Das niedersächsische Life Science Startup-Ökosystem will transformative Innovationen aus den roten und grünen Life Sciences noch schneller in die Anwendung bringen. Die Akteure im Forschungsdreieck Göttingen-Hannover-Braunschweig sind zuversichtlich, das Projekt realisieren zu können.
Text: Ulrich Drees | Fotos: UMG
Wissenschaftliche Erkenntnisse aus Niedersachsen zu Marktreife und Anwendbarkeit verhelfen zum Wohl und der Gesundheit von Menschen weltweit – das ist die Idee, mit der sich das Life Science Startup Ökosystem GOe FUTURE im bundesweiten Leuchtturmwettbewerb „Startup Factories“ bewirbt. Es geht um Fördermittel im bis zu zweistelligen Millionenbereich, die in der ersten Jahreshälfte 2025 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) über mehrere Jahre hinweg an maximal zehn Projekte vergeben werden.
Eine wichtige Chance, nicht nur für die Region. „Denn lokale Innovationen sind beispielsweise in der Infektionsforschung entscheidend für die Bewältigung globaler Herausforderungen“, hebt Dr. Stefan Scherer, Leitung Stabsstelle Innovationsmanagement des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung GmbH (HZI) in Braunschweig, hervor: „Am HZI entwickeln wir nachhaltige, effektive Ansätze, die skalierbar sind, um Infektionsgeschehen weltweit zu bekämpfen.“
Im Finale >>> Nach dem Abschluss der Konzeptphase im April 2025 sind nun die Akteure aus Göttingen, Hannover und Braunschweig des unter Federführung der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) entwickelten GOe FUTURE-Konzeptes zuversichtlich, sich in der laufenden Endrunde durchzusetzen, um das im Forschungsdreieck entstandene Ökosystem weiter zu stärken.
Dafür spricht beispielsweise die Idee eines One-Stop-Shops. „Durch eine lückenlose Betreuung von Innovationen von der Idee zum Produkt und weiter zum Scale-up werden die Gründungsgüte und die Qualität der Startups und der Teams gehoben und so die Wirtschaftsstandorte Niedersachsen und Deutschland systematisch gestärkt“, begründet Prof. Dr. Elisabeth Zeisberg, Dekanin für Transfer der UMG. „Es gibt bei uns und den Partnern bereits eine Vielzahl an Unterstützungsangeboten“, ergänzt Dr. Florian Pahlke, Leitung Innovation & Transfer der Universität Göttingen, „die von Scoutingaktivitäten über Gründungswettbewerbe und Venture Building bis zur Bereitstellung von Infrastruktur und Kapital reicht.“
Aus dem Forschungsdreieck >>> Warum die enge Zusammenarbeit in Göttingen, Hannover und Braunschweig zu den expliziten Stärken des GOe FUTURE -Konzeptes zählt, erläutert Christiane Bock von Wülfingen, Leitung Stabsstelle Forschung – Wissen – Translation – Transfer (FWT2) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH): „Komplementäre Kompetenzen in der Region sind ein großer Mehrwert für alle. Neue Ideen und Innovationen aus der MHH stärken die Wirtschaft vor Ort und tragen zu medizinischen globalen Gesamtlösungen bei.“
Die auch von anderer Seite vorangetriebene Idee, eine im Süden Niedersachsens konzentrierte Life Science-Region zu etablieren, steht dabei in engem Zusammenhang mit dem Projekt.
„Eine verstärkte Kooperation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, eine lückenlose Betreuung der Startups und Teams sowie gründungsfreundliche Standardterms im IP-Transfer sind nur einige der Herausforderungen, an denen wir im Rahmen von GOe FUTURE und darüber hinaus arbeiten“, erläutert Dr. Sven Wagner, Geschäftsführer der Life Science Valley GmbH, die Lösungen, auf die alle Beteiligten nach einer Förderzusage hinarbeiten wollen.

Dr. Sven Wagner

Prof. Dr. Elisabeth Zeisberg

Dr. Florian Pahlke

Christiane Bock von Wülfingen

Dr. Stefan Scherer
Life Science Startups aus Niedersachsen
Als erfolgreiches Startup-Ökosystem unterstützte GOe FUTURE bereits unterschiedlichste Unternehmen und Innovationen.
Allogenetics
Um transplantierte Organe vor Angriffen des körpereigenen Immunsystems zu schützen, will die Allogenetics GmbH eine immunologische Unsichtbarkeit des Spenderorgans erzeugen. So wird die Notwendigkeit einer immunologischen Blindheit beim Organempfänger vermieden, so dass der lebenslange Einsatz von Immunsuppressiva unnötig wird.
www.allogenetics.de
Avocet
Vor zwei Jahren gründete Prof. Dr. Elisabeth Zeisberg das Biotech-Startup Avocet Bio GmbH, um antivirale Therapien zu entwickeln. Dazu nutzte das Avocet-Team das erst kürzlich entdeckte bakterielle Enzym CRISPR/Cas13 zum zielgerichteten Zerschneiden von RNA. So wurde ein Einsatz des Enzyms als Therapie gegen RNA-Viren, wie Corona- oder Grippeviren, möglich – die Basis für eine neuartige Therapie für zukünftige Pandemien.
www.avocet.bio
Cardior
Ein Einhorn aus Niedersachsen: Das hannoversche Startup Cardior Pharmaceuticals GmbH wurde von Prof. Dr. Dr. Thomas Thum gegründet und 2024 für bis zu 1,025 Milliarden Euro an den dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk verkauft. Die dort entwickelten Therapien zielen darauf ab, mittels charakteristischer nicht kodierender RNAs Herzkrankheiten vorzubeugen, sie zu reparieren und rückgängig zu machen.
www.cardior.de
Digity
Nach zweijähriger Startphase ist das Göttinger Startup für individuelle Fingerorthesen aus dem 3D-Drucker seit dem letzten Jahr eigenständig. In enger Zusammenarbeit zwischen der Digity GmbH und der UMG entstehen externe Stützstrukturen, sogenannte Exoskelette, die zur Prävention und Rehabilitation von Fingern beitragen. Die Innovation basiert auf einer Idee des spanischen Biomedizin-Studenten Miguel Bravo, der sie am Göttinger „Applied Rehabilitation Technology Laboratory“ (ART-Lab) der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie der UMG umsetzte.
www.digity.de
InSCREENeX
Die Ausgründung InSCREENeX GmbH des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) entwickelt innovative Zellen, die die Entwicklung neuer Medikamente revolutionieren. Mit modernsten genetischen Techniken produziert das Unternehmen seit 2009 auf dem Science Campus-Süd in Braunschweig Zellen, die den Test und die Verbesserung von Medikamenten in der Wissenschaft und bei Pharmaunternehmen erheblich erleichtern.
www.inscreenex.de
Patent von ONE-Mikroskopie
Forschende der UMG haben ein Verfahren entwickelt, mit dem die dreidimensionale Form von Proteinen mit einem herkömmlichen Mikroskop erstmals abgebildet werden kann. Die mit künstlicher Intelligenz kombinierte One-step Nanoscale Expansion (ONE)-Mikroskopie wurde von der Fachzeitschrift Nature als eine der „sieben Technologien, die man 2024 im Auge behalten sollte“, bezeichnet.
www.umg.eu/one-mikroskopie
Repairon
Die Göttinger Repairon GmbH hat sich auf die Entwicklung künstlichen Herzgewebes aus Stammzellen spezialisiert, das für die Herzreparatur bei Herzmuskelschwäche genutzt werden kann. Dazu setzt das Unternehmen innovative Verfahren der Gewebeherstellung ein, die von der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der UMG, stammen.
www.repairon.de
SORMAS Foundation
Das Team aus der Abteilung Epidemiologie am HZI in Braunschweig gegründeten SORMAS Foundation arbeitet daran, alle Länder der Erde digital und kollaborativ auf Epidemien und Pandemien vorzubereiten. Dazu soll eine internationale Community durch die Entwicklung, Förderung und Implementierung von Open-Source-Digitalsystemen aufgebaut werden, die nationale und internationale Organisationen bei der frühzeitigen Erkennung und Eindämmung von Epidemien und Pandemien unterstützen.
www.sormas.org