Labor für Laser­me­di­zin

Im Cha­rak­ter-Inter­view gehen Prof. Dr. Chris­toph Ruß­mann und Prof. apl. Prof. Dr. Wolf­gang Viöl von der HAWK auf ihre Per­spek­ti­ve zur ent­ste­hen­den Life-Sci­ence-Regi­on und auf die Bedeu­tung der Inge­nieur­wis­sen­schaf­ten für eine erfolg­rei­che Ent­wick­lung ein.

Text: Ulrich Drees | Fotos: Mari­us Maa­se­werd / HAWK

Herr Ruß­mann, Ihre beruf­li­chen Tätig­kei­ten ermög­li­chen es Ihnen, das The­ma Life Sci­en­ces von einer inter­na­tio­na­len Per­spek­ti­ve aus zu betrach­ten. Wor­um geht es dabei gera­de?
Wir ste­hen am Beginn des Mega­trends Life Engi­nee­ring, d. h. der Fokus liegt weni­ger auf der Wis­sen­schaft, son­dern wesent­lich stär­ker auf den Inge­nieur­aspek­ten, mit dem Ziel, bahn­bre­chen­de Erkennt­nis­se schnel­ler in Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen umzu­wan­deln. Für die­sen Ansatz ern­te­te der legen­dä­re NVI­DIA-Grün­der Jen­sen Huang auf der dies­jäh­ri­gen Zusam­men­kunft des World Govern­ment Sum­mit in Dubai sei­tens des inter­na­tio­na­len Fach­pu­bli­kums viel Zuspruch. Auch zwei der dies­jäh­ri­gen Nobel­prei­se für Che­mie wur­den letzt­lich in die­sem Sin­ne ver­ge­ben, denn mit der KI-basier­ten Alpha-Fold-Soft­ware der Goog­le-Toch­ter Deep­Mind ist jetzt das welt­weit genau­es­te Werk­zeug für ein erfolg­rei­ches Pro­te­in­struk­tur­vor­her­sa­ge ver­füg­bar. Das The­ma Life Engi­nee­ring betrifft bei uns das Gebiet der Bio- und Medi­zin­tech­nik aber auch klas­si­sche Inge­nieur­dis­zi­pli­nen von der Infor­ma­tik, Mess­tech­nik bis zur Robo­tik und Auto­ma­ti­sie­rung von Labo­ren. Jetzt bricht also die Zeit der Inge­nieur­ar­beit an – und da sind wir als HAWK mit­ten­drin.

Herr Viöl, wie sehen Sie die HAWK im Kon­text „Life Sci­en­ces“ auf­ge­stellt?
Theo­re­ti­sche Erkennt­nis­se in prak­ti­sche Anwen­dun­gen umzu­set­zen – das ist natür­lich genau das, was wir bei der HAWK machen. Wir bil­den mit unse­ren Stu­di­en­an­ge­bo­ten ja bereits die Life Sci­en­ces, Health – gemein­sam mit der UMG – und Inge­nieur­wis­sen­schaf­ten ab. Unse­re Absol­ven­ten/-Innen sind nicht nur gefragt, sie rea­li­sie­ren erfolg­rei­che Pro­jek­te. Aktu­ell besteht hier ange­sichts der brei­ten For­schungs­ka­pa­zi­tä­ten der Max-Planck-Insti­tu­te und der Fakul­tä­ten der Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen in Rela­ti­on zu den Mög­lich­kei­ten der HAWK aller­dings noch ein kla­res Ungleich­ge­wicht zwi­schen der Grund­la­gen­for­schung und der ange­wand­ten For­schung und Inge­nieur­wis­sen­schaf­ten. Im Ver­hält­nis zu den Stu­die­ren­den, die in der For­schung aus­ge­bil­det wer­den, bräuch­ten wir sehr viel mehr, die sich in den klas­si­schen Inge­nieur­be­ru­fen aus­bil­den las­sen. Aktu­ell könn­ten wir an der HAWK dop­pelt so vie­le Stu­die­ren­de aus­bil­den, wie wir es tun. Eigent­lich wür­den aber vier­mal so vie­le benö­tigt, um den ste­tig wach­sen­den Bedarf abzu­de­cken. Dem­entspre­chend sind unse­re Absol­ven­ten/-Innen auf dem Stel­len­markt gefragt. Momen­tan lässt sich die Situa­ti­on mit einem Trich­ter ver­glei­chen, denn für die Pro­dukt­ent­wick­lung braucht es sehr viel mehr Men­schen als für die For­schung. Um deren Erkennt­nis­se in prak­ti­sche Anwen­dun­gen und Unter­neh­mens­grün­dun­gen zu ent­wi­ckeln, sind näm­lich Kom­pe­tenz in Sachen Pro­dukt­ent­wick­lung, Inge­nieur­kom­pe­ten­zen, Medi­zin­tech­nik und gesetz­li­cher Vor­schrif­ten gefragt. Und die wer­den in den hoch­kom­ple­xen Life-Sci­ence-Fächern nicht an klas­si­schen Uni­ver­si­tä­ten, son­dern bei uns ver­mit­telt.

Herr Ruß­mann, was ist jetzt nötig, damit Süd­nie­der­sach­sen sich zu einer erfolg­rei­chen Life-Sci­ence-Regi­on ent­wi­ckelt?
Wie Wolf­gang Viöl beschreibt, ver­fü­gen wir als HAWK bereits über ein gro­ßes Poten­zi­al, die Trans­la­ti­on von wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen in Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen vor­an­zu­brin­gen. Wich­tig wäre ein Wan­del in der Wahr­neh­mung, wie die Umset­zung von For­schungs­er­geb­nis­sen in Anwen­dun­gen, die von flo­rie­ren­den Unter­neh­men ver­kauft wer­den, über­haupt funk­tio­niert. Nicht nur bei der Bera­tung von Start­ups sto­ße ich immer wie­der auf die Erwar­tung, dass mit einer ent­spre­chen­den Ver­öf­fent­li­chung in einem aner­kann­ten, wis­sen­schaft­li­chen Fach­ma­ga­zin ein Groß­teil der Arbeit erle­digt ist. In Wirk­lich­keit ist es genau anders­her­um. Die eigent­li­che Arbeit kommt noch. Pro­duk­te müs­sen so gestal­tet wer­den, dass sie unter den rea­len Bedin­gun­gen funk­tio­nie­ren. Medi­zin­tech­nik muss nicht nur sehr sorg­sam ent­wi­ckelt wer­den, damit sie sicher und wirk­sam ist, son­dern auch in auf­wen­di­gen und kom­ple­xen Ver­fah­ren zuge­las­sen wer­den. Ihr Preis muss stim­men, und es braucht Fer­ti­gungs­pro­zes­se und Anla­gen, um ent­spre­chen­de Men­gen her­zu­stel­len. Für all das sind in der Regel Inge­nieu­re/-Innen ver­ant­wort­lich. Genau des­halb kom­men alle unse­re Pro­fes­so­ren/-Innen aus der Wirt­schaft und der Indus­trie oder gehen wie Wolf­gang Viöl selbst in die unter­neh­me­ri­sche Ver­ant­wor­tung, und des­halb haben Wolf­gang Viöl und ich eine Pflicht­vor­le­sung Entre­pre­neur­ship als Teil unse­res Medi­zin­tech­nik-Stu­di­ums eta­bliert. Rea­le For­schungs­pro­jek­te die­nen hier als Fall­bei­spie­le, an denen die Stu­die­ren­den For­schungs­ideen in kon­kre­te Pro­dukt­ideen, Busi­ness­plä­ne sowie Zulas­sungs­stra­te­gien für Medi­zin­pro­duk­te ent­wi­ckeln. Inso­fern sind wir prin­zi­pi­ell gut auf­ge­stellt, unse­ren Bei­trag zu einer Life-Sci­ence-Regi­on zu leis­ten.
Dafür ist jedoch eine nach­hal­ti­ge Finan­zie­rung von zen­tra­ler Bedeu­tung. Nur so lässt sich aus guten Ideen auch etwas machen. Sich zu einer Life-Sci­ence-Regi­on zu beken­nen, ist natür­lich ein wich­ti­ger ers­ter Schritt, doch wie es wei­ter­geht, wird vor allem davon abhän­gen, ob genü­gend Mit­tel in die ver­schie­de­nen Pro­jek­te flie­ßen. Hier gilt es aus mei­ner Sicht dar­um, wirk­lich groß zu den­ken, um auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne mit­hal­ten zu kön­nen.

Herr Viöl, was muss aus Ihrer Sicht gesche­hen?
Neben dem Aus­bau unse­rer Poten­zia­le müs­sen wir vor allem zusätz­li­che Stu­die­ren­de begeis­tern. Dafür haben wir gute Argu­men­te. Bei­spiels­wei­se die Erfah­rung, dar­an mit­zu­wir­ken, wenn medi­zi­ni­sche Inno­va­tio­nen durch unse­re Arbeit so ange­wen­det wer­den kön­nen, dass Pati­en­ten/-Innen spür­bar davon pro­fi­tie­ren. Das ist ein­fach schön. Dar­über hin­aus bie­tet unse­re Aus­bil­dung den Stu­die­ren­den eine Rie­sen­chan­ce für ihre beruf­li­che Ent­wick­lung.
Natür­lich kann aber auch die HAWK selbst pro­fi­tie­ren. Was wir jetzt brau­chen, sind die nöti­gen finan­zi­el­len Mit­tel. Dazu haben wir bei der VW-Stif­tung bereits einen Antrag zur Grün­dung eines spe­zi­fi­schen Life-Engi­nee­ring-Zen­trums ein­ge­bracht. Zwar ist es in der gegen­wär­ti­gen Situa­ti­on, in der die öffent­li­che Hand mas­siv spa­ren muss, nicht ein­fach, aber zusam­men mit ver­schie­de­nen Part­nern bemü­hen wir uns dar­um, ent­spre­chen­de För­der­richt­li­ni­en auf ein gemein­sa­mes Ziel hin zu bün­deln. Dabei geht es vor allem dar­um, die Syn­er­gien einer fakul­täts­über­grei­fen­den Zusam­men­ar­beit zu nut­zen und vor­han­de­ne Res­sour­cen bes­ser aus­zu­las­ten.
Abschlie­ßend schla­ge ich vor, uns von Beginn an als zen­tra­len Bau­stein und wert­vol­len Part­ner in die Gestal­tung einer erfolg­rei­chen Life-Sci­ence-Regi­on ein­zu­bin­den. Natür­lich ken­nen uns die Akteu­re, von der Kreis­ebe­ne über die Stadt bis zum Land Nie­der­sach­sen und den gro­ßen Unter­neh­men. Doch ich glau­be, dass sie sich noch deut­li­cher bewusst sein könn­ten, wel­che Bedeu­tung wir für das Gelin­gen einer Life-Sci­ence-Regi­on haben kön­nen, sowohl was unse­re inhalt­li­chen Ange­bo­te angeht als auch über unse­re brei­ten, bereits bestehen­den Netz­wer­ke in die Indus­trie sowie zu För­der­mit­tel- und Risi­ko­ka­pi­tal­ge­bern.

Plas­ma­l­äu­se­bürs­te

Prof. Dr. Chris­toph Ruß­mann
Dekan Gesund­heit der HAWK Hoch­schu­le für ange­wand­te Wis­sen­schaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen und Lei­ter des For­schungs­schwer­punk­tes Gesund­heit, Tech­nik, Digi­ta­li­sie­rung

Prof. apl. Prof. Dr. Wolf­gang Viöl
Vize­prä­si­dent für For­schung und Trans­fer der HAWK Hoch­schu­le für ange­wand­te Wis­sen­schaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen und Lei­ter des For­schungs­schwer­punk­tes Laser- und Plas­ma­tech­no­lo­gie

HAWK Hoch­schu­le für ange­wand­te Wis­sen­schaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen
Die HAWK ist eine staat­li­che Fach­hoch­schu­le mit Haupt­sitz in Hil­des­heim. Sie ent­stand als Zusam­men­schluss aus meh­re­ren Vor­gän­ger­ein­rich­tun­gen für Hand­werk, Bau­ge­wer­be und Sozi­al­päd­ago­gik mit den Stand­or­ten Hil­des­heim, Holz­min­den und Göt­tin­gen. Am Stand­ort Göt­tin­gen sind die Fakul­tä­ten für Inge­nieur­wis­sen­schaf­ten und Gesund­heit sowie Res­sour­cen­ma­nage­ment ange­sie­delt, an denen ca. 2.000 Stu­die­ren­de aus­ge­bil­det wer­den. Im Win­ter­se­mes­ter 2016/17 eröff­ne­te die HAWK in Koope­ra­ti­on mit der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen (UMG) den Gesund­heits­cam­pus Göt­tin­gen, an dem u. a. die Medi­zin­tech­nik und Ort­ho­bio­nik ange­sie­delt sind. Seit 2016 arbei­tet die HAWK auch in Koope­ra­ti­on mit dem Anwen­dungs­zen­trum des Fraun­ho­fer Insti­tuts für Schicht- und Ober­flä­chen­tech­nik (IST) in der Part­ner­schaft „Plas­ma for Life“ dar­an, die Poten­zia­le der Laser- und Plas­ma­tech­no­lo­gie im Bereich Ober­flä­chen­tech­nik zu bün­deln.
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