Vie­le gro­ße Unter­neh­men schrän­ken aktu­ell ihre Home­of­fice-Optio­nen ein. Die Devi­se heißt: Zurück ins Büro. Doch Beschäf­tig­te wol­len die Vor­tei­le des mobi­len Arbei­tens sel­ten auf­ge­ben. Wie geht es wei­ter mit dem Home­of­fice?

Text: Ulrich Drees | Fotos: Ado­be Stock

Als der Video­kon­fe­renz-Anbie­ter Zoom sei­ne Mit­ar­bei­ter im ver­gan­ge­nen Jahr zu zwei Büro-Prä­senz­ta­gen ver­don­ner­te, weil sie dort am „effi­zi­en­tes­ten“ arbei­ten könn­ten, schien das Ende des wäh­rend der Coro­na-Zeit explo­dier­ten Home­of­fice-Trends nahe. Wei­te­re Bei­spie­le folg­ten: Elon Musk – nie um ein­präg­sa­me Ver­kür­zungs­ver­su­che ver­le­gen – beschreibt Home­of­fice als „mora­lisch falsch“. Die Tele­kom ver­ord­ne­te allen „Büro­be­schäf­tig­ten“ drei Tage Prä­senz im Unter­neh­men, Füh­rungs­kräf­ten sogar vier. Volks­wa­gen und die Deut­sche Bank folg­ten mit ähn­li­chen Rege­lun­gen. Der Wall­dor­fer Soft­ware­kon­zern SAP erwar­tet seit Juni 2024, dass sei­ne Beschäf­tig­ten min­des­tens drei Tage pro Woche im Büro oder bei Kun­den arbei­ten. Und eine Stu­die der Per­so­nal­mar­ke­ting-Agen­tur König­stei­ner Grup­pe beleg­te schon 2023, dass ein Drit­tel der befrag­ten Beschäf­tig­ten weni­ger zu Hau­se oder mobil gear­bei­tet habe als zuvor, rund ein Drit­tel auf Arbeit­ge­ber-Wei­sung hin. Bei 14 % wur­de die Mög­lich­keit zum Home­of­fice sogar gleich ganz abge­schafft. Erle­ben wir die Göt­ter­däm­me­rung des Home­of­fice?

Das Zu-Hau­se-Vier­tel >>> Wohl eher nicht. Erhe­bun­gen des Sta­tis­ti­schen Bun­des­amts zufol­ge arbei­te­ten 2023 immer­hin 23,5 % aller Beschäf­tig­ten in Deutsch­land außer­halb von Unter­neh­mens­be­triebs­stät­ten – vor Coro­na waren es 12,9 %. Den größ­ten Anteil dar­an stell­ten Solo-Selbst­stän­di­ge. Die Zahl beinhal­tet aber auch Men­schen, die Tätig­kei­ten im Kos­me­tik- oder Pfle­ge­be­reich von zu Hau­se aus aus­üben. Prä­zi­ser wird das Home­of­fice oder mobi­le Arbei­ten von Unter­neh­mens­be­schäf­tig­ten von einer Umfra­ge des ifo-Insti­tuts aus dem Febru­ar 2024 abge­bil­det. Die knapp 9000 befrag­ten Unter­neh­men gaben an, dass 24,1 % ihrer Beleg­schaft zumin­dest teil­wei­se zu Hau­se arbei­te­ten. Zumeist han­delt es sich dabei um „Schreib­tisch-Beru­fe“: Wis­sen­schaft­ler (48,9 %) und Füh­rungs­kräf­te (40,5 %) mach­ten den größ­ten Anteil aus. Über­durch­schnitt­lich waren außer­dem klas­si­sche Büro­kräf­te und kauf­män­ni­sche Ange­stell­ten (26,2 %) sowie Tech­ni­ke­rin­nen und Tech­ni­ker (26,3 %) betei­ligt. Zum Ver­gleich: Nur 1,5 % der Anla­gen- und Maschi­nen­be­die­ner und 1,9 % der Hilfs­ar­beits­kräf­te nut­zen das Home­of­fice.

Wie geht’s wei­ter? >>> Die meis­ten Arbeits­markt-Exper­ten sehen zwar einen leich­ten Abwärts­trend für 2024, gehen aber davon aus, dass sich mit­tel­fris­tig wenig an der Home­of­fice-Quo­te ändern wird. Phil­ipp Gru­n­au vom Nürn­ber­ger Insti­tut für Arbeits­markt- und Berufs­for­schung (IAB) erwar­tet, dass Beschäf­tig­te „nach wie vor deut­lich mehr Zeit im Home­of­fice ver­brin­gen als vor der Pan­de­mie.“ Simon Krau­se vom Münch­ner Ifo-Insti­tut sieht die Quo­te sta­bil bei durch­schnitt­lich 25 % und wird dabei von einer Ifo-Stu­die unter­stützt, bei der im Herbst 2023 von rund 9000 befrag­ten Unter­neh­men 84 % anga­ben, ihre Home­of­fice-Rege­lun­gen bei­be­hal­ten zu wol­len. Die Deut­sche Pres­se­agen­tur erfuhr, dass weder Mer­ce­des Benz, die Ver­si­che­rungs­kon­zer­ne Alli­anz und Han­no­ver Re, der Ver­sand­händ­ler Otto, Voda­fone, Con­ti­nen­tal, das Rei­se­un­ter­neh­men TUI, Bay­er und Sie­mens noch der Kon­sum­gü­ter­kon­zern Hen­kel stren­ge­re Home­of­fice-Vor­ga­ben pla­nen. „Unge­ach­tet der Debat­ten um die Rück­kehr ins Büro bei ein­zel­nen Unter­neh­men hat sich Home­of­fice in Deutsch­land fest eta­bliert“, fol­gert ifo-Exper­te Jean-Vic­tor Ali­pour.
Dass laut einer welt­wei­ten Stu­die des Immo­bi­li­en-Bera­tungs­un­ter­neh­mens JLL ein Drit­tel der befrag­ten Unter­neh­men eine Prä­senz­pflicht ein­ge­führt hat, wei­te­re 27 % sich das vor­stel­len könn­ten oder mit Anrei­zen, wie bevor­zug­te Auf­ga­ben, Gehalts­er­hö­hun­gen oder Beför­de­run­gen zur Rück­kehr ins Büro moti­vie­ren sol­len, könn­te einer ähn­li­chen Ent­wick­lung in Deutsch­land vor­aus­grei­fen. Doch die Home­of­fice-Quo­te ist hier­zu­lan­de im Ver­gleich eher nied­rig, in den USA ist sie bei­spiels­wei­se dop­pelt so hoch.

Streit­punkt Prä­senz­pflicht >>> Trotz­dem gibt es aktu­ell klar erkenn­ba­re Bestre­bun­gen, das Home­of­fice über die Ein­füh­rung einer Prä­senz­pflicht ein­zu­schrän­ken. Und zwar nicht nur bei grö­ße­ren Unter­neh­men, deren Beschäf­tig­te dem ifo-Insti­tut zufol­ge mit 32,1 % deut­lich häu­fi­ger im Home­of­fice arbei­ten als die von klei­nen und mitt­le­ren Unter­neh­men (KMU) mit 20,5 %. Auch in der Regi­on Süd­nie­der­sach­sen ist dies spür­bar. „Es gibt hier­zu vie­le Anfra­gen von Unter­neh­men“, erklärt bei­spiels­wei­se Dinah Stollwerck-Bau­er, Haupt­ge­schäfts­füh­re­rin des Arbeit­ge­ber­ver­ban­des Mit­te e. V. „Zumeist geht es dabei um zwei The­men: zum einen beschrei­ben Unter­neh­men eine sin­ken­de Leis­tung und Pro­duk­ti­vi­tät durch Home­of­fice, und zum ande­ren lei­den Krea­ti­vi­tät und Inno­va­ti­ons­kraft, die erst durch das Auf­ein­an­der­tref­fen von Men­schen im Arbeits­um­feld ent­ste­hen.“ Ob das zutrifft? „Die Wahr­heit liegt wohl in der Mit­te“, so Dinah Stollwerck-Bau­er.
Obwohl zahl­rei­che Stu­di­en dar­auf hin­deu­ten, dass die durch­schnitt­li­che Pro­duk­ti­vi­tät im Home­of­fice nicht lei­de, dürf­te das eine zutref­fen­de Beschrei­bung sein. Auch SAP begrün­de­te sei­nen Vor­stoß damit, dass man über­zeugt sei, ein aus­ge­wo­ge­nes Ver­hält­nis zwi­schen Arbeit im Home­of­fice und im Büro för­de­re die Pro­duk­ti­vi­tät und Inno­va­ti­ons­kraft eben­so wie das Wohl­be­fin­den der Mit­ar­bei­ter. Tat­säch­lich wur­de das Home­of­fice bei SAP ja auch nicht abge­schafft. Ein­ge­führt wur­de eine all­ge­mei­ne Prä­senz­pflicht von drei Tagen pro Woche – die nach hef­ti­gem Wider­stand durch den Betriebs­rat in Abspra­che mit Vor­ge­setz­ten ver­han­del­bar blei­ben soll. In einem Inter­view mit dem „Han­dels­blatt“ führ­te SAP-Chef Chris­ti­an Klein an, wes­halb er die Prä­senz­pflicht woll­te. So müss­ten in den kom­men­den Jah­ren rund 15.000 neue Mit­ar­bei­ter ein­ge­ar­bei­tet wer­den, das könn­ten nur erfah­re­ne Beschäf­tig­te vor Ort. Außer­dem för­de­re der „per­sön­li­che Aus­tausch im Büro die Kar­rie­re.“ Ähn­li­che Argu­men­te äußert auch der ifo-Exper­te Ali­pour, der der Prä­senz­ar­beit Vor­tei­le gegen­über dem Home­of­fice beschei­nigt, „etwa beim Trans­fer von Wis­sen, bei Krea­ti­vi­tät in der Grup­pe oder bei sozia­len Aspek­ten.“
Wei­te­re Argu­men­te für mehr Büro­prä­senz füh­ren an, dass Home­of­fice auch für Beschäf­tig­te nicht immer nur posi­tiv sei. Es wür­den leich­ter Über­stun­den erar­bei­tet, und die Gren­zen zwi­schen Arbeit und Pri­vat­le­ben wür­den wei­ter auf­wei­chen.
Auch Micha­el Hüt­her, Direk­tor des Insti­tuts der deut­schen Wirt­schaft, äußer­te sich. Für ihn ist das The­ma auch eine „Eli­ten­dis­kus­si­on“. Wer Home­of­fice ein­for­de­re, ver­ges­se dabei, dass es nicht für alle Men­schen zu Hau­se zwangs­läu­fig schö­ner sei als im Unter­neh­men. Der Arbeits­platz in der Fir­ma sei für vie­le Men­schen ein wich­ti­ger Ort sozia­ler Begeg­nung. Tat­säch­lich beschrei­ben Per­so­nal­ma­nage­ment-Exper­ten, dass im Home­of­fice die Bezie­hun­gen zu Kol­le­gen/-innen – ins­be­son­de­re zu den­je­ni­gen, mit denen man sel­te­ner zusam­men­ar­bei­tet – lei­den. Ganz direkt betrof­fen sei außer­dem die Bin­dung an das Unter­neh­men selbst. Mobi­les Arbei­ten zu för­dern, um Fach­kräf­te anzu­zie­hen, die genau das erwar­ten, kann also dazu füh­ren, dass die­se auch eben­so leicht wie­der abwan­dern. Hier ste­cken Unter­neh­men offen­bar in einer Zwick­müh­le.

Kün­di­gungs­grund? >>> Auch wenn also eine gan­ze Rei­he von Argu­men­ten gegen das Home­of­fice spre­chen min­des­tens eben­so vie­le spre­chen dafür. Und es ist nahe­lie­gend, dass es eher die Arbeit­ge­ber­sei­te ist, die mehr Prä­senz­ar­beit ein­for­dert, wäh­rend Beschäf­tig­te sich gegen jede Ein­schrän­kung weh­ren. Doch eins ist klar: Aktu­ell sind es zumeist Unter­neh­men, die Arbeits­kräf­te suchen. Des­halb müs­sen sie für attrak­ti­ve Arbeits­be­din­gun­gen sor­gen, und zu denen gehö­ren ent­spre­chen­de Ange­bo­te für fle­xi­ble und mobi­le Arbeit heu­te ein­fach dazu. Immer­hin sahen einer Stu­die der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Darm­stadt von 1.100 hoch qua­li­fi­zier­ten Beschäf­tig­ten 24 % in Ein­schrän­kun­gen in die­sem Bereich einen mög­li­chen Kün­di­gungs­grund. Und selbst bei den­je­ni­gen, die nicht gleich kün­di­gen, lei­det höchst­wahr­schein­lich die Zufrie­den­heit und damit die Pro­duk­ti­vi­tät. Fach­leu­te, wie der Gene­ra­tio­nen­for­scher und Unter­neh­mens­be­ra­ter Rüdi­ger Maas erken­nen bereits „stil­le“ Abwehr­stra­te­gien, wie das „Cof­fee Bad­ging“. Damit sind Beschäf­tig­te gemeint, die nur zu wich­ti­gen Mee­tings in die Fir­ma kom­men, um dann wie­der ins Home­of­fice zu ver­schwin­den.

Die Wahr­heit liegt in der Mit­te >>> Home­of­fice dürf­te also ver­mut­lich nicht wie­der ver­schwin­den und sich neben der Prä­senz­ar­beit eta­blie­ren. Obwohl die öffent­li­che Dis­kus­si­on dies nicht immer erken­nen lässt, schei­nen das alle Betei­lig­ten auch prin­zi­pi­ell anzu­er­ken­nen. So erklärt Astrid Schmidt, Refe­ren­tin für „Inno­va­ti­on und gute Arbeit“ in der Bun­des­zen­tra­le von ver.di: „Die wenigs­ten Men­schen wol­len jeden Tag von zu Hau­se aus arbei­ten. Die meis­ten wol­len zwei bis drei Tage die Mög­lich­keit haben, mobil zu arbei­ten, und möch­ten den Aus­tausch mit ihren Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen haben.“ Ent­spre­chen­de Stu­di­en geben ihr grund­sätz­lich Recht (sie­he Side­fact), wobei sie wei­ter einen leich­ten Abwärts­trend beim Wunsch nach mobi­lem Arbei­ten doku­men­tie­ren – und das auch bei Arbeit­neh­mern.
Grund­sätz­lich dürf­te die Dis­kus­si­on um das Ende des Home­of­fice also den unver­meid­li­chen Echo­räu­men unse­rer media­len Gegen­wart geschul­det sein. Dass sich die Nut­zung mobi­len Arbei­tens post-pan­de­misch wie­der ein­pen­delt, ist jedoch offen­sicht­lich. Trotz­dem gehört Home­of­fice heu­te eben­so zur Arbeits­welt wie fle­xi­ble Arbeits­zei­ten. Ob es am Ende zwei, drei oder nur ein Tag Home­of­fice sind, ist letzt­lich von zahl­rei­chen indi­vi­du­el­len Fak­to­ren abhän­gig.

Home­of­fice oder mobi­le Arbeit
Mobil zu arbei­ten, das ist nicht gleich Home­of­fice oder Tele­ar­beit. Denn das basiert auf einer recht­li­chen Abspra­che zwi­schen Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­men­den, die beinhal­tet, dass der Arbeit­ge­ber im Pri­vat­be­reich des Arbeit­neh­men­den einen funk­tio­nie­ren­den Arbeits­platz ein­rich­tet, d. h., er sorgt vom Schreib­tisch bis zum Com­pu­ter für alles, was er auch im eige­nen Büro anbie­ten wür­de. Anders beim mobi­len Arbei­ten oder mobi­le office, denn da dür­fen die Mit­ar­bei­ten­den beim Arbei­ten auch im Park oder im Bett ihr Note­book nut­zen.

Neu­lich im Büro …
Unter dem Home­of­fice-Trend gelit­ten hat vor allem der Markt für Büro-Immo­bi­li­en. Gro­ße wie klei­ne Unter­neh­men spa­ren hier Geld, denn aktu­ell und in Zukunft benö­ti­gen sie deut­lich weni­ger Büro­flä­che. Im Zuge der Ent­wick­lung set­zen Ver­ant­wort­li­che des­halb immer häu­fi­ger auf die fle­xi­ble Nut­zung der ver­klei­ner­ten Büro­räu­me. Dabei wird der fes­te Arbeits­platz abge­schafft. Wenn sie in Prä­senz arbei­ten, suchen sich Mit­ar­bei­ten­de ein­fach einen frei­en Schreib­tisch. Betrof­fe­ne fin­den das aus orga­ni­sa­to­ri­schen Grün­den zwar nicht immer ide­al, aber ent­spre­chen­de Rege­lun­gen wer­den immer häu­fi­ger ein­ge­führt. Kei­ne Fra­ge, mobi­le Arbeit schwappt also auch in die Büros hin­ein. Sie müs­sen sich fle­xi­bel an neue Bedürf­nis­se und Nut­zungs­for­men anpas­sen. Ihr Ziel: einer „kri­ti­schen Mas­se“ von Mit­ar­bei­ten­den das Gefühl geben, dass sich der Weg dort­hin gelohnt hat.

Wie vie­le Tage Home­of­fice?
Im Rah­men der Kon­stan­zer Home­of­fice-Stu­die wird das mobi­le Arbei­ten in Deutsch­land seit März 2020 unter­sucht. Im April 2024 ergab die Befra­gung von 1023 Per­so­nen, dar­un­ter 476 Füh­rungs­kräf­ten, einen leicht zurück­ge­hen­den Wunsch nach Home­of­fice. Wur­den 2023 noch 2,92 Tage gewünscht waren es 2024 nur noch 2,64 Tage – was jedoch auch an der im Ver­gleich höhe­re Zahl befrag­ter Füh­rungs­kräf­te lie­gen könn­te. Von denen woll­ten im Durch­schnitt nur 2,47 Tage mobil arbei­ten, wäh­rend ihre Mit­ar­bei­ten­den 2,79 Tage bevor­zug­ten. Im Ver­gleich ermit­tel­te das Ifo-Insti­tut, dass sich Beschäf­tig­te in Deutsch­land sogar nur 1,8 wöchent­li­che Home­of­fice­tage wün­schen und Unter­neh­men zuletzt nur noch einen Tag geneh­mig­ten.