Es soll­te sub­jek­tiv wert­voll und ein­zig­ar­tig sein sowie wider­spie­geln, dass sich der Schen­ken­de Gedan­ken gemacht und Zeit inves­tiert hat. Und das sind auch Merk­punk­te für eine Beloh­nung, die nicht nur ein­fach „abge­hakt“ wird, son­dern einen viel­leicht sogar blei­ben­den beson­de­ren Ein­druck hin­ter­lässt.