ZEISS Intra­beam 600 Boden­sta­tiv für die intra­ope­ra­ti­ve Bestrah­lung von Hirn­me­ta­sta­sen

An der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen wur­de ein weg­wei­sen­des Ver­fah­ren für die Behand­lung von Hirn­me­ta­sta­sen ein­ge­führt: die intra­ope­ra­ti­ve Strah­len­the­ra­pie (IORT). Sie ermög­licht eine sofor­ti­ge Bestrah­lung wäh­rend der OP – effek­ti­ver, scho­nen­der und mit poten­zi­ell bes­se­ren Ergeb­nis­sen.

Text: PD Dr. Char­lot­te Flüh | Fotos: pri­vat, ZEISS
Im Jahr 2023 wur­den knapp 1,44 Mil­lio­nen Men­schen in Deutsch­land sta­tio­när wegen einer Krebs­er­kran­kung behan­delt – mit stei­gen­der Ten­denz. Tumor­er­kran­kun­gen sind die zweit­häu­figs­te Todes­ur­sa­che in Deutsch­land und damit ein hoch­re­le­van­tes The­ma für Ärz­tin­nen und Ärz­te sowie Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. Das Auf­tre­ten von Hirn­me­ta­sta­sen ist in der Regel mit einer pal­lia­ti­ven Pro­gno­se, also einer Nicht-Heil­bar­keit des Tumors, ver­bun­den. Dies hängt mit der soge­nann­ten Blut-Hirn-Schran­ke, mit dem oft schlech­ten Anspre­chen von Hirn­me­ta­sta­sen auf Che­mo­the­ra­peu­ti­ka zusam­men. Trotz­dem ver­bes­sert sich die Behan­del­bar­keit und die Über­le­bens­zeit von Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit Tumor­lei­den und Hirn­me­ta­sta­sen fort­wäh­rend. Nicht nur die Über­le­bens­zeit, son­dern auch die Lebens­qua­li­tät ist bei Per­so­nen mit pal­lia­ti­ven Tumor­er­kran­kun­gen von gro­ßer Wich­tig­keit. In den Kli­ni­ken für Neu­ro­chir­ur­gie unter der Lei­tung von Prof. Veit Roh­de und Strah­len­the­ra­pie (Prof. Ste­fan Rie­ken) der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen konn­te im Janu­ar 2025 ein neu­es, weg­wei­sen­des Ver­fah­ren ein­ge­führt wer­den, mit dem sich Hirn­me­ta­sta­sen effek­ti­ver und kom­pli­ka­ti­ons­är­mer behan­deln las­sen: die intra­ope­ra­ti­ve Strah­len­the­ra­pie (intra­ope­ra­ti­ve Radio­the­ra­pie, IORT).
Hirn­me­ta­sta­sen tre­ten oft erst in der End­pha­se einer Tumor­er­kran­kung auf. Durch Druck­wir­kung auf umlie­gen­de Hirn­re­gio­nen und Was­ser­ein­la­ge­rung im Hirn kön­nen bei Hirn­me­ta­sta­sen neu­ro­lo­gi­sche Aus­fäl­le auf­tre­ten, die unter Umstän­den sogar lebens­be­droh­lich sein kön­nen. In sol­chen Fäl­len ist eine ope­ra­ti­ve Ent­fer­nung der Meta­sta­se not­wen­dig. Wich­tig ist hier­bei zu erwäh­nen, dass nur für einen Teil der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit Hirn­me­ta­sta­sen ein Ein­griff infra­ge kommt – näm­lich dann, wenn die Tumor­er­kran­kung außer­halb des Gehirns unter Kon­trol­le, der All­ge­mein­zu­stand gut und die Meta­sta­se chir­ur­gisch erreich­bar ist. Im Anschluss an die ope­ra­ti­ve Ent­fer­nung einer Meta­sta­se und reiz­frei­er Abhei­lung der Wun­de wird nach aktu­el­lem Stan­dard eine geziel­te Radio­the­ra­pie (SRS, ste­reot­ac­tic radio­sur­gery) der betrof­fe­nen Hirn­re­gi­on durch­ge­führt – wegen der Wund­hei­lung unge­fähr drei bis sechs Wochen nach der Ope­ra­ti­on begin­nend und dann in meh­re­ren Sit­zun­gen über eini­ge Wochen ver­teilt. Die Zeit der Ope­ra­ti­on, das War­ten auf die Bestrah­lung sowie die Bestrah­lung selbst stel­len für vie­le Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten eine gro­ße Belas­tung dar und min­dern die Lebens­qua­li­tät oft deut­lich. Außer­dem legen ers­te Daten nahe, dass ein mög­lichst frü­her Beginn der Bestrah­lung die Pro­gno­se ver­bes­sert. Ver­fah­ren, die bei opti­ma­ler loka­ler Tumor­kon­trol­le eine Ver­bes­se­rung der Lebens­qua­li­tät, die Ver­mei­dung mög­li­cher Kom­pli­ka­tio­nen und viel­leicht sogar bes­se­re Über­le­bens­zei­ten ermög­li­chen, wer­den also drin­gend gebraucht.
Im Rah­men der intra­ope­ra­ti­ven Bestrah­lung wer­den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten wäh­rend der ope­ra­ti­ven Ent­fer­nung der Meta­sta­se mit 20 Gy bestrahlt. Somit erfolgt die bei Hirn­me­ta­sta­sen not­wen­di­ge Bestrah­lung ohne jed­we­de zeit­li­che Ver­zö­ge­rung und ohne zusätz­li­che Belas­tung für die zu behan­deln­de Per­son. Der ope­ra­ti­ve Ablauf ändert sich hier­bei nur inso­fern, als dass im Anschluss an die nor­ma­le Resek­ti­on eine pas­sen­de Kugel in die Resek­ti­ons­höh­le ein­ge­führt wird, über die dann für 10–20 Minu­ten die Bestrah­lung ver­ab­reicht wird. Es ste­hen Kugeln in unter­schied­li­chen Grö­ßen zur Ver­fü­gung, sodass die­se indi­vi­du­ell an die Grö­ße der Resek­ti­ons­höh­le ange­passt wer­den kön­nen. Nach der Bestrah­lung erfolgt der übli­che Wund­ver­schluss. Die frü­her übli­che mehr­wö­chi­ge Bestrah­lung im Anschluss an den ope­ra­ti­ven Ein­griff ent­fällt.
Der Ein­satz der IORT bei Hirn­me­ta­sta­sen wur­de bereits in eini­gen grö­ße­ren natio­na­len und inter­na­tio­na­len Stu­di­en unter­sucht. So konn­te gezeigt wer­den, dass die IORT sicher ist und zu einer guten Tumor­kon­trol­le führt, die oft bes­ser ist als bei her­kömm­li­chen Bestrah­lungs­ver­fah­ren. Dies liegt an der hoch­fo­kus­sier­ten Abga­be von Strah­lung in die Rand­zo­ne der ent­fern­ten Meta­sta­se, wäh­rend die nega­ti­ven Strah­len­fol­gen auf das umlie­gen­de gesun­de Gehirn deut­lich nied­ri­ger sind als bei der Bestrah­lung im Nach­gang des Ein­griffs. Die IORT ist mit einer leich­ten Ver­län­ge­rung der Ope­ra­ti­ons­zeit ver­knüpft, der Kran­ken­haus­auf­ent­halt nach dem Ein­griff bleibt aller­dings gleich. Eine erneu­te ambu­lan­te oder sta­tio­nä­re Vor­stel­lung zur post­ope­ra­ti­ven Bestrah­lung fällt für die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten, bei denen eine IORT durch­ge­führt wur­de, weg. Eine im Anschluss even­tu­ell not­wen­di­ge Che­mo­the­ra­pie kann so oft frü­her begon­nen wer­den.
Sind eini­ge Grund­vor­aus­set­zun­gen erfüllt, kann IORT bei Hirn­me­ta­sta­sen aller Art, unab­hän­gig vom ursäch­li­chen Tumor, ein­ge­setzt wer­den. Nicht nur Hirn­me­ta­sta­sen, son­dern auch bös­ar­ti­ge hirn­ei­ge­ne Tumo­re wie das Glio­blas­tom kön­nen poten­zi­ell mit IORT behan­delt wer­den. Bei Per­so­nen mit einem Glio­blas­tom ist auf­grund der erfor­der­li­chen höhe­ren Gesamt­strah­len­do­sis, die in der Regel über vier Wochen stück­wei­se ver­ab­reicht wird, der Vor­teil der IORT bis­her nicht so ein­deu­tig wie bei Hirn­me­ta­sta­sen. Dies wird aktu­ell in Stu­di­en unter­sucht.
Die UMG ist eine von sechs Kli­ni­ken Deutsch­lands und die ein­zi­ge im gesam­ten Nor­den der Repu­blik, in der die­ses inno­va­ti­ve Ver­fah­ren zur Ver­fü­gung steht. Frau Prof. Andrea Hil­le, lei­ten­de Ober­ärz­tin der Kli­nik für Strah­len­the­ra­pie, und PD Dr. Char­lot­te Flüh, Ober­ärz­tin der Kli­nik für Neu­ro­chir­ur­gie, füh­ren maß­geb­lich die IORT an der UMG durch und berich­ten sehr posi­tiv von ihren ers­ten Erfah­run­gen mit der neu­en Tech­nik: „Die IORT ist sicher und unkom­pli­ziert – wir sind froh, die­ses weg­wei­sen­de Ver­fah­ren unse­ren Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten anbie­ten zu kön­nen.“
Prof. Dr. med. Veit Roh­de, Lei­ter der Kli­nik für Neu­ro­chir­ur­gie
PD Dr. Char­lot­te Flüh, Ober­ärz­tin

Kli­nik für Neu­ro­chir­ur­gie
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