Wohl kaum eine For­de­rung wird schon so lan­ge und so breit unter­stützt wie die nach weni­ger büro­kra­ti­schen Vor­schrif­ten und Rege­lun­gen. Es herrscht weit­ge­hend Einig­keit, dass Unter­neh­men und Kom­mu­nen ihren eigent­li­chen Auf­ga­ben immer weni­ger nach­ge­hen kön­nen, weil immer neue Doku­men­ta­ti­ons­pflich­ten Per­so­nal- und Zeit­auf­wand erfor­dern. Wir haben bei Südnieder­sachsens Wirt­schaft und Ver­wal­tung gefragt, was hel­fen könn­te.

Inter­views: Ulrich Drees | Foto: Ado­be Stock

Marcel Riethig

Mar­cel Rie­thig

Land­rat des Land­krei­ses Göt­tin­gen

Herr Rie­thig, wie wich­tig und drin­gend ist Büro­kra­tie­ab­bau jetzt?
Gera­de in Zei­ten von deut­lich spür­ba­rem Arbeits­kräf­te­man­gel, Infla­ti­on, einem zurück­ge­hen­den Wirt­schafts­wachs­tum und stei­gen­den Zin­sen ist ein Abbau von büro­kra­ti­schen Rege­lun­gen wich­ti­ger denn je. Mein Ein­druck ist auch: Mit einem gelin­gen­den Büro­kra­tie­ab­bau lie­ße sich das Ver­trau­en in unse­ren Staat enorm stei­gern.
In wel­chem Bereich wür­den Sie damit begin­nen?
Wich­tig ist aus mei­ner Sicht, nach dem Mini-Max-Prin­zip vor­zu­ge­hen. Wenn Sie mich nach Berei­chen fra­gen: Pfle­ge, Hand­werk, Land­wirt­schaft und Indus­trie.
Wie kön­nen wir die­ses Ziel so rasch wie mög­lich errei­chen?
Erfolgs­fak­to­ren sind neben einem deut­li­chen poli­ti­schen Wil­len mit kla­ren Hand­lungs­auf­trä­gen auch eine struk­tu­rel­le Ver­pflich­tung. Die Schul­den­brem­se im Grund­ge­setz scheint funk­tio­niert zu haben. Ich for­de­re eine Büro­kra­tie-Brem­se im Grund­ge­setz.

Foto: Land­kreis Göt­tin­gen / Misch­ke

Claus-Henrik Schneider

Claus-Hen­rik Schnei­der

Regio­nal­vor­sit­zen­der Süd­nie­der­sach­sen DIE FAMILIENUNTERNEHMER e. V.

Herr Schnei­der, wie wich­tig und drin­gend ist Büro­kra­tie­ab­bau jetzt?
In Zei­ten insta­bi­ler Rah­men­be­din­gun­gen für KMUs (Anm. der Red.: Unter­neh­men mit 50–250 Beschäf­tig­ten und 10–100 Mio. Euro Umsatz) in Deutsch­land, mit z. T. exis­tenz­be­dro­hen­den Ener­gie­kos­ten, anhal­ten­den Aus­wir­kun­gen der Coro­na­pan­de­mie und Fach­kräf­te­man­gel, ist ein Abbau der Büro­kra­tie genau jetzt erfor­der­lich, damit Unter­neh­men sich auf das Wesent­li­che in ihrem Betrieb kon­zen­trie­ren kön­nen.
In wel­chem Bereich wür­den Sie damit begin­nen?
Fir­men bis zu einer bestimm­ten Grö­ßen­ord­nung, wie z. B.KMUs und/oder bestimm­te rele­van­te Bran­chen, soll­ten von den büro­kra­ti­schen Belas­tun­gen, wie die Neue­run­gen der Arbeits­zeit­er­fas­sung, Lie­fer­ket­ten­ge­setz, DSGVO, Whist­le­b­lower-Richt­li­nie, befreit wer­den. Auch in Bezug auf die Betriebs­si­cher­heits­ver­ord­nung soll­te zumin­dest eine Redu­zie­rung für oben genann­te Markt­teil­neh­mer erfol­gen, wie z. B. der Ver­zicht auf einen Tritt­lei­ter­be­auf­trag­ten.
Wie kön­nen wir die­ses Ziel so rasch wie mög­lich errei­chen?
Das ist ein The­ma, wel­ches uns schon die letz­ten Jahr­zehn­te beglei­tet hat. Die Bun­des­re­gie­rung hat zwar den Ent­wurf für ein Büro­kra­tie­ent­las­tungs­ge­setz IV vor­ge­stellt, die ein­ge­gan­ge­nen wirt­schafts­freund­li­che­ren For­de­run­gen von DIE FAMILIENUNTERNEHMER e. V. wur­den jedoch nicht berück­sich­tigt.
Anstel­le der man­geln­den Bereit­schaft eini­ger Bun­des­mi­nis­te­ri­en, den Büro­kra­tie­ab­bau ernst­haft ange­hen zu wol­len, muss ein grund­sätz­li­ches Ver­ständ­nis der enor­men Rele­vanz von KMUs in unse­rem Land auch durch die Medi­en trans­por­tiert wer­den. Unser Ver­band wird dahin­ge­hend wei­ter die poli­ti­schen Ver­tre­ter zu über­zeu­gen ver­su­chen. Daher möch­te ich auch wei­te­re Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer ermu­ti­gen, sich in Ver­bän­den wie z. B.DIE FAMILIENUNTERNEHMER e. V. zusam­men­zu­schlie­ßen, da wir gemein­sam mehr Gehör fin­den wer­den.

Foto: Alci­ro Theo­do­ro da Sil­va

Christian Frölich

Chris­ti­an Frölich

Kreis­hand­werks­meis­ter der Kreis­hand­wer­ker­schaft Süd­nie­der­sach­sen

Herr Frölich, wie wich­tig und drin­gend ist Büro­kra­tie­ab­bau jetzt?
Wir ersti­cken in Doku­men­ta­ti­ons- und Berichts­pflich­ten und einer durch­ge­hen­den Über­re­gu­lie­rung. Das führt bei­spiels­wei­se dazu, dass nur noch 20 % der Meis­ter­kurs­ab­sol­ven­tin­nen und ‑absol­ven­ten sich eine Selbst­stän­dig­keit vor­stel­len kön­nen und vie­le älte­re Hand­werks­kol­le­gin­nen und ‑kol­le­gen kei­ne Nach­fol­ge mehr fin­den bzw. zum Teil auch nicht mehr suchen und damit den Betrieb ein­fach aus­lau­fen las­sen.
In wel­chem Bereich wür­den Sie damit begin­nen?
Regel­mä­ßi­ge Füh­rer­schein- und Per­so­nal­aus­weis­kon­trol­len der Mit­ar­bei­ter, Ein­rich­ten einer Whist­le­b­lo­wer­stel­le im Betrieb (Hin­weis­ge­ber­schutz­ge­setz), Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz, das durch­schlägt auf die klei­nen Betrie­be, Beleg­wahn­sinn in den Bäcke­rei­en, Inhalts­stoff­an­ga­ben-Wahn­sinn auf den Pro­dukt­ver­pa­ckun­gen in den lebens­mit­tel­ver­ar­bei­ten­den Betrie­ben, E‑Check, Lei­ter-Check, Schwer­last­re­gal­be­auf­trag­ter, sei­ten­lan­ge För­der­mit­tel­an­trä­ge für Wär­me­pum­pen, Bera­tungs­pro­to­kol­le über die CO₂-Belas­tung von Gas- und Ölhei­zun­gen … – soll ich wei­ter­ma­chen?
Wie kön­nen wir die­ses Ziel so rasch wie mög­lich errei­chen?
Die Beweis­pflicht des Staats darf nicht als prä­ven­ti­ve Recht­fer­ti­gungs­pflicht der Wirt­schaft auf­ge­drückt wer­den. Die Ver­wal­tung muss den Rechts­bruch eines Betriebs bewei­sen, nicht der Betrieb sein recht­mä­ßi­ges Han­deln
Sofor­ti­ge Revi­si­on aller rele­van­ten Geset­ze, kon­se­quen­te Strei­chung der oben genann­ten Pflich­ten, deren maß­geb­li­cher Zweck dar­in besteht, die Rechts­treue im Fall einer Prü­fung dar­zu­le­gen. Und ganz wich­tig: eine erwei­ter­te Geset­zes­fol­gen­ab­schät­zung. Die Abschät­zung der Fra­ge, was mit den Arbeits­plät­zen und den KMUs geschieht, wenn sol­che Geset­ze ver­ab­schie­det wer­den, geht uns schein­bar von der euro­päi­schen über die Bun­des- bis zur Lan­des­ebe­ne voll­kom­men ver­lo­ren.

Jörn Kater

Jörn Kater

Lei­ter der Wirt­schafts­re­gi­on – Han­no­ver des Bun­des­ver­ban­des mit­tel­stän­di­sche Wirt­schaft – Unter­neh­mer­ver­band Deutsch­lands e. V. (BVMW)

Herr Kater, wie wich­tig und drin­gend ist Büro­kra­tie­ab­bau jetzt?
Wenn immer höhe­rem büro­kra­ti­schem Auf­wand kei­ne zusätz­li­che Wert­schöp­fung ent­ge­gen­steht, wird Wirt­schafts­kraft ver­nich­tet. Dann blo­ckiert Büro­kra­tie erwünsch­te Ent­wick­lun­gen. Es gibt unzäh­li­ge Bei­spie­le für über­bor­den­de Büro­kra­tie – aktu­ell ging gera­de der Trans­port von Wind­kraft­an­la­gen durch die Pres­se. Es dau­ert fast län­ger, gro­ße Roto­ren an die Bau­stel­len zu brin­gen als sie her­zu­stel­len. Die deut­sche Wirt­schaft schwä­chelt aktu­ell und könn­te durch weni­ger restrik­ti­ve Regeln schnel­ler reagie­ren und neue Märk­te bedie­nen.
In wel­chem Bereich wür­den Sie damit begin­nen?
Büro­kra­tie ist über alle Berei­che mit­ein­an­der ver­floch­ten. Der Bun­des­ver­band der mit­tel­stän­di­schen Wirt­schaft hat sich aktu­ell das Büro­kra­tie­ent­las­tungs­ge­setz (BEG IV) kri­tisch vor­ge­nom­men und der Poli­tik umfas­sen­de Vor­schlä­ge gemacht. Das geht von der Redu­zie­rung von Auf­be­wah­rungs­pflich­ten über den Abbau von Mel­de- und Infor­ma­ti­ons­pflich­ten bis zur Digi­ta­li­sie­rung von erfor­der­li­chen Pro­zes­sen – damit es schnel­ler und ein­fa­cher wird. Der aktu­el­le Gesetz­ent­wurf ist eine Ent­täu­schung und geht uns nicht weit genug.
 Wie kön­nen wir die­ses Ziel so rasch wie mög­lich errei­chen?
„Wir“ setzt vor­aus, dass ein Bewusst­sein für die Pro­ble­ma­tik und Aus­wir­kun­gen besteht. Wir haben fast den Ein­druck, dass trotz blu­mi­ger Zusa­gen nur Kos­me­tik betrie­ben wird – wie sind sonst die erheb­li­chen Per­so­nal­zu­wäch­se in den Ver­wal­tun­gen zu erklä­ren? Der BVMW und sei­ne Mit­glieds­ver­bän­de sind ger­ne bereit, eine Ver­schlan­kung die­ser Struk­tu­ren zu errei­chen – und wir haben gute Ideen.

Dinah Stollwerck-Bauer

Dinah Stollwerck-Bau­er

Haupt­ge­schäfts­füh­re­rin des Arbeit­ge­ber­ver­ban­des Mit­te e. V.

Frau Stollwerck-Bau­er, wie wich­tig und drin­gend ist Büro­kra­tie­ab­bau jetzt?
Der Büro­kra­tie­ab­bau ist vor dem Hin­ter­grund des demo­gra­fi­schen Wan­dels schon seit Jah­ren eine Dau­er­auf­ga­be. Gera­de in der aktu­el­len Situa­ti­on müs­sen Unter­neh­men jedoch ihre Kräf­te bün­deln. Anstatt sich durch unzäh­li­ge Geset­zes­vor­la­gen und Mel­de­we­sen zu wüh­len, benö­ti­gen sie mehr denn je mehr die Frei­heit, sich auf ihr Kern­ge­schäft kon­zen­trie­ren zu kön­nen. Das ist eine Grund­vor­aus­set­zung, damit der Wirt­schafts­stand­ort Deutsch­land nicht in Gefahr gerät.
In wel­chem Bereich wür­den Sie damit begin­nen?
Die unzäh­li­gen Mel­de- und Über­prü­fungs­ver­pflich­tun­gen, die der Gesetz­ge­ber in den letz­ten Jah­ren den Unter­neh­men auf­ge­bür­det hat, müs­sen gestoppt wer­den. Para­de­bei­spiel hier­für ist das Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz. Gera­de für die klei­ne­ren und mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men sind die Aus­wir­kun­gen die­ses Geset­zes nicht zu bewäl­ti­gen. Sie gehen vor dem Büro­kra­tie­mons­ter in die Knie. Damit wird das poli­ti­sche Ziel, Men­schen­rech­te und Umwelt­be­lan­ge in Dritt­län­dern zu stär­ken, gera­de nicht erreicht. Dane­ben gibt es aber auch vie­le ande­re Berei­che, wie zum Bei­spiel das Nach­weis­ge­setz oder das Hin­weis­ge­ber­schutz­ge­setz, das von den Unter­neh­men in den letz­ten Jah­ren viel büro­kra­ti­schen Auf­wand ver­langt hat. Mit För­der­richt­li­ni­en will ich gar nicht erst anfan­gen, bei denen vie­le Unter­neh­men von vorn­her­ein Abstand neh­men, weil der Auf­wand für die För­de­rung nicht im Ver­hält­nis zu des­sen Nut­zen steht. Wem nutzt es, wenn Unter­neh­men dem Wirt­schafts­stand­ort Deutsch­land ver­mehrt den Rücken keh­ren, weil sie die­se Las­ten nicht mehr bedie­nen kön­nen?
Wie kön­nen wir die­ses Ziel so rasch wie mög­lich errei­chen?
Die Wirt­schaft braucht kla­re Zie­le der Regie­rung, auf die sie sich ver­las­sen kann; eine Ent­fes­se­lung der büro­kra­ti­schen Belas­tun­gen in den Unter­neh­men und ein deut­li­ches Bekennt­nis zu unse­rem Wirt­schafts- und damit auch Indus­trie­stand­ort Deutsch­land. Gera­de der Indus­trie­stand­ort ist in Gefahr und damit unzäh­li­ge Arbeits­plät­ze. Dies scheint in vie­len Tei­len der Poli­tik nicht ange­kom­men zu sein, und das hat Fol­gen. Es ist nicht nur Nähr­bo­den für die uner­träg­li­chen Paro­len vie­ler Extre­mis­ten, es führt auch zu einem gro­ßen Ver­trau­ens­ver­lust in die Kraft unse­res Wirt­schafts­stand­or­tes Deutsch­land. Ich wün­sche mir ein kla­res Bekennt­nis und einen Schul­ter­schluss der demo­kra­ti­schen Par­tei­en. Wir brau­chen die Unter­neh­men mit den Arbeits­plät­zen, sie sichern unse­re Exis­tenz und geben den Wohl­stand.

Christian Grascha

Chris­ti­an Gra­scha

Lei­ter der Geschäfts­stel­le Göt­tin­gen der Indus­trie- und Han­dels­kam­mer Han­no­ver

Herr Gra­scha, wie wich­tig und drin­gend ist Büro­kra­tie­ab­bau jetzt?
Aktu­ell hadern vie­le Unter­neh­men mit den Stand­ort­be­din­gun­gen in Deutsch­land. Die über­bor­den­de Büro­kra­tie wird häu­fig als Brem­se für Inves­ti­tio­nen und Wachs­tum genannt. Der Abbau von Büro­kra­tie wäre also ein Kon­junk­tur­pro­gramm. Um die Wirt­schaft wie­der in Schwung zu brin­gen, braucht es ver­läss­li­che Rah­men­be­din­gun­gen. Statt des büro­kra­ti­schen Mikro­ma­nage­ments braucht es mehr unter­neh­me­ri­sche Frei­räu­me. Hier ist Eile gebo­ten.
In wel­chem Bereich wür­den Sie damit begin­nen?
Doku­men­ta­ti­ons­pflich­ten müs­sen redu­ziert und Auf­be­wah­rungs­fris­ten ver­kürzt wer­den. Ein Schlüs­sel, um Ver­fah­ren zwi­schen Wirt­schaft und Ver­wal­tung deut­lich zu beschleu­ni­gen, ist die Digi­ta­li­sie­rung von Ver­wal­tungs­pro­zes­sen. Das bedeu­tet zum Bei­spiel, dass Daten einer Per­son oder eines Unter­neh­mens nicht bei jedem Kon­takt zur Ver­wal­tung wie­der neu ange­ge­ben wer­den müs­sen, son­dern zen­tral dem Staat zur Ver­fü­gung ste­hen.
Wie kön­nen wir die­ses Ziel so rasch wie mög­lich errei­chen?
Ein­fach machen. Es gibt genug Vor­schlä­ge, die mit poli­ti­schem Wil­len umge­setzt wer­den kön­nen. Wich­tig ist, dass alle staat­li­chen Ebe­nen zusam­men­ar­bei­ten. Kon­kret: In Nie­der­sach­sen wur­de bei der IHK Nie­der­sach­sen eine Clea­ring­stel­le des Lan­des für den Büro­kra­tie­ab­bau geschaf­fen. Die­se soll­te gestärkt und lang­fris­tig aus­ge­rich­tet wer­den.

Achim Hübner

Achim Hüb­ner

Geschäfts­füh­rer Land­volk Göt­tin­gen Kreis­bau­ern­ver­band e. V.

Herr Hüb­ner, wie wich­tig bzw. nötig ist Büro­kra­tie­ab­bau jetzt?
Sehr wich­tig, denn die im Grun­de unpro­duk­ti­ve Büro­ar­beit nimmt immer mehr zu und stößt bei der wei­te­ren Ver­ar­bei­tung der Daten ja auch noch wei­te­re Arbeit los. Ob sich der mit­un­ter über­sicht­li­che Erkennt­nis­ge­winn aus den erfass­ten Daten volks­wirt­schaft­lich recht­fer­ti­gen lässt, wage ich zu bezwei­feln.
In wel­chem Bereich wür­den Sie damit begin­nen?
Das ist schwer zu beant­wor­ten. Wenn die Behör­den ihre Daten umfas­send ver­bin­den wür­den, wäre sicher vie­les an Dop­pel­ar­beit und Abstim­mung von Daten unnö­tig. War­um z. B. haben vie­le unse­rer Betrie­be, die auch in Thü­rin­gen wirt­schaf­ten, ihre zu Weih­nach­ten erwar­te­ten EU-Zah­lun­gen noch immer nicht? Weil die EDV-Sys­te­me nicht zuein­an­der pas­sen und Kon­troll­rou­ti­nen nicht lau­fen. Das ist doch unglaub­lich.
Wie kön­nen wir die­ses Ziel so rasch wie mög­lich errei­chen?
Durch muti­ge Ent­schei­dun­gen der Poli­tik. Das Kli­ma des Miss­trau­ens und der völ­lig über­zo­ge­nen Ängs­te müs­sen wir wie­der umlen­ken in ein Ver­trau­en in den Bür­ger. Eine tota­le Über­wa­chung hat an ande­rer Stel­le auch schon in den Staats­bank­rott geführt. Pro­duk­ti­ve Wert­schöp­fung muss wie­der im Vor­der­grund ste­hen, nur so erhal­ten wir unse­ren Wohl­stand!

Petra Broistedt

Petra Broi­stedt

Ober­bür­ger­meis­te­rin der Stadt Göt­tin­gen

Frau Broi­stedt, wie wich­tig und drin­gend ist Büro­kra­tie­ab­bau jetzt?
So wich­tig sie auch sind: Die För­der­pro­gram­me von EU, Bund und Land wer­den immer kom­pli­zier­ter. Das fängt bei den sehr umfang­rei­chen mehr­stu­fi­gen Antrags­ver­fah­ren an, geht über auf­wen­di­ge Mit­tel­ab­ru­fe mit ver­spä­te­ten Aus­zah­lun­gen im Nach­hin­ein und endet bei kom­pli­zier­ten Ver­wen­dungs­nach­wei­sen, die eigent­lich nie­mand in der Detail­tie­fe braucht. Das bin­det auf allen Sei­ten Per­so­nal­res­sour­cen, die aus Steu­er­mit­teln finan­ziert wer­den müs­sen. ‚Weni­ger ist mehr‘ soll­te hier das Mot­to sein. Gleich­zei­tig bekom­men die Kom­mu­nen ste­tig neue Auf­ga­ben ohne Gegen­fi­nan­zie­rung. So ent­steht eine struk­tu­rel­le Unter­fi­nan­zie­rung. Ich wäre sehr dafür, dass EU, Bund und Land Abstand von wei­te­rer Pro­jek­ti­tis neh­men und die kom­mu­na­le Ebe­ne mit den erfor­der­li­chen Finanz­mit­teln aus­stat­ten wür­den.

Foto: Stadt Göt­tin­gen / Miri­am Mer­kel