Unter der Leitung von Prof. Dr. Beutner wurde an der HNO Klinik der UMG erfolgreich eine neuartige Mittelohrprothese mit Kugelgelenk entwickelt und bei Patienten eingesetzt. Nun steht diese an der UMG entwickelte Prothese weltweit Betroffenen zur Verfügung.

Text: Kristin Schild | Fotos: AdobeStock, UMG

Damit der Mensch einwandfrei hören kann, ist ein recht komplexer Prozess in unserem Ohr nötig. Doch wie funktioniert dieser eigentlich? Es beginnt damit, dass die Schallwellen in der Luft zunächst über das äußere Ohr, die Ohrmuschel, aufgenommen werden. Anschließend werden sie über das Mittelohr in das Innenohr transportiert, wo sie in Nervenimpulse umgewandelt werden, die über den Hörnerv an das Gehirn weitergeleitet werden.
Auf diesem Weg von außen bis nach tief innen, kann es an jeder Stelle zu bestimmten Beeinträchtigungen oder Verletzungen kommen, die für Schwerhörigkeit oder Hörstörungen verantwortlich sind. Die sogenannte Gehörknöchelchenkette, bestehend aus Hammer, Amboß und Steigbügel, steht dabei in besonderem Fokus, kann sie aufgrund unterschiedlicher Erkrankungen, wie Entzündungen oder einen Unfall unterbrochen werden, so dass das Schallsignal nicht mehr störungsfrei vom Trommelfell zum Innenohr hin übertragen wird.
„Die häufigste Stelle, an der es zu einem Defekt kommt, ist der Amboss“, erklärt Prof. Dr. Dirk Beutner, Direktor der HNO Klinik der Universitätsmedizin Göttingen, und fährt fort: „Seit der Einführung der Mikroskope in die Ohrchirurgie ist man allerdings in der Lage, diese Gehörknöchelchenkette mithilfe von Implantaten zu rekonstruieren.“ Heutzutage wird dafür hauptsächlich reines Titan verwendet, da dieses Material über eine gute Biokompatibilität verfügt.
„Diese Implantat-Entwicklung zusammen mit einem industriellen Partner ist ein langjähriger Schwerpunkt meiner Arbeit“, so Prof. Dr. Beutner. Gemeinsam mit dem Mittelohr-Team der UMG, Dr. Bevis, Dr.rer.nat. Thomas Effertz und der Fa. MED-EL mit Hauptsitz in Innsbruck, ist es gelungen, eine neue Prothese zu entwickeln, im Göttinger Labor mittels laservibrometrischer Messungen zu überprüfen und schließlich auch auf den Markt zu bringen.
„Diese neue Prothese ist kein starrer Körper wie die bereits verwendeten Implantate“, erklärt Prof. Dr. Beutner, „sondern ist mit einem extrem kleinen Kugelgelenk ausgestattet. Wenn man zum Beispiel unterschiedlichen Luftdrücken ausgesetzt ist, dann bewegen sich die Gelenke in der Gehörknöchelchenkette – dies kann die Prothese mit dem Kugelgelenk imitieren und folgt damit dem Trommelfell.“ Die neuentwickelte Prothese ersetzt einen defekten Amboss und wird mithilfe eines selbst haltenden Klippmechanismus, welcher seit Jahren genutzt wird, auf den Steigbügel aufgesetzt. Den beweglichen Prothesenteller koppeln die Chirurgen an das Trommelfell, sodass der Schall vom Trommelfell über die Prothese zum Steigbügel weiter übertragen werden kann, statt wie gewöhnlich über Trommelfell, Hammer, Amboss und Steigbügel. Die filigrane Form und die intrigierte Mikromechanik machen die neuartige Prothese so besonders, und viele Patienten weltweit werden nach der erfolgreichen Erstimplantation an der UMG von der Göttinger Entwicklung langfristig profitieren.
Die HNO Klinik der UMG betreut das gesamte Spektrum der Hals,-Nasen- und Ohrenerkrankungen und hat damit neben der Onkologie einen weiteren Schwerpunkt in der Otologie, der Ohrenheilkunde, der sich das Hörzentrum Göttingen in klinischer und wissenschaftlicher Weise widmet. Diese unterteilt sich in die Innenohr- und die Mittelohrforschung. „Hier arbeite ich seit fast 20 Jahren mit der Industrie zusammen“, erläutert Prof. Dr. Beutner, „um in partnerschaftlicher Weise Medizinprodukte zu entwickeln, die weltweit die klinische Praxis verändern, so wie es uns ganz aktuell mit der Mittelohrprothese gelungen ist.“

Neuartige Mittelohrprothese mit Kugelgelenk

Univ.-Prof. Dr. med Dirk Beutner
Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde

Universitätsmedizin Göttingen
Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde
Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen
Telefon: 05 51 / 39-6 37 71
sekretariat.hno@med.uni-goettingen.de
https://hno.umg.eu