Im Deut­schen Thea­ter sprach der Prä­si­dent der PFH Pri­va­te Hoch­schu­le Göt­tin­gen Frank Albe mit dem Cha­rak­ter-Chef­re­dak­teur Ulrich Drees über Bil­dung und Kunst, Freund­schafts­bün­de und ein Schlitz­ohr im TUI-Vor­stand.

Inter­view: Ulrich Drees | Fotos: Ste­phan Beu­er­mann

Herr Albe, wo sind Sie auf­ge­wach­sen?
In einer länd­li­chen Gegend nahe bei Braun­schweig, in einem klas­si­schen Ein­fa­mi­li­en­haus in Wed­del – heu­te durch die Wed­de­ler Schlei­fe bekannt. Nach dem Abitur in Braun­schweig habe ich dort bis zum Vor­di­plom Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten stu­diert und bin dann zusam­men mit vie­len Kom­mi­li­to­nen zur Lan­des­uni­ver­si­tät nach Göt­tin­gen gewech­selt. Da mein Bru­der hier Jura stu­dier­te, hat­te ich die Stadt bereits ken­nen und schät­zen gelernt.

Wel­che Rol­le spiel­te und spielt Göt­tin­gen für Ihr wei­te­res Leben?
Obwohl wir inzwi­schen in Ingeln bei Han­no­ver woh­nen – ähn­lich wie in mei­ner Jugend ist der Kirch­turm das höchs­te Gebäu­de und Fel­der rah­men das Dorf ein – ist und bleibt Göt­tin­gen ein zen­tra­ler Ort. Nicht nur, weil ich hier mein Stu­di­um abschloss und pro­mo­viert wur­de. Weil die Stadt schon damals ein guter „Hei­rats­markt“ war, lern­te ich hier auch mei­ne Frau ken­nen, mit der ich seit 38 Jah­re zusam­men bin. Auch unse­re drei Mädels, die ers­ten von ins­ge­samt fünf Kin­dern, wur­den hier gebo­ren. Vier von ihnen haben auch hier stu­diert und arbei­ten zum Teil noch hier. Das ging so weit, dass mir eine mei­ner Töch­ter vor Kur­zem erzähl­te, sie habe, bis sie zehn Jah­re alt war, geglaubt, dass man eigent­lich nur in Göt­tin­gen stu­die­ren kön­ne – und das, obwohl wir damals schon bei Han­no­ver wohn­ten. Dar­über hin­aus prägt die Stadt durch mei­ne Tätig­keit als Prä­si­dent der PFH Pri­va­te Hoch­schu­le Göt­tin­gen natür­lich bis heu­te mein Leben.

War es Lie­be auf den ers­ten Blick?
Es ging auf jeden Fall sehr schnell. Nicht nur, weil ich gleich zu Beginn dem Corps Teu­to­nia-Her­cy­nia Göt­tin­gen bei­trat, das ich durch mei­nen Bru­der schon als Abitu­ri­ent ken­nen­ge­lernt hat­te, erga­ben sich rasch neue Freund­schaf­ten und span­nen­de fächer­über­grei­fen­de Kon­tak­te. Auf die­se Wei­se „über den Tel­ler­rand zu schau­en“, emp­fand ich als ech­te Berei­che­rung. Auch mei­ne Frau, die Diplom-Bio­lo­gin ist und als Mikro­bio­lo­gin am Max-Planck-Insti­tut arbei­te­te, lern­te ich damals ken­nen, und wir sind bis heu­te mit einem sehr brei­ten Freun­des­kreis aus die­ser Zeit geseg­net.

Heu­te sind Sie Prä­si­dent der PFH, einer pri­va­ten Hoch­schu­le. Wäre auch eine Lauf­bahn an der Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen vor­stell­bar gewe­sen?
Vor­stell­bar sicher. Als Assis­tent des vor drei Jah­ren ver­stor­be­nen Prof. Lücke, bei dem ich auch pro­mo­viert wur­de, hat­te ich schon sehr früh und immer gern Kon­takt zur Leh­re. Über Prof. Lücke, der ja zu den Grün­dern der PFH gehör­te, kam dann die Fra­ge, ob ich mir eine Uni­kar­rie­re mit Habi­li­ta­ti­on vor­stel­len könn­te. Obwohl das natür­lich für einen 30-Jäh­ri­gen ein reiz­vol­les Ange­bot war, woll­te ich jedoch zuerst Pra­xis­er­fah­rung sam­meln. Wir, d. h. sowohl die Uni als auch die PFH, bil­den pri­mär unse­re Stu­die­ren­den für die Pra­xis aus. Ohne selbst dort tätig gewe­sen zu sein, konn­te das aus mei­ner Sicht nicht gelin­gen. Des­halb übte ich zwar wei­ter einen Lehr­auf­trag an der Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen und an der jun­gen PFH aus, wech­sel­te nach dem Stu­di­um aber zunächst zum Con­trol­ling des TUI-Kon­zerns nach Han­no­ver, wo ich zuletzt für den Bereich Betei­li­gungs­ma­nage­ment ver­ant­wort­lich war.

Wenn man für einen inter­na­tio­na­len Tou­ris­tik-Kon­zern arbei­tet, ist man dann stän­dig an attrak­ti­ven Urlaubs­or­ten unter­wegs?
Dazu kann ich nur sagen: Als mei­ne Freun­de in Göt­tin­gen hör­ten, dass ich zur TUI gehen wür­de, sag­ten sie: Das ist, als wür­de ein pas­sio­nier­ter Rad­fah­rer bei VW anfan­gen. Bis zu die­sem Zeit­punkt war ich noch nicht ein ein­zi­ges Mal geflo­gen und war wirk­lich kein gro­ßer Rei­sen­der. Das änder­te sich natür­lich, aber Dienst­rei­sen sind eben kein Urlaub, da geht’s vom Flug­ha­fen vor allem in ein Büro und wie­der zurück.

Wes­halb gin­gen Sie dann in die Tou­ris­tik-Bran­che?
Noch wäh­rend ich pro­mo­vier­te, mel­de­te sich der dama­li­ge Finanz­vor­stand der TUI, der jeman­den für einen gera­de im Auf­bau befind­li­chen Con­trol­ling-Bereich such­te. Das soll­te jemand sein, der nicht auf den Mund gefal­len war und sei­ne Posi­tio­nen auch den Vor­stän­den gegen­über selbst­be­wusst ver­tre­ten konn­te. Über Kon­tak­te nach Göt­tin­gen hat­te er gehört, dass ich mich auch als Assis­tent den Pro­fes­so­ren gegen­über behaup­ten kön­ne und „ein schar­fes Flo­rett“ füh­re. Nach einem Gespräch bei der TUI kehr­te ich dann etwas unschlüs­sig nach Göt­tin­gen zurück. Die Ent­schei­dung war jedoch längst gefal­len. Noch bevor ich wie­der zu Hau­se war, hat­te mein spä­te­rer Chef – ein ech­tes Schlitz­ohr – bereits mei­ne Frau ange­ru­fen und ihr von den vie­len Rei­sen erzählt, die mög­lich wür­den, wenn ich das Ange­bot anneh­men wür­de. Als ich dann zur Tür her­ein­kam, freu­te sie sich schon dar­auf, dass ich bald für die TUI arbei­ten wür­de, denn der Rei­se­muf­fel in der Fami­lie bin ich nicht mei­ne Frau.

Sie haben die Pra­xis­er­fah­run­gen ange­spro­chen. Was haben Sie gelernt?
Neben dem fach­li­chen Wis­sen und bran­chen­spe­zi­fi­schen Wis­sen war das vor allem die Fähig­keit, so zuzu­hö­ren, dass ich Pro­ble­me erken­nen und dann Lösun­gen anbie­ten konn­te. Ich war zwar schon immer ein recht guter Zuhö­rer, aber bei der TUI konn­te ich das wirk­lich noch ein­mal schär­fen.

Schließ­lich wech­sel­ten Sie dann jedoch zur PFH?
Ja. Ich war zu Beginn 1995 zwar durch­aus skep­tisch, ob das Pro­jekt erfolg­reich sein wür­de. Durch die Nähe zu Prof. Lücke war ich von Anfang an in alle Ideen ein­ge­bun­den und mir der Her­aus­for­de­run­gen bewusst. Aller­dings war klar, dass Göt­tin­gen ein­deu­tig eine Fach­hoch­schu­le fehl­te. Nach der Wen­de waren die Hör­sä­le voll­kom­men über­füllt. Manch­mal gab es Vor­le­sun­gen vor 1.000 Stu­die­ren­den. Als Assis­tent wuss­te ich außer­dem, wie wert­voll eine enge Zusam­men­ar­beit zwi­schen Leh­ren­den und Stu­die­ren­den war – und genau dar­auf lief das Kon­zept der PFH ja hin­aus. Und da das Ange­bot von dort wei­ter im Raum stand, ent­schied ich mich für eine Bewer­bung auf eine Pro­fes­sur, um es zumin­dest eine Zeit lang zu machen.

Wie reagier­te man bei der TUI?
Ich hat­te dort bereits auf das Ent­ste­hen einer span­nen­den neu­en Hoch­schu­le hin­ge­wie­sen und die TUI als Kura­tor für die PFH gewin­nen bzw. die Türen öff­nen kön­nen. 1999 brach­te sie sogar eine Stif­tungs­pro­fes­sur ein. Zwar hat­te sich der dama­li­ge Vor­stands­vor­sit­zen­de Dr. Ralf Cors­ten nicht gedacht, dass damit auch mein Wech­sel ein­her­gin­ge, aber er war sicher, dass ich nach drei bis vier Jah­ren zurück­keh­ren wür­de.

War­um hat er sich da geirrt?
Wäh­rend der End­pha­se mei­ner TUI Jah­re kam es zur Über­nah­me der TUI durch die Preus­sag AG, was sich natür­lich auch auf mei­ne Netz­wer­ke und Per­spek­ti­ven aus­wirk­te. Vor allem aber ent­wi­ckel­te sich die PFH zu einem wirk­lich erfolg­rei­chen Start­up. Zu Beginn der 2000er-Jah­re herrsch­te eine ech­te Auf­bruchs­stim­mung, die mich auch erfüll­te, denn als vier­ter dort beru­fe­ner Pro­fes­sor konn­te ich das von Beginn an mit­ge­stal­ten. Wir hat­ten damals zwölf Mit­ar­bei­ten­den und 200 Stu­die­ren­de – heu­te sind es 150 Mit­ar­bei­ten­de und 4.500 Stu­die­ren­de, die Hälf­te aller Stu­die­ren­den an pri­va­ten Hoch­schu­len in Nie­der­sach­sen. So wur­de ich 2003 Vize­prä­si­dent, 2008 Geschäfts­füh­rer und 2014 dann Prä­si­dent, wes­halb ich auch aus der Geschäfts­füh­rung aus­trat, da For­schung und Leh­re einer­seits und Finan­zen ande­rer­seits strikt getrennt gehö­ren.

Wäh­rend Ihrer Zeit an der PFH konn­ten Sie immer wie­der neue Stu­di­en­gän­ge eta­blie­ren. Wie kam es dazu?
Nach­dem wir mit Betriebs­wirt­schafts­leh­re und Wirt­schafts­in­for­ma­tik gestar­tet waren – zwei Fächer sind nötig, um als Hoch­schu­le zuge­las­sen zu wer­den – folg­te zunächst eine erfolg­rei­che Ent­wick­lung, bis ca. 2006 klar wur­de, dass wir wei­te­re Ange­bo­te bräuch­ten, um dau­er­haft eine unab­hän­gi­ge Finan­zie­rung zu gewähr­leis­ten. Dafür gibt es vier mög­li­che Ansät­ze. Zum einen die klas­si­sche Busi­ness­school, die wir ja waren. Der zwei­te Bereich ist das Fern­stu­di­um, das wir dann sehr erfolg­reich eta­blier­ten. Ein drit­ter Bereich besteht dar­in, kon­kre­te Lösun­gen für eine bestehen­de Nach­fra­ge der Wirt­schaft zu ent­wi­ckeln. Dar­aus ent­stand bei­spiels­wei­se unser Stu­di­en­an­ge­bot im Bereich koh­len­stoff­fa­ser­ver­stärk­ter Kunst­stof­fe soge­nann­ter Com­po­si­tes. Als sich im Zusam­men­hang mit der Schlie­ßung einer Hoch­schu­le in Bux­te­hu­de – zu der Bernt R.A. Sier­ke und ich als Bera­ter hin­zu­ge­zo­gen wur­den – her­aus­stell­te, dass der Air­bus-Kon­zern sich einen ent­spre­chen­den Stu­di­en­gang wünsch­te, habe ich vor­ge­schla­gen, dazu einen Mas­ter-Stu­di­en­gang an der PFH ein­zu­rich­ten. Ich erin­ne­re mich noch, wie der Ver­ant­wort­li­che mir damals sag­te: „Mensch, Herr Albe, das ist das ers­te Mal, dass mir jemand mit einer Lösung kommt und sich nicht zuerst eine Stif­tungs­pro­fes­sur wünscht. Spä­ter haben wir aller­dings doch eine sol­che bekom­men und sie 18 Jah­re behal­ten. Nach­dem wir die Inge­nieur­wis­sen­schaf­ten dann tat­säch­lich auf­ge­baut hat­ten, rief Hans Georg Näder von Otto­bock an. „Sie trau­en sich ja was“, mein­te er und frag­te, ob wir für sei­ne Bran­che die Aka­de­mi­sie­rung des Ortho­pä­die­tech­nik-Hand­werks umset­zen könn­ten. Das haben wir dann 2011 mit dem Ort­ho­bio­nik-Stu­di­en­gang rea­li­siert.

Sie haben von vier Berei­chen gespro­chen?
Der vier­te Ansatz besteht dar­in, eine Nach­fra­ge nach Stu­di­en­plät­zen auf­zu­grei­fen, die von staat­li­chen Hoch­schu­len nicht befrie­digt wird. Mein Freund, Mit­grün­der der PFH und Vor­gän­ger als Prä­si­dent Bernt R. A. Sier­ke hat­te hier die Idee, unser Fern­stu­di­um, um das Fach Psy­cho­lo­gie zu erwei­tern. Wir haben uns dann mit Jür­gen Hog­re­fe unter­hal­ten, des­sen Ver­lag in die­sem Bereich breit auf­ge­stellt war. Eine Stun­de nach dem Gespräch began­nen die Vor­be­rei­tun­gen, und 2014 ging es los. Mit heu­te ca. 2.000 Stu­die­ren­den – und einem fächer­ty­pi­schen hohen Frau­en­an­teil unter­schied­li­cher Beru­fe, wie Erzie­he­rin­nen, Poli­zis­tin­nen oder Leh­re­rin­nen, die das meist berufs­be­glei­tend machen – haben wir uns seit­her extrem erfolg­reich posi­tio­niert.

Ange­sichts der Ent­wick­lung der PFH sind Sie ein beson­de­res Orga­ni­sa­ti­ons­ta­lent?
Zum Orga­ni­sie­ren brau­che ich immer ande­re. Ich bin eher ein Gestal­ter, Ideen­ge­ber und Netz­wer­ker. Mei­ne Moti­va­ti­on ist es, unse­re Erkennt­nis­se aus der For­schung über die Leh­re in die Gesell­schaft zu über­tra­gen. Das sehe ich auch als gesell­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung. Als Hoch­schu­len müs­sen wir für eine Gesell­schaft, die von lebens­lan­gem Ler­nen geprägt ist, Brü­cken bau­en, nicht nur in die Arbeits­welt, son­dern auch in die Schu­len hin­ein.
Wir unter­hal­ten uns auf Ihre Anre­gung hin im Deut­schen Thea­ter. An die­ser Stel­le ein herz­li­ches Dan­ke­schön an den Inten­dan­ten Erich Sid­ler, der sein Haus nor­ma­ler­wei­se nicht in die­ser Wei­se öff­net. Was steckt dahin­ter?
Eben­so wie für Herrn Sid­ler sind auch für mich Bil­dung und Kul­tur untrenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den. Bei­de Berei­che bezie­hen sich in ganz unter­schied­li­cher Wei­se auf­ein­an­der. Bei­spiels­wei­se über­le­gen wir gera­de, wie wir thea­ter­päd­ago­gi­sche Ansät­ze zur Ver­mitt­lung von FutureS­kills an unse­re Stu­die­ren­den ein­set­zen kön­nen. Als Hoch­schul­leh­rer geht es mir außer­dem dar­um, unse­re Stu­die­ren­den auf ihre Zukunft vor­zu­be­rei­ten. Dazu gehört, ihnen Pro­blem­lö­sungs­kom­pe­ten­zen zu ver­mit­teln, und dazu sind aus mei­ner Sicht die Metho­den des Thea­ters gut geeig­net: Auf einer Büh­ne zu ste­hen, ein Stück zu ler­nen, zu impro­vi­sie­ren … – all die­se Fähig­kei­ten sind heu­te gefragt.
Auch grund­sätz­lich ist doch unse­re Vor­stel­lung von Wis­sen und Bil­dung eng mit unse­rer Kul­tur ver­bun­den, und die Kul­tur setzt sich wech­sel­sei­tig auf vie­len Ebe­nen mit der Art aus­ein­an­der, wie unse­re Bil­dung und unser Wis­sen unse­re Gesell­schaft prä­gen. Nicht zuletzt bin ich aber auch per­sön­lich ein gro­ßer Fan des Thea­ters.

Wann haben Sie die­se Lei­den­schaft für das Thea­ter ent­deckt?
Als ich Braun­schweig ver­ließ und nach Göt­tin­gen kam, gin­gen wir eben nicht nur ins Kino, son­dern auch ins Thea­ter. Das DT war inno­va­tiv und zugleich hat­te es etwas Nahes und Über­schau­ba­res. Man sah die Schau­spie­le­rin­nen und Schau­spie­ler nicht nur auf der Büh­ne, son­dern auch in der Stadt. Hin­zu kam, dass ich damals vie­le der Exis­ten­zia­lis­ten, wie Camus, Sart­re oder Simo­ne de Beau­voir, las – und als Letz­te­re 1986 starb, gab es gleich dar­auf eine spon­tan orga­ni­sier­te Lesung des Deut­schen Thea­ters. Das war ein­fach beein­dru­ckend.

Wie sehen Sie die hohen Kos­ten, die ange­sichts der nöti­gen Sanie­rung des Deut­schen Thea­ters aktu­ell dis­ku­tiert wer­den?
Sicher ist, dass das 134 Jah­re alte Haus aus allen Näh­ten platzt. Auch der Anbau, den der Göt­tin­ger Archi­tekt Bran­di gestal­te­te, ist nicht in allen Belan­gen glück­lich. Es ist also klar, dass Geld aus­ge­ge­ben wer­den muss. Natür­lich sind die aktu­ell im Raum ste­hen­den Sum­men sehr hoch, aber wir ste­hen auch erst am Anfang der Dis­kus­si­on. In jedem Fall soll­te es einer Gesell­schaft wert sein, sich ein Thea­ter zu leis­ten. Doch das Aus­maß der Kos­ten muss ange­sichts der Fra­ge, ob es dabei vor allem die Bedürf­nis­se des „Ost­vier­tels“ und des Göt­tin­ger Bil­dungs­bür­ger­tums geht, sicher­lich sehr gut erklärt wer­den. Aber wenn wir uns als Kul­tur­na­ti­on ver­ste­hen, müs­sen wir als Bür­ger auch bereit sein, etwas dafür aus­zu­ge­ben, und nicht ein­fach erwar­ten, dass der Staat das macht, und gleich­zei­tig kri­ti­sie­ren, wie viel es ist. Die Situa­ti­on ist schwie­rig, und ich bin froh nicht in poli­ti­scher und unter­neh­me­ri­scher Ver­ant­wor­tung zu ste­hen aber zugleich ger­ne durch einen rota­ri­schen Freund Mit­glied des För­der­ver­eins des Deut­schen Thea­ter gewor­den.

Sie haben erwähnt, dass Sie in Göt­tin­gen einem Corps bei­getre­ten sind. Spielt das noch heu­te eine Rol­le in Ihrem Leben?
Ja, ich will das nicht zu hoch hän­gen, aber es han­delt sich um ein Lebens­bund­prin­zip und als „Alter Herr“ bin ich noch immer mehr oder weni­ger aktiv und habe das Corps nach einer sehr ange­neh­men Akti­ven­zeit als ech­ten Freun­des­bund über Gene­ra­tio­nen hin­weg schät­zen gelernt. Ent­schei­dend war dabei, dass Corps gene­rell unpo­li­tisch sind und Teu­to­nia-Her­cy­nia Göt­tin­gen im Spe­zi­el­len zwei poli­ti­sche Beson­der­hei­ten auf­weist: Einer unse­rer Grün­der war Wil­helm Pie­per der Pri­vat­se­kre­tär von Karl Marx im eng­li­schen Exil – über sei­nen Sche­ren­schnitt steht „Nie­der mit dem Eigen­tum“ – und ein wei­te­res Mit­glied Georg Diede­richs, von 1961-1970 nie­der­säch­si­scher Minis­ter­prä­si­dent, war ein auf­rech­ter Sozi­al­de­mo­krat.

In Ihrem Corps wird gefoch­ten, was heu­te für vie­le Men­schen ein schwie­ri­ger Aspekt ist. Wie gehen Sie damit um?
Das aka­de­mi­sche Fech­ten ist eine Tra­di­ti­on, die heu­te sicher für vie­le nicht mehr in die Zeit passt. Wenn ich ande­rer­seits sehe, was jun­ge Men­schen heu­te machen – Fall­schirm­sprün­ge, Tau­chen, Auto­wett­ren­nen à la James Dean – so etwas wür­de ich wie­der­um nie tun. His­to­risch betrach­tet, ent­stand die­se Tra­di­ti­on aus einem Pri­vi­leg, das Stu­die­ren­den schon im 16. Jh. von Kai­ser Maxi­mi­li­an ver­lie­hen wur­de. Weil sie von Leh­ren­dem zu Leh­ren­dem rei­sen muss­ten, durf­ten sie zu ihrem Schutz als ein­zi­ger Stand neben dem Adel Waf­fen tra­gen. Und wenn sie sich dann tra­fen, dann maßen sie sich eben manch­mal auch im Umgang mit ihren Waf­fen.
Inso­fern ist das Fech­ten ein Initia­ti­ons­ri­tus. Es gibt vie­le Regeln, damit nie­mand ver­letzt wird und es sind heu­te Bestim­mungs­men­su­ren, die kei­nen Duell­cha­rak­ter haben, dass haben Vor­gän­ger­ge­ne­ra­tio­nen gera­de auch aus Göt­tin­gen unse­rem Bun­des­prä­si­den­ten Heuss in die Hand ver­spro­chen. Alles in allem kann ich aber jeden ver­ste­hen, der das kri­tisch sieht oder dem sich die­se Tra­di­ti­on nicht erschließt.

Auch wenn Corps aus Prin­zip unpo­li­tisch sind – vie­le Ver­bin­dun­gen sind es nicht, son­dern bewe­gen sich in einem reak­tio­nä­ren bis neu-rech­ten Spek­trum. Kann man die­sen Ten­den­zen aus dem Weg gehen?
Ja. Davon habe ich mich bewusst immer fern­ge­hal­ten. Natür­lich gibt es auch in Corps Men­schen mit poli­ti­schen Mei­nun­gen, mit denen man eigent­lich nichts zu tun haben will. Aus der Corps­ge­mein­schaft ergibt sich jedoch, dass man dazu gebracht wird, sich in Form eines demo­kra­ti­schen Dis­kur­ses zu strei­ten. Und das ist etwas, das heu­te häu­fig zu kurz kommt, weil man Anders­ge­sinn­ten leich­ter aus dem Weg gehen kann. Ich lie­be in die­ser Hin­sicht den Dis­kurs, der ger­ne auch iro­nisch und mit Wort­witz began­gen wer­den kann.

Und was ist mit die­ser Wahr­neh­mung, dass Corps­brü­der ein­an­der bei der beruf­li­chen Kar­rie­re unter­stüt­zen?
Abge­se­hen davon, dass es die­se Art nütz­li­cher Netz­wer­ke natür­lich in allen gesell­schaft­li­chen Berei­chen gibt, spielt so etwas heu­te kei­ne Rol­le mehr. Wer des­halb einem Corps bei­tritt, macht einen Feh­ler. Heu­te kann es sich nie­mand mehr leis­ten, einen „Under-Per­for­mer“ zu unter­stüt­zen, nur weil man im sel­ben Corps ist. Aus mei­ner Sicht ist es vor allem nütz­lich, dass man in einem Corps über den Kon­takt zu den Alten Her­ren schon als jun­ger Mensch den Umgang mit ganz unter­schied­li­chen Alters- und Berufs­grup­pen sowie deren Mei­nun­gen erler­nen kann. Ich war zwar nie ein schüch­ter­nes Kind, aber in die­sen Situa­tio­nen habe ich vie­les gelernt, was ich spä­ter ein­set­zen konn­te.

Sie haben fünf Kin­der erwähnt, die zum Teil in Göt­tin­gen stu­dier­ten. Sind die auch in Ihrem Corps?
Wir haben drei Töch­ter und zwei Söh­ne, von denen einer ein­ge­tre­ten ist und der ande­re bewusst gesagt hat, das ist nichts für mich. In die­sem Zusam­men­hang: Eine mei­ner Töch­ter Ali­cia-
Con­stan­ze – ein Zwil­lings­kind – ist eine Woche nach ihrer Geburt gestor­ben. Sie wäre nach einer Sau­er­stoff­un­ter­ver­sor­gung wäh­rend der Geburt wahr­schein­lich behin­dert gewe­sen. Dass ich mich heu­te auch im Kura­to­ri­um der Spe­cial Olym­pics enga­gie­re, hat ein wenig auch mit ihrem Ver­lust zu tun.
Im letz­ten Jahr fan­den die Spe­cial Olym­pics Spie­le der kogni­tiv ein­ge­schränk­ten Men­schen in Deutsch­land statt. In Göt­tin­gen war das süd­afri­ka­ni­sche Team zu Gast. Ich fän­de es schön, wenn wir in der Zukunft hier auch die nie­der­säch­si­schen Lan­des­meis­ter­schaf­ten aus­rich­ten könn­ten. Vor Jah­ren haben wir von der PFH aus Stu­die­ren­de als Schieds­rich­ter zu den Wett­kämp­fen ver­mit­telt – es ging dar­um, prak­ti­sche Social Skills anzu­wen­den, Hin­ter­her kamen die zuerst skep­ti­schen Stu­die­ren­den wie­der und erzähl­ten, wie beein­dru­ckend es war, mit­zu­er­le­ben mit wel­cher Freu­de die Teil­neh­men­den an ihre Gren­zen gin­gen.

Sie sind 60 Jah­re alt; denkt man da bereits an den Ruhe­stand?
Natür­lich bin ich mir mei­nes Alters bewusst. Inso­fern befin­de ich mich auch mit Blick auf mei­ne Nach­fol­ge in einer Über­gangs­pha­se. Aber als die Eigen­tü­mer der PFH im Jah­re 2020 wech­sel­ten, sag­ten die Alt­ge­sell­schaf­ter, dass ich mir aus­su­chen sol­le, wel­ches Ange­bot ange­nom­men wür­de, da ich ja noch lan­ge mit den neu­en Eigen­tü­mern zusam­men­ar­bei­ten müss­te. Es wur­de dann auch tat­säch­lich das fran­zö­si­sche Unter­neh­men, das ich mir gewünscht hat­te, und auch des­halb habe ich noch sehr viel Freu­de an mei­nem Beruf. Wenn ich danach gefragt wer­de, bezeich­ne ich mich oft als Hoch­schul­ma­na­ger. Trotz sin­ken­der Stu­die­ren­den­zah­len wächst der Bereich Pri­vat­hoch­schu­le ins­be­son­de­re im Bereich Fern­stu­di­um und inter­na­tio­na­le Stu­die­ren­de wei­ter, und es macht mir viel Spaß, die­se Ent­wick­lung an der PFH mit­zu­ge­stal­ten. Dabei geht es dar­um, dass ich mei­nen Kol­le­gen und Kol­le­gin­nen in der Leh­re und For­schung und den Stu­die­ren­den ein gutes Umfeld schaf­fen möch­te. Dazu gehört auch, Stu­die­ren­de und Alum­ni bei ihrer beruf­li­chen Ent­wick­lung oder einer even­tu­el­len Unter­neh­mens­grün­dung zu beglei­ten. Unser Zen­trum für Entre­pre­neur­ship ist ein wirk­lich erfolg­rei­ches Ange­bot in einem Bereich, den die Uni­ver­si­tät aus mei­ner Sicht lan­ge sträf­lich ver­nach­läs­sigt hat. Und nicht zuletzt habe ich nie auf­ge­hört, selbst zu leh­ren – die Freu­de dar­an beglei­tet mich bereits mein gan­zes Leben.

Frank Albe und DT-Inten­dant Erich Sid­ler

Prof. Dr. Frank Albe
Frank Albe (gebo­ren 1964) pro­mo­vier­te an der Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen als Assis­tent von Pro­fes­sor Dr. Dr. h.c. Wolf­gang Lücke am Insti­tut für Pro­duk­ti­ons- und Inves­ti­ti­ons­for­schung Abtei­lung Indus­tri­el­les Manage­ment mit einer Arbeit über das Koope­ra­ti­ons­con­trol­ling.
Im Anschluss wech­sel­te er in den Bereich Kon­zern­con­trol­ling zur TUI GmbH & Co. KG, wo er an der Neu­aus­rich­tung des Kon­zern- und des Inves­ti­ti­ons­con­trol­ling mit­wirk­te und für zahl­rei­che Mer­ger & Aqui­si­ti­ons ver­ant­wort­lich zeich­ne­te. Zuletzt ver­ant­wor­te­te er als Lei­ter im Betei­li­gungs­con­trol­ling des TUI Kon­zerns die Ver­an­stal­ter Euro­pa Mit­te sowie die Hotel- und Ziel­ge­biets­be­tei­li­gun­gen.
Im Okto­ber 2000 nahm er den Ruf auf den Lehr­stuhl für all­ge­mei­ne Betriebs­wirt­schafts­leh­re, ins­be­son­de­re Tou­ris­mus­ma­nage­ment und Con­trol­ling, an die PFH Pri­va­te Hoch­schu­le Göt­tin­gen an. Seit 2003 beklei­det er das Amt des Vize­prä­si­den­ten, und von 2004 -2007 war er Lei­ter des Insti­tuts zur Ent­wick­lung der Wirt­schafts­kom­pe­tenz von Poli­ti­kern (IEWP). Im Herbst 2014 erfolg­te sei­ne Wahl zum Prä­si­den­ten der Hoch­schu­le.

Stu­den­ti­sche Corps
Die stu­den­ti­schen Corps haben sich aus den Lands­mann­schaf­ten ent­wi­ckelt. Die­se soll­ten Stu­die­ren­den aus jeweils bestimm­ten Her­kunfts­re­gio­nen – im Fal­le des Teu­to­nia-Her­cy­nia des Har­zes – in den für sie frem­den und oft weit von zu Hau­se ent­fern­ten Uni­ver­si­täts­städ­ten Unter­stüt­zung und freund­schaft­li­che Kon­tak­te bie­ten. Ihre zumeist bür­ger­li­chen Mit­glie­der betei­lig­ten sich dann 1848 häu­fig an den revo­lu­tio­nä­ren For­de­run­gen. 1848 wur­de dann der der Köse­ner Dach­ver­band gegrün­det und vie­le waren in der Pauls­kir­che beim ers­ten Demo­kra­tie­ver­such in Deutsch­land betei­ligt War die Mit­glied­schaft zunächst nur auf die Stu­di­en­zeit aus­ge­legt, ent­wi­ckel­te sich spä­ter das Kon­zept einer lebens­lan­gen Mit­glied­schaft bei der die „Alten Her­ren“ durch ihre Bei­trä­ge den Stu­die­ren­den das Woh­nen zu redu­zier­ten Kos­ten in eige­nen Häu­sern ermög­lich­ten.

Die Göt­tin­ger Hoch­schul­land­schaft
Auch aus Sicht der PFH ist die Zusam­men­ar­beit der Göt­tin­ger Hoch­schu­len gut bis sehr gut. „Bei­spiels­wei­se“, erläu­tert Frank Albe, „arbei­ten wir am Süd­nie­der­sach­sen Inno­va­ti­ons­cam­pus (SNIC) oder in der Süd­nie­der­sach­sen­stif­tung gemein­sam mit der Uni­ver­si­tät, der UMG und vie­len wei­te­ren an Bil­dungs­an­ge­bo­ten. Ein anders gear­te­tes Bei­spiel ist die Ort­ho­bio­nik. Da haben wir an der PFH wirk­lich seit 2010 etwas in Deutsch­land, man kann sagen sogar euro­pa­weit Ein­zig­ar­ti­ges geschaf­fen. Als Nie­der­sach­sen und Hans-Georg Näder ankün­dig­ten, dass die­ses erfolg­rei­che Ange­bot zukünf­tig kos­ten­los – sprich steu­er­fi­nan­ziert – ange­bo­ten wer­den soll­te, haben wir uns nach anfäng­li­chem Ärger dazu ent­schie­den, einen frik­ti­ons­lo­sen Über­gang an die HAWK zu gestal­ten. Für den Gesund­heits­cam­pus ist es so etwas wie ein „miss­ing link“ zwi­schen Tech­nik und Gesund­heit und was noch wich­ti­ger ist, es bleibt für Süd­nie­der­sach­sen erhal­ten und hilft der HAWK. Damit die aus­ge­zeich­ne­te Qua­li­tät gehal­ten wer­den kann, haben wir sogar unse­re Pro­fes­so­ren und wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ten­de trans­fe­riert. Das ist ein­zig­ar­tig in der deut­schen Hoch­schul­land­schaft.“