Dr. Johanna Reinecke und PD Dr. Alexander König im Patientengespräch
Der aktuelle Standard in der Behandlung von Krebserkrankungen des Verdauungstraktes
Text: Ute König, Johanna Reinecke, Alexander König, Volker Ellenrieder | Fotos: UMG, Mirko Plha
Bösartige Tumor-Neubildungen in den Verdauungsorganen stellen ein häufiges Problem in der Behandlung von Krebserkrankungen dar. Dabei liegt oftmals eine metastasierte Erkrankung vor, für die häufig nur eine systemisch wirkende Therapie sinnvoll erscheint. Nur diese ist in der Lage, alle im Körper befindlichen Tumorzellen gleichzeitig anzugreifen.
An der Universitätsmedizin Göttingen kümmert sich ein Team von spezialisierten Ärzten um PD Dr. med. Alexander König um Patienten mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen der Verdauungsorgane, die Chemotherapeutika benötigen. Diese werden in der Klinik für Gastroenterologie, gastrointestinale Onkologie und Endokrinologie, die Teil des UniversitätsKrebszentrums Göttingen ist, versorgt. Bis vor einigen Jahren gab es für diese Art der Behandlung nahezu ausschließlich unspezifisch wirkende Chemotherapeutika. Die meisten dieser Medikamente verhindern die Verdopplung oder Aufteilung der Erbinformation (DNA) im Zellkern während der Teilung von Zellen. Leider wirken die klassischen Chemotherapeutika überall im Körper und können damit auch gesunde Körperzellen schädigen. So kann es außerdem zu Haarausfall, Durchfall, Immunschwäche oder Schleimhautschäden kommen.
Entstehung entdecken >>> In den letzten Jahren konnten jedoch bahnbrechende Entdeckungen zur Entstehung von Krebserkrankungen gemacht werden. Es wurden Mechanismen erforscht, die den Weg der normalen Körperzelle zur Krebszelle vorantreiben und von denen die Krebszelle in ihrem Überleben abhängig ist. Mit dem Wissen, wie das Tumorwachstum gefördert wird, konnten therapeutische Prinzipien etabliert werden, welche diese Veränderungen zielgerichtet außer Kraft setzen. Die Tumorzellen werden so in ihrem Wachstum sowie Überleben angegriffen, und gleichzeitig wird die von der klassischen Chemotherapie bekannte, unspezifische Schädigung anderer Körperzellen vermieden. Voraussetzung für eine erfolgreiche bzw. erfolgversprechende Therapie ist eine sorgfältige Auswahl geeigneter Patienten, die meist über den Nachweis tumorassoziierter Biomarker erfolgt.
Aufklärung >>> In jedem Fall werden Patienten, die eine zielgerichtete Therapie erhalten, intensiv über potenzielle Nebenwirkungen aufgeklärt. Neben dem ärztlichen Aufklärungsgespräch kommt hier der onkologischen Fachpflege eine entscheidende Bedeutung zu. In diesem zusätzlichen Aufklärungsgespräch, welches von speziell ausgebildeten Pflegefachkräften durchgeführt wird, erhalten die Patienten wertvolle Hinweise, wie sie mit möglichen Nebenwirkungen umgehen und welche Maßnahmen sie vorsorglich ergreifen können, um Nebenwirkungen zu verhindern.
Um Krebserkrankungen des Verdauungstraktes zu behandeln, kommen an der UMG folgende moderne Behandlungskonzepte zum Einsatz:
Blockade von Wachstumsfaktoren >>> Wachstumsfaktoren stellen eine große Gruppe von Gewebshormonen dar, die das Tumorwachstum sowie deren Entwicklung stark vorantreiben. Sie werden häufig von den Tumorzellen selbst produziert, in das Blut oder Lymphsystem abgegeben und heften sich dann an die Signalempfänger, die Rezeptoren, an der Oberfläche von Tumorzellen. Über komplexe Signalwege gelangen die Informationen in den Zellkern, wo Programme aktiviert werden, die zu schnellerem Zellwachstum oder gesteigerter Beweglichkeit von Tumorzellen führen. Die Blockade dieser Wachstumssignale bildet deshalb in der modernen Onkologie einen sehr sinnvollen Therapieansatz. Dazu können entweder blockierende Antikörper genutzt werden oder Substanzen, die die Weitergabe der Information an die Zelle verhindern. Eine besondere Situation stellt das Auftreten des Signalempfängers HER2 auf Karzinomzellen des Gastrointestinaltraktes dar. Bei HER2 handelt es sich um einen Wachstumsfaktor, der auch bei der Entstehung des Brustkrebses eine zentrale Rolle einnimmt. Daher führt die Blockade des HER2-Rezeptors nicht nur beim Brustkrebs, sondern auch bei Tumoren des Magens, der Gallenwege oder des Dickdarms zu einer deutlich verbesserten Therapieansprache..
Tyrosinkinase-Inhibitoren >>> Als Tyrosinkinase-Inhibitoren wird eine Vielzahl von Wirkstoffen zusammengefasst, welche in verschiedene Stoffwechselwege der Tumorzelle eingreifen können. Sie werden auch Tyrosinkinase-Hemmer genannt und richten sich gegen Eiweiße in der Zelle, die das Zellwachstum fördern. Die Medikamente werden meist in Tablettenform verabreicht, die der Patient selbst einnehmen kann. Tyrosinkinase-Inhibitoren spielen eine große Rolle bei der Behandlung von mittelgradig schnell oder langsam wachsenden Tumoren wie den lebereigenen Tumoren, neuroendokrinen Tumoren oder Schilddrüsentumoren und werden als alleinige Therapie ohne gleichzeitige Chemotherapie angewendet. Aufgrund ihres vielfältigen Wirkspektrums können jedoch verschiedene unerwünschte Wirkungen auftreten, die häufig den Magen-Darm-Trakt, die Schleimhäute, das Herz-Kreislauf-System oder die Nieren betreffen. Sollten Nebenwirkungen auftreten, ist es wichtig, diese mit dem behandelnden Arzt zu besprechen.
Blockade des Endothelwachstumsfaktors >>> Die am längsten bekannte Form der zielgerichteten Therapie von Krebserkrankungen der Verdauungsorgane stellen die Gegenspieler des Endothelwachstumsfaktors dar. Dieser ist für die Neubildung von Blutgefäßen verantwortlich und deshalb in der Wundheilung von zentraler Bedeutung. Da jedoch Krebsgewebe ebenso auf die Neubildung von Blutgefäßen angewiesen ist, um mit genügend Nährstoffen und Sauerstoff versorgt zu werden, stellt die Verhinderung des Einwachsens von Blutgefäßen einen effektiven Ansatz in der Wachstumshemmung von Tumorknoten dar. Die Strukturen, die bei diesem Therapieansatz blockiert werden, liegen jedoch nicht in der Tumorzelle selbst, sondern in den Wandschichten benachbarter Blutgefäße. Die Therapie wird in der Regel mit einer klassischen Chemotherapie kombiniert und von den meisten Patienten gut vertragen. Deshalb kann sie auch bei Patienten im hohen Lebensalter bei nahezu allen Krebserkrankungen des Gastrointestinaltraktes verabreicht werden.
Durch die internationale Forschung konnten die Therapiemöglichkeiten in der Behandlung von bösartigen Erkrankungen des Verdauungstraktes in den letzten Jahren deutlich verbessert werden. Insbesondere durch den Einsatz molekular zielgerichteter Medikamente, die auf Veränderungen der Tumorzelle abgestimmt sind, konnten bessere Therapieerfolge mit weniger Nebenwirkungen erreicht werden. Auch in den nächsten Jahren werden weitere, spezifisch an die Tumorzellen und ihre zelleigenen Veränderungen angepasste Medikamente erwartet, welche die Therapie, das Überleben und die Lebensqualität der Patienten weiter verbessern werden.
Moderne Therapieansätze werden im Team besprochen und kommen den Patienten direkt zugute
In der Klinik für Gastroenterologie, gastrointestinale Onkologie und Endokrinologie der UMG kommen modernste Therapien bei Krebserkrankungen des Verdauungstraktes zum Einsatz.
Prof. Dr. Volker Ellenrieder
Klinikdirektor
Universitätsmedizin Göttingen
UniversitätsKrebszentrum Göttingen (G-CCC)
Klinik für Gastroenterologie, gastrointestinale Onkologie und Endokrinologie
Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen
Telefon: 05 51 / 39-6 23 13
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