Ein pri­va­ter Kurz­trip für eine Nacht – ein „Over­nigh­ter“– ist was Schö­nes. Das klei­ne Rei­se­ge­päck ist schnell zusam­men­ge­sucht und dank An- und Abrei­se sowie Ein- und Aus­che­cken stellt sich trotz der Kür­ze ein spür­ba­rer Hauch Urlaubs­fee­ling ein. Auf zum Aqua!

Text: Lutz Stein | Fotos: Lutz Stein, Syl­via Stein, Gary Schmid, Kirch­gas­ser Pho­to­gra­phy

Das Hotel >>> Die Auto­stadt ist abso­lut eine Rei­se wert, und mei­ne beson­de­re Emp­feh­lung für einen genuss­rei­chen Besuch über Nacht ist der Dezem­ber. Wir errei­chen das The Ritz-Carl­ton über eine eige­ne Stra­ße mit bewach­ter Schran­ke und über­ge­ben unser Auto dem Valet-Ser­vice. Das zur Mar­riott-Grup­pe gehö­ren­de Hotel bie­tet gelas­se­ne Gedie­gen­heit und ver­zich­tet dazu auf vor­der­grün­di­gen Pomp und neo­skan­di­na­vi­sche Design-Küh­le. Das Haus ist auf zeit­los ele­gan­te Art groß­zü­gig, bequem und den­noch gemüt­lich. Alles ist unglaub­lich lei­se, ange­nehm warm und frei von stö­ren­den Gerü­chen. Eine Oase der Ruhe. Der Spa-Bereich wür­de an die­ser Stel­le kei­ne beson­de­re Erwäh­nung fin­den, wenn es hier nicht jenen wirk­lich kras­sen Infi­ni­ty Pool geben wür­de. Unwe­sent­lich klei­ner als ein 50-Meter-Becken bil­det er eine eige­ne klei­ne Insel im Mit­tel­land­ka­nal. Dem VW-Kraft­werk dient er zur Küh­lung und dem Hotel­gast für ein bei­na­he sur­rea­les Erleb­nis: Sie ste­hen in nächt­li­cher Dun­kel­heit bis zur Brust im war­men damp­fen­den Was­ser und las­sen das unwirk­li­che Indus­trie-Pan­ora­ma der größ­ten Auto­fa­brik der Welt auf sich wir­ken. Und wenn Sie dabei knei­pen wol­len, dann hal­ten Sie doch ein­fach eine Hand über den Becken­rand in den eis­kal­ten Mit­tel­land­ka­nal.

Das Restau­rant >>> Ab 18 Uhr ist für den Lieb­ha­ber fei­ner Spei­sen Show­time, denn das hotel­ei­ge­ne Restau­rant Aqua öff­net die Türen. Schon auf dem Weg zum Platz fühlt man sich gut auf­ge­ho­ben, denn die Freund­lich­keit der Mit­ar­bei­ter wirkt kei­nes­falls auf­ge­setzt, und die sehr gute Stu­be ent­spricht voll und ganz der Linie des Hotels.
Zur Ein­ord­nung des hier Gebo­te­nen sei an die­ser Stel­le auf die Prei­se des 3-Ster­ne-Restau­rants hin­ge­wie­sen. Obwohl fürs 7-Gän­ge-Menü 275 Euro auf­ge­ru­fen wer­den, ist das Preis-Leis­tungs-Ver­hält­nis abso­lut top. Wenn Sie wie ich der Mei­nung sind, dass dies ein stol­zer Preis für ein Abend­essen ist, dann soll Ihnen die­se Aus­sa­ge einen Ein­druck vom im Aqua Gebo­te­nen geben. Das Niveau liegt der­ma­ßen weit über dem, was Sie aus teu­ren Restau­rants in und um Göt­tin­gen ken­nen, dass man einen direk­ten Ver­gleich schon allein im Sin­ne unse­rer regio­na­len Küchen erst gar nicht zie­hen soll­te. Die Küche des Aqua ist schlicht­weg Welt­klas­se, und neben­bei sei aus­drück­lich erwähnt, dass man am Ende des Genus­ses durch­aus gesät­tigt ins beque­me Hotel­bett fällt.
Ver­ant­wort­lich für die kuli­na­ri­sche Magie ist Sven Elver­feld, den wir Ihnen in dem die­sem Text fol­gen­den Inter­view näher vor­stel­len. Sei­ne Art zu kochen ver­ste­hen Sie am bes­ten, wenn Sie sei­ne kara­mel­li­sier­te Oli­ve essen, die es tra­di­ti­ons­ge­mäß im Aqua zur Ein­stim­mung gibt. Die schmeckt nicht beson­ders spek­ta­ku­lär oder ander­wei­tig abge­fah­ren. Die schmeckt ein­fach beson­ders oli­vig und wird Ihnen wahr­schein­lich als die bes­te Oli­ve, die Sie je geges­sen haben, in Erin­ne­rung blei­ben. Im sel­ben Atem­zug sei das Cham­pa­gner Creme­s­or­bet, ein wei­te­rer Klas­si­ker des Hau­ses, erwähnt, des­sen ein­zi­ger Wer­muts­trop­fen die kon­struk­ti­ons­be­dingt beschei­de­ne Por­ti­ons­grö­ße dar­stellt. Man ser­viert das Sor­bet näm­lich im abge­säg­ten Boden jener impe­ria­len Cham­pa­gner­fla­schen, deren Inhalt Geschmacks- und Namens­ge­ber der eisi­gen Nach­spei­se ist. Vom Ein­satz von Magnum­fla­schen als Des­sert­schüs­sel­chen ließ sich der Küchen­chef bis­lang lei­der nicht über­zeu­gen. Zu all den ande­ren Gerich­ten las­sen wir Fotos spre­chen, denn sie sind schon rein optisch ein klei­nes Kunst­werk. Geschmack­li­che Ein­tö­nig­keit gab es bei kei­nem Gericht. Alles pass­te zusam­men und stand den­noch in gewis­sem – nach Elver­feld-Art eher fei­nen – Kon­trast zuein­an­der. Als kuli­na­ri­scher Frei­geist und Freund der guten asia­ti­schen Küche bevor­zu­ge ich zwar etwas offen­si­ve­ren Umgang mit den Schätz­chen aus dem Gewürz­schrank, doch hier mag der Fein­geist mit gutem Recht ande­rer Auf­fas­sung sein. Aus­drück­li­ches Lob gebührt auch dem Ser­vice-Per­so­nal. Die jun­gen Damen und Her­ren arbei­ten unauf­ge­regt und haben stets ein wach­sa­mes Auge. Man kennt die Eti­ket­te des Gen­res, legt sie aber ange­nehm offen und freund­lich aus. Wir haben uns wohl­ge­fühlt.

Signa­tur-Gericht 1:
Die kara­mel­li­sier­te Kala­ma­ta-Oli­ve

Königs­krab­be & Ber­ga­mot­te

Étouf­fée Tau­be

Signa­tur-Gericht 2:
Cham­pa­gner-Crè­me-Sor­bet „Ruin­art Brut Rosé“

Gar­ne­le mit Kalbs­kopf

Papri­ka & Zie­gen­kä­se

Ein typi­scher Aqua-Abend in Zah­len:

Köche

Ser­vice­mit­ar­bei­ter

Gäs­te

Tel­ler

Blick vom Hotel auf Pool- und Fit­ness­be­reich

Blick aus dem Pool auf das Kraft­werk

3 Sterne / 6 Fragen

3 Ster­ne / 6 Fra­gen

Sven Elver­feld

Auto­stadt, The Ritz-Carl­ton, Aqua und Sven Elver­feld – wie sind Sie Teil die­ses erfolg­rei­chen Quar­tetts gewor­den?
Als ich nach mei­nen Wan­der­jah­ren 1998 in Hei­del­berg noch ein­mal auf der Schu­le war, habe ich dort von einem Klas­sen­ka­me­ra­den gehört, dass er jeman­den bei The Ritz-Car­l­­ton ken­ne und die wohl die Eröff­nung des ers­ten Hotels in Deutsch­land plan­ten. Da habe ich mich in deren Head Office in Atlan­ta ein­fach mal blind bewor­ben: Als Küchen­chef eines Gour­met-Restau­rants in einem Wolfs­bur­ger Hotel, das noch gar nicht exis­tiert. Ein paar Mona­te spä­ter habe ich mich am Frank­fur­ter Flug­ha­fen dann tat­säch­lich mit zwei CEOs getrof­fen. Die haben mich gefragt, wann ich mit der Schu­le fer­tig bin, und erzählt, dass es mit der Eröff­nung in Wolfs­burg noch ein biss­chen dau­ern wür­de, sie aber gera­de in Dubai ein The Ritz-Carl­ton auf­ge­macht hät­ten. Dann bin ich also im Novem­ber 1998 zunächst nach Dubai geflo­gen, um dann im Febru­ar 2000 nach Wolfs­burg zu wech­seln. Damals war hier noch alles im Bau, und vor­ne bei der Schran­ke stan­den noch Büro­con­tai­ner. Ich war also von Anfang an dabei, und heu­te bin ich tat­säch­lich der Dienst­äl­tes­te hier im Haus.

Und Sie haben hier allei­ne als Küchen­chef los­ge­legt?
Natür­lich. Ich wuss­te ja, wor­um es geht, und habe ja in den 15 Wan­der­jah­ren auch bereits ein paar Ster­ne­re­stau­rants durch­ge­habt. Ich habe Kon­di­tor gelernt, Koch gelernt und anschlie­ßend in 1- und 2-Ster­ne-Restau­rants gear­bei­tet. Nie in einem 3-Ster­ne-Restau­rant – ich war zwar bei Die­ter Mül­ler in Ler­bach, aber da hat­te er noch kei­nen drit­ten Stern. Des­halb waren die drei Ster­ne für das Aqua in mei­nem Kopf zunächst auch gar nicht das Ziel.

Ein Restau­rant im Roh­bau hat weder Stern noch Müt­ze …
Genau, die gan­zen Aus­zeich­nun­gen sind über die Jah­re hart erar­bei­tet. Wir hat­ten die ers­ten 18 Mona­te sie­ben Tage die Woche mit­tags und abends geöff­net, und ich war jeden Tag im Restau­rant. Aber mit den Erfol­gen konn­te man ja dann auch For­de­run­gen nach einer grö­ße­ren Küche und mehr Per­so­nal stel­len.

Gibt es ein Erleb­nis, von dem man heu­te noch gern erzählt?
Es gab vie­le schö­ne Momen­te, doch nie ver­ges­sen wer­de ich den Anruf von Miche­lin, als die mir 2009 mit­ge­teilt haben: „Herr Elver­feld, Sie wer­den die­ses Jahr drei Ster­ne haben.“ Das war schon etwas Beson­de­res, was wir auch mit dem Team ent­spre­chend gefei­ert haben. Mitt­ler­wei­le hal­ten wir die drei Ster­ne seit 16 Jah­ren und fei­ern die­ses Jahr Jubi­lä­um. 25 Jah­re Auto­stadt, 25 Jah­re The Ritz-Carl­ton und 25 Jah­re Aqua.

Wer kocht bei Ihnen zu Hau­se?
Da kochen wir eher sel­ten. Mei­ne Frau ist ja auch Gas­tro­no­min und hat ein eige­nes Restau­rant in Wolfs­burg. Da sind wir froh, wenn wir bei­de um 22 oder 23 Uhr nach Hau­se kom­men und noch ein Glas Wein zusam­men trin­ken kön­nen. Wenn wir frei haben, gehen wir aber ger­ne essen. Das kann ein­fach sein, das kann aber auch ein Ster­ne-Restau­rant sein, wofür wir auch ger­ne rei­sen.

Haben Sie ein Leib­ge­richt?
Nein, das kann ich nicht sagen. Ich mag vie­le Gerich­te und auch ger­ne ein­fa­che Din­ge: Piz­za, Car­pac­cio, Sushi, Kalbs­schnit­zel …, aber das Essen muss gut sein. Natür­lich ist mir die Gour­met-Küche schon von Berufs wegen wich­tig, doch genau­so genie­ße ich im Urlaub auf Kre­ta gutes Essen in einem Restau­rant für Ein­hei­mi­sche.

Das Aqua-Küchen­team um Sven Elver­feld