Sieben Persönlichkeiten aus Göttingen und der Region erzählen, welche historischen Personen mit Göttingen-Bezug sie beeindruckt haben.
Text: Ulrich Drees

Carl Graf von Hardenberg
Der „VON HALLERS GIN“ aus Göttingenz zollt Albrecht von Haller Tribut, indem er Botanicals verwendet, die durch von Haller erforscht wurden und nun überwiegend aus dem botanischen Garten in Göttingen bezogen werden. Carl Graf von Hardenberg erklärt, dass er vor allem den Aufbau des Botanischen Gartens und die regionale Zugehörigkeit mit Albrecht von Haller verbinde. Die Verwendung von Botanicals aus dem botanischen Garten zur Aromatisierung des Gins ist eine Hommage an von Hallers Erbe.
Foto: Hardenberg-Wilthen AG

Albrecht von Haller
Der Botanische Garten am Rande der Innenstadt zählt zu Göttingens schönsten Orten. Gegründet wurde er 1736 von Albrecht Viktor Haller – seit ihn Kaiser Franz I. 1749 in den Adel erhob: Albrecht von Haller –, der 1708 in Bern als Sohn einer alteingesessenen Patrizierfamilie geboren wurde. Albrecht von Haller war Mediziner und Naturforscher, gilt als Begründer der modernen, experimentellen Physiologie und veröffentlichte außerdem Gedichte und Romane – ein echter Universalgelehrter. Nach einem Studium der Medizin und Naturwissenschaften, dass ihn über Biel und Tübingen nach Leiden führte, wo er auch promovierte, arbeitete er in Bern. Von dort wechselte er dann im Jahre 1736 auf den Lehrstuhl für Anatomie, Chirurgie und Botanik an der kurz zuvor gegründeten Universität Göttingen. Neben dem Botanischen Garten sorgte er hier für die Einrichtung eines anatomischen Theaters und übernahm 1747 die Leitung der Göttingischen Zeitungen von gelehrten Sachen. Als Wissenschaftler erlangte Albrecht von Haller vor allem als Anatom Anerkennung, indem er z. B. in vorher unerreichter Genauigkeit den Verlauf der Arterien im menschlichen Körper darstellte. Darüber hinaus prägte er maßgeblich die institutionelle Vereinigung von Forschung und Lehre, die sich erst im 18. Jh. durchzusetzen begann. 1950 wurde er zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, später zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.
Foto: Volt Collection

Dr. Felix Büchting – Vorstand KWS
„Kurt von Rümker“, erklärt Dr. Felix Büchting seine Wahl, „ist zweifelsohne einer der Pioniere und Wegbereiter der modernen Pflanzenzüchtung. Zu Zeiten seiner zentralen Publikationen spielte die Erforschung der Genetik der Pflanzen noch kaum eine Rolle – erst nach 1900 erhielt dieses Feld die nötige Aufmerksamkeit. Und dennoch hat er mit seiner Forschungs- und Lehrarbeit den Weg zur modernen Pflanzenzüchtung mit geebnet – und damit auch einen Grundstein für unsere heutige Arbeit bei KWS gelegt.“
Foto: Julia Lormis

Kurt von Rümker
Bevor der Vater des 1859 geborenen Kurt von Rümker geadelt wurde, hieß der deutsche Agrarwissenschaftler Kurt Heinrich Theodor Rümker. Nach seiner Promotion in Halle erhielt er 1889 die Lehrerlaubnis für die Landwirtschaftslehre an der Universität Göttingen. Im selben Jahr erschien auch seine Habilitationsschrift „Anleitung zur Getreidezüchtung auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage“, die als erstes deutschsprachiges Lehrbuch der Pflanzenzüchtung gilt. Bis 1892 arbeitete Rümker dann als Privatdozent am Landwirtschaftlichen Institut der Universität Göttingen, wo er 1889 unter der Überschrift „Rassenzüchtung landwirtschaftlicher Kulturpflanzen“ auch die erste Vorlesung über Pflanzenzüchtung an einer Universität hielt. Spätestens seit seinem wegweisenden Beitrag „Die Rassenzüchtung landwirtschaftlicher Kulturpflanzen als Forschungsgebiet und Lehrgegenstand“ – erschienen 1895 in einer Festschrift zum 70. Geburtstag seines Lehrers Julius Kühn – gilt Kurt von Rümker als Begründer des Fachgebiets der Pflanzenzüchtung. Durch langjährige Züchtungsversuche mit Raps, Roggen, Weizen und Futterrüben entwickelte er grundlegende Erkenntnisse der Züchtungsmethodik und seine Ideen führten 1905 zur Einrichtung des „Hochzuchtregisters“ der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft.
Foto: wikicommons

Marcel Riethig – Landrat des Landkreises Göttingen
„Johann David Michaelis hat mit seiner Auseinandersetzung mit dem Alten Testament wesentliche Impulse für die Aufklärung gegeben. Sein Mut zum kritischen Denken symbolisiert für mich die Weltoffenheit, die Göttingen ausmacht“, erklärt Landrat Marcel Riethig seine Wahl.
Foto: Landkreis Göttingen / Mischke

Johann David Michaelis
Der in Halle geborene Aufklärungstheologe und Orientalist Johann David Michaelis (1717-1791) befasste sich während seines Studiums mit einer Vielzahl von Themen, darunter Medizin, Mathematik, Geschichte, orientalische Sprachen und Theologie. 1745 wurde er als Privatdozent nach Göttingen berufen, 1746 außerordentlicher und 1750 ordentlicher Professor für Orientalistik. Michaelis und Albrecht von Haller gestalteten gemeinsam die Grundprinzipien der noch heute bestehenden Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.
Im Rahmen einer von ihm organisierten Forschungsreise in den Vorderen Orient überprüfte er den Wahrheitsgehalt der biblischen Erzählungen. Als Basis diente ihm dazu ein religionssoziologischer Fragebogen, der auf Einreichungen von Wissenschaftlern aus ganz Europa basierte. Seine Schlussfolgerungen zum praktischen Nutzen detailreicher mosaischer Gesetze, die er u. a. mit aktuellen arabischen Brauchtümern in Beziehung setzte, machten ihn zum Vorläufer der empirischen Sozialforschung.
Auf sein Leben in Göttingen verweist noch heute das „Michaelishaus“ in der Prinzenstraße, das ehemalige Gasthaus „Londonschänke“, das Michaelis 1764 erwarb. Hier hielt er Vorlesungen und wohnte dort mit seiner Familie bis zu seinem Tod.
Foto: Volt Collection

Wigbert Schwarze – Dechant und Vorsitzender des Dekanatspastoralrats
Dechant Wigbert Schwarze, der seit 12 Jahren dem Edith Stein Kreis angehört, ist besonders von zwei Aussprüchen von Edith Stein begeistert. „Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott“ und „Es gibt keinen Beruf, der nicht von einer Frau ausgeübt werden könnte.“ Deshalb hat im letzten Jahr auch Sr. Philippa Rath OSB als Frauenrechtlerin und Nonne, den Edith-Stein-Preis in Göttingen bekommen.
Foto: privat

Edith Stein
Die Philosophin und Frauenrechtlerin Edith Stein wurde 1891 in Breslau als Tochter jüdischer Eltern geboren. 1922 trat sie in die katholische Kirche und 1933 in den Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen ein. Zusammen mit ihrer Schwester wurde sie 1942 von den Nationalsozialisten im KZ Auschwitz-Birkenau in einer Gaskammer ermordet. Papst Johannes Paul II. sprach sie 1987 selig und 1998 heilig. Ein Jahr später wurde sie als eine von drei Frauen zur Patronin Europas erklärt. An ihrem Gedenktag, dem 9. August, wird sie auch von der evangelischen Kirche Deutschlands gewürdigt.
Nach ihrem Abitur studierte sie unter anderem in Göttingen Psychologie, Philosophie, Geschichte und Germanistik auf Lehramt und promovierte 1916 mit Auszeichnung in Breslau. Vier Versuche zu habilitieren – darunter 1919 in Göttingen – scheiterten daran, dass sie eine Frau war. Ihren Weg zum katholischen Glauben beschritt Edith Stein in Göttingen: „Ich hatte in Göttingen Ehrfurcht vor Glaubensfragen und gläubigen Menschen gelernt“, und noch heute wahrt und pflegt der Edith-Stein-Kreis Göttingen e.V. das Andenken an ihr Leben und Werk unter anderem durch die Vergabe des Göttinger Edith-Stein-Preises.
Foto: Cologne Carmel Archives

Petra Broistedt – Oberbürgermeisterin der Stadt Göttingen
„ ‚Werde nie eine Frau, wenn Du groß bist.‘ Diese Worte von Maria Gertrude Goeppert-Mayers Vater sind im tiefsten Sinn feministisch,“ erklärt Petra Broistedt. „Er gab ihr damit das Vertrauen, dass Frauen aus Rollenbildern ausbrechen und genauso viel erreichen können wie Männer. Das war damals nicht selbstverständlich. Wir können also doppelt stolz sein auf diese Erfolgsgeschichte.“
Foto: Stadt Göttingen / Miriam Merkel

Maria Gertrude Goeppert-Mayer
Die deutsch-US-amerikanische Physikerin Maria Gertrude Goeppert-Mayer wurde 1906 in Oberschlesien als Tochter einer Akademikerfamilie geboren. Im Alter von vier Jahren zog sie mit ihren Eltern nach Göttingen, wo sie nach ihrem Abitur auch studierte. Der Pionier der Quantenmechanik und spätere Nobelpreisträger Max Born inspirierte sie, von der Mathematik zur Physik zu wechseln, in der sie bei ihm 1930 promovierte. Im selben Jahr zog sie mit ihrem Mann Joseph Edward Mayer – einem Mitarbeiter des in Göttingen lehrenden Nobelpreisträgers James Franck und späterem Präsidenten der American Physical Society – in die USA. Dort entwickelte sie das zuvor in der Physik zumeist für unmöglich gehaltene Schalenmodell des Atomkerns, zu dem sie erstmals 1948 und dann 1949 publizierte. Parallel zu und unabhängig von ihren Forschungen kam in Deutschland der Physiker Johannes Hans Daniel Jensen mit seinen Kollegen zu denselben Ergebnissen. Maria Goeppert-Mayer kannte ihn nicht, arbeitete jedoch später freundschaftlich mit ihm zusammen. So schrieben beide gemeinsam 1955 ein Buch über das Schalenmodell, für das sie zusammen 1963 den Nobelpreis für Physik erhielten. Maria Goeppert-Mayer war damals erst die zweite Frau, die diese Auszeichnung erhielt.
Foto: US Department of Energy

Metin Tolan – Präsident der Universität Göttingen
Passend zum hundertsten Jubiläum der Quantenphysik im Jahr 2025 wählte Prof. Metin Tolan den Nobelpreisträger aus: „Max Born ist für mich eine wichtige historische Persönlichkeit, weil er 1925 mit der sogenannten statistischen Interpretation der Wellenfunktion erklärt hat, warum wir die Welt nie werden erklären können. Oder kann sich jemand etwas unter einer „Materiewelle“ vorstellen, deren Betragsquadrat die Wahrscheinlichkeitsdichte dafür angibt, dass sich ein Teilchen an einem bestimmten Ort aufhält? Na bitte! Wer so etwas herausfindet, muss ein ganz Großer gewesen sein, denn dies können sich selbst Physiker nicht mehr veranschaulichen. Müssen sie auch nicht. Dank Max Born können mit dieser Erkenntnis Experimente extrem genau vorhergesagt werden – und nur darauf kommt es an!“
Foto: Universität Göttingen / Swen Pförtner

Max Born
Der 1882 in Breslau geborene Mathematiker und Physiker Max Born promovierte 1906 in Göttingen bei Carl Runge. 1909 folgte hier auch seine Habilitation. Nach Tätigkeiten an verschiedenen anderen Universitäten kehrte er nach Göttingen zurück und wirkte von 1921 bis 1933 als Professor. Zusammen mit anderen namhaften Wissenschaftlern entwickelte er hier nicht nur große Teile der modernen Quantenmechanik, ihm ist auch zu verdanken, dass Göttingen zu einer international bedeutenden Hochburg der theoretischen Physik aufstieg. Als Mitglied einer großbürgerlichen deutsch-jüdischen Familie emigrierte er nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nach Großbritannien und lehrte in Cambridge und Edinburgh. Ab 1954 arbeitete er wieder in Göttingen, wo man ihn 1953 zum Ehrenbürger ernannt hatte, wohnte jedoch in Bad Pyrmont. Im selben Jahr erhielt Max Born für seine statistische Interpretation der Wellenfunktion – eine der Grundlagen der modernen Quantenmechanik – den Nobelpreis für Physik. Nach seinem Tod 1970 wurde er auf dem Göttinger Stadtfriedhof begrabe.
Foto: wikicommons

Dr. Frank Albrecht Uhlhorn – Superintendent ev. Kirchenkreis Göttingen Hann. Münden
„David Hilbert hat die „Eigenwert-Theorie“ entworfen“, so Dr. Frank Uhlhorn, „die von dem Physiker Heinz von Foerster aufgenommen und von dem Soziologen und Systemtheoretiker Niklas Luhmann für seine Theorie über Kommunikation verarbeitet wurde. Kommunikation produziert demnach Eigenwerte und ist eine Realität sui generis – aus eigener Kraft. Zwar war ich als Schüler nicht besonders an Mathematik interessiert, aber als Theologe interessiert mich Hilberts Theorie, weil ich mit dem Johannesevangelium davon ausgehe, dass am Anfang das Wort war – „… und Gott war das Wort!“ – und finde, dass Theologinnen und Theologen auch theoretisch etwas von Kommunikation verstehen sollten.
Foto: Ulrich Drees

David Hilbert
David Hilbert (1862-1943) war einer der bedeutendsten Mathematiker der Neuzeit und beeinflusste mit seiner wegweisenden Arbeit Generationen nachfolgender Fachkollegen. Die 23 „Hilbertschen Probleme“, die er 1900 in Paris auf dem zweiten internationalen Mathematikerkongress formulierte, stellen bis heute für viele Experten die wohl einflussreichste Sammlung von mathematischen Problemen und Vermutungen dieser Art dar.
Zu jener Zeit war Hilbert bereits seit 1895 Professor an der Universität Göttingen und maßgeblich für die Blütezeit dieses Fachs in Göttingen verantwortlich, die anhielt, bis 1933 ihre nicht-arischen Mitglieder von den Nationalsozialisten vertrieben wurden. 1942 verstarb Hilbert relativ unbeachtet in Göttingen. Sein Grab liegt auf dem Stadtfriedhof an der Kasseler Landstraße.
Foto: wikicommons