Bereits seit 100 Jah­ren ver­än­dert die in Göt­tin­gen begrün­de­te Quan­ten­wis­sen­schaft unse­re Welt – ohne sie gäbe es kei­ne digi­ta­le Revo­lu­ti­on – und steht doch erst am Anfang des Mög­li­chen. Eine Wis­sen­schaft, die sogar Reli­gi­on und Phi­lo­so­phie berührt.

Text: Ulrich Drees | Fotos: Ado­be Stock, Wiki Com­mons, pri­vat

Ohne sie gäbe es weder Inter­net noch Smart­phones oder eine Dia­gnos­tik per Magnet­re­so­nanz­to­mo­gra­fie (MRT). Im Rah­men von „Quan­tum 2025“ wird des­halb in 57 Län­dern auf der gan­zen Welt das 100-jäh­ri­ge Jubi­lä­um der Quan­ten­me­cha­nik gefei­ert. Obwohl der Phy­si­ker Max Planck sei­ne Quan­ten­hy­po­the­se bereits 1900 ver­öf­fent­lich­te (sie­he Side­fact), ent­schied sich die UN-Gene­ral­ver­samm­lung, unter­stützt von vie­len phy­si­ka­li­schen Fach­ge­sell­schaf­ten, bewusst für das Jahr 2025 als „Inter­na­tio­na­les Jahr der Quan­ten­wis­sen­schaft und Quan­ten­tech­no­lo­gien“. 1925 erschie­nen näm­lich am Insti­tut für theo­re­ti­sche Phy­sik der Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen drei ent­schei­den­de wis­sen­schaft­li­che Arbei­ten von Wer­ner Hei­sen­berg, Max Born und Pascual Jor­dan, die das Gebiet der Quan­ten­me­cha­nik über­haupt erst dau­er­haft begrün­de­ten.
„Das war der Beginn der Quan­ten­me­cha­nik als mathe­ma­ti­sche und phy­si­ka­li­sche Theo­rie, die sich dann im Anschluss gera­de­zu explo­si­ons­ar­tig an aka­de­mi­schen Zen­tren wie bei­spiels­wei­se Mün­chen, Kopen­ha­gen oder Cam­bridge ver­brei­te­te“, erläu­tert Prof. Dr. Ste­fan Keh­r­ein, der sich am Insti­tut für theo­re­ti­sche Phy­sik der Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen mit der Quan­ten­me­cha­nik befasst. „Dass solch ein inter­na­tio­na­les The­men­jahr auf Göt­tin­gen zurück­geht, ist schon etwas ganz Beson­de­res.“

Der Natur ist es egal >>> Sich auf die Quan­ten­me­cha­nik ein­zu­las­sen, braucht Mut. Dass ein Teil­chen gleich­zei­tig an zwei ver­schie­de­nen Orten exis­tiert, ener­ge­ti­sche Zustän­de erst „real“ wer­den, wenn man sie misst, ist eben­so wenig intui­tiv erfass­bar, wie das Bei­spiel von „Schrö­din­gers Kat­ze“, die gleich­zei­tig leben und tot sein kann. All das wider­spricht unse­rer Vor­stel­lung davon, wie die Welt funk­tio­niert.
Für Ste­fan Keh­r­ein beruht die­ses Pro­blem jedoch vor allem auf mensch­li­cher Selbst­über­schät­zung. „Unser Ver­ständ­nis von Natur­ge­set­zen“, erklärt der theo­re­ti­sche Phy­si­ker, „beruht auf Beob­ach­tun­gen auf den Län­gen­ska­len und Maß­ein­hei­ten der klas­si­schen Phy­sik. Wir hal­ten für nor­mal, was wir dort erfah­ren und damit begrei­fen kön­nen. Den Natur­ge­set­zen ist das aber ziem­lich egal. Wir Men­schen sind nicht das Zen­trum des Uni­ver­sums. Obwohl sich die Quan­ten­me­cha­nik mit Pro­zes­sen auf so klei­nen Län­gen­ska­len befasst, dass wir sie auch mit dem bes­ten Mikro­skop nicht mes­sen kön­nen, erklärt sie den­noch das, was die klas­si­sche Phy­sik nicht erklä­ren kann. Es ist zwar eine net­te Beschrei­bung, dass die Quan­ten­me­cha­nik nicht intui­tiv ist, aber wir soll­ten uns da nicht zu wich­tig neh­men.“
Das ist immer gut. Doch war­um ope­riert die Quan­ten­me­cha­nik jen­seits der klas­si­schen Phy­sik? Wenn ein Apfel durch die Schwer­kraft mit einer bestimm­ten Geschwin­dig­keit zu Boden fällt, kön­nen wir – sind Gewicht und Fall­hö­he bekannt – berech­nen, wann er mit wel­cher Geschwin­dig­keit auf­prallt. Das ist das deter­mi­nis­ti­sche Welt­bild der klas­si­schen Phy­sik.

Alles ist Zufall >>> Die Quan­ten­me­cha­nik ist jedoch inde­ter­mi­nis­tisch. Bei ihr geht es um sub­ato­ma­re Pro­zes­se, die sich im Unter­schied zum Gewicht eines Apfels nicht mes­sen las­sen, weil sie sich unse­rer direk­ten Beob­ach­tung ent­zie­hen. Und weil sich die­se Pro­zes­se unse­rer Wahr­neh­mung ent­zie­hen, wer­den sie für uns erst dann Rea­li­tät, wenn sie zu einem mess­ba­ren Ergeb­nis füh­ren. Die­se Mess­ergeb­nis­se haben in der Quan­ten­me­cha­nik aber grund­sätz­lich Zufalls­cha­rak­ter. Das ist ver­gleich­bar mit dem Wer­fen einer Mün­ze, bei der wir erst wis­sen, ob sie Kopf oder Zahl zeigt, nach­dem sie gelan­det und zur Ruhe gekom­men ist. Zwar wird das Ver­hält­nis eini­ger­ma­ßen aus­ge­gli­chen sein, wenn wir den Wurf 1.000 mal wie­der­ho­len, was uns z. B. die Aus­sa­ge erlaubt, dass sie mit 50 % Wahr­schein­lich­keit auf der Zahl lan­det. Mehr Vor­aus­sa­ge ist aber nicht mög­lich. Im Grun­de sagt die Quan­ten­me­cha­nik also, dass es kei­ne exak­te Vor­her­seh­bar­keit für ein indi­vi­du­el­les mikro­sko­pi­sches Ereig­nis gibt, wir müs­sen uns für immer mit Wahr­schein­lich­keits­aus­sa­gen zufrie­den­ge­ben. Aber gera­de dar­aus erge­ben sich die noch gar nicht über­schau­ba­ren Mög­lich­kei­ten der Quan­ten­me­cha­nik.

Sei still und rech­ne! >>> Das ist das pro­ba­bi­lis­ti­sche Welt­bild der Quan­ten­me­cha­nik, aus dem Ste­fan Keh­r­ein die für ihn fun­da­men­tals­te Beob­ach­tung der Quan­ten­me­cha­nik ablei­tet: „Auf der mikro­sko­pi­schen Ebe­ne gel­ten Regeln, die ein­fach nicht unse­rer Vor­stel­lung von Nor­ma­li­tät ent­spre­chen.“ Dass damit auch die berühm­tes­ten Wis­sen­schaft­ler ihre Schwie­rig­kei­ten hat­ten, zeigt sich am Bei­spiel Albert Ein­steins, der 1926 in einem Brief an Max Born sogar Gott – den Alten, wie er ihn nann­te – ins Spiel brach­te: „Die Quan­ten­me­cha­nik ist sehr ach­tung­ge­bie­tend. Aber eine inne­re Stim­me sagt mir, daß das noch nicht der wah­re Jakob ist. Die Theo­rie lie­fert viel, aber dem Geheim­nis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jeden­falls bin ich über­zeugt, daß der nicht wür­felt.“
Auch wenn der wohl berühm­tes­te Phy­si­ker der Welt nicht akzep­tie­ren moch­te, dass zwar nach einer bestimm­ten Zeit­span­ne – der Halb­werts­zeit – typi­scher­wei­se 50 von 100 die­ser Atom­ker­ne zer­fie­len, aber kei­ne Aus­sa­ge dar­über mög­lich sein soll­te, war­um ein ein­zel­ner Atom­kern zu einem bestimm­ten Zeit­punkt zer­fiel, ent­wi­ckel­te Ein­stein die in ihren Anfän­gen ste­cken­de Quan­ten­me­cha­nik aktiv wei­ter. Eine Situa­ti­on, die auch heu­te noch exis­tiert. „Es ist zwar nicht unum­strit­ten“, so Ste­fan Keh­r­ein, „aber es gibt Kol­le­gen, die wol­len wei­ter­hin die Grund­la­gen der Quan­ten­me­cha­nik erkun­den, auch wenn es Kri­ti­kern zufol­ge dabei nur um alter­na­ti­ve For­mu­lie­run­gen geht, die zu iden­ti­schen Ergeb­nis­sen füh­ren. Den meis­ten reicht es, kor­rek­te Vor­her­sa­gen machen zu kön­nen.“ Des­halb hören vie­le Stu­die­ren­de der Quan­ten­me­cha­nik wohl auch ab und zu den Satz: „Shut up and cal­cu­la­te“, wenn sie zu sehr ins Zwei­feln kom­men.

Schnel­ler als das Licht! >>> Zu den Aspek­ten der Quan­ten­me­cha­nik, die nicht nur Lai­en her­aus­for­dern, gehört die Quan­ten­ver­schrän­kung, die Albert Ein­stein als „spuk­haf­te Fern­wir­kung“ beschrieb. Ver­ein­facht aus­ge­drückt, geht es bei der Quan­ten­ver­schrän­kung dar­um, dass ein­zel­ne Par­ti­kel, waren sie ein­mal mit­ein­an­der ver­schränkt, auch nach ihrer Tren­nung völ­lig unab­hän­gig von ihrer Ent­fer­nung ver­bun­den blei­ben. Da sie gleich­zei­tig nur ent­we­der einen Spin nach oben oder einen Spin nach unten auf­wei­sen kön­nen, reicht es, einen Spin nach oben zu mes­sen, um zu wis­sen, dass das ande­re Teil­chen einen Spin nach unten auf­weist. Ver­än­dert sich die Mes­sung beim ers­ten, ver­än­dert sich der Spin beim zwei­ten eben­so. Und zwar zeit­gleich – völ­lig unab­hän­gig von der Ent­fer­nung, wel­che die ver­schränk­te Quan­ten von­ein­an­der trennt. Das bedeu­tet nicht nur, dass sich die Licht­ge­schwin­dig­keit als theo­re­ti­sche Maxi­mal­ge­schwin­dig­keit in gewis­ser Wei­se ver­ab­schie­det. Dar­über hin­aus erge­ben sich aus die­ser „Ver­schrän­kung“ Theo­rien eines Uni­ver­sums, in dem alles mit allem ver­bun­den sein könn­te, und zu neu­en Vor­stel­lun­gen von „Zeit“. Bei­spiels­wei­se gelang 2023 öster­rei­chi­schen Wis­sen­schaft­lern der Nach­weis, dass sie den Quan­ten­zu­stand von Pho­to­nen sowohl in einen ver­gan­ge­nen Zustand zurück­ver­set­zen als auch in einen zukünf­ti­gen Zustand nach vorn ver­set­zen konn­ten. Win­zig klei­ne Zeit­rei­sen!

Quan­ten­tech­no­lo­gie 2.0 >>> Die Quan­ten­me­cha­nik ent­wi­ckelt sich bestän­dig wei­ter. Nicht nur die Fach­welt geht davon aus, dass wir erst am Anfang des­sen ste­hen, was mög­lich ist. Die Quan­ten­tech­no­lo­gie 2.0 kün­digt sich an. „In den letz­ten bei­den Jah­ren ist immer mehr die Rede davon, einen Strich zwi­schen der Quan­ten­tech­no­lo­gie 1.0 und der Quan­ten­tech­no­lo­gie 2.0 zu zie­hen“, erläu­tert Ste­fan Keh­r­ein. „Tech­no­lo­gien, wie sie bei einem Laser oder einer Kern­spin­to­mo­gra­phie, bei Tran­sis­to­ren oder Solar­zel­len vor­lie­gen, las­sen sich zwar ohne die Quan­ten­me­cha­nik nicht ver­ste­hen, doch um sie zu bau­en, brau­chen wir kei­ne Quan­ten­me­cha­nik, denn wir kön­nen die dazu nöti­gen Cha­rak­te­ris­ti­ken die­ser Tech­no­lo­gien, z. B. die Strom-Span­nungs-Kenn­li­nie, mes­sen. Quan­ten­me­cha­nik dient hier ledig­lich dem Zweck, her­aus­zu­fin­den, war­um bestimm­te Mate­ria­li­en z. B. spe­zi­fi­sche Strom-Span­nungs-Kenn­li­ni­en auf­wei­sen, und sie so mög­li­cher­wei­se zu opti­mie­ren. Bei der Quan­ten­tech­no­lo­gie 2.0 – bei­spiels­wei­se Quan­ten­com­pu­ting, -kryp­to­gra­phie und -sen­so­rik – sind wie­der­um die quan­ten­me­cha­ni­schen Eigen­schaf­ten einer Tech­no­lo­gie für das Ver­ständ­nis ihres Funk­tio­nie­rens essen­zi­ell.
Damit wird deut­lich: Nutzt die Quan­ten­me­cha­nik 1.0. noch das Ver­ständ­nis der Quan­ten­for­schung, um z.B. Mate­ria­li­en mit Hil­fe von Ver­fah­ren der klas­si­schen Phy­sik zu opti­mie­ren, setzt die 2.0-Version hin­ge­gen auch bei den Anwen­dun­gen selbst auf quan­ten­me­cha­ni­sche Abläu­fe – um ins­be­son­de­re beim Quan­ten­com­pu­ting eine im Ver­gleich zu klas­si­schen Rech­nern extre­me Stei­ge­rung von Geschwin­dig­keit und Rechen­leis­tung zu erzie­len. So wer­den maß­geb­li­che neue Ent­wick­lun­gen mög­lich, die im Zusam­men­hang mit der Nut­zung künst­li­cher Intel­li­genz unse­re Welt noch ein­mal kom­plett „revo­lu­tio­nie­ren“ dürf­ten.
„Noch sind wir aber nicht an dem Punkt“, so Ste­fan Keh­r­ein, „dass wir mit Quan­ten­com­pu­tern schon tat­säch­lich nütz­li­che Pro­ble­me lösen könn­ten. Wann das so weit ist, ist schwer zu sagen. Die bis­he­ri­ge Ent­wick­lung zeigt jedoch, dass expo­nen­ti­el­le Fort­schrit­te mög­lich sind, wenn nur genü­gend Men­schen mit genü­gend Geld sich mit einem The­ma befas­sen. Aus mei­ner Sicht tip­pe ich auf zehn Jah­re.“
Ange­sichts der zu erwar­ten­den Leis­tungs­stei­ge­rung im Bereich von Com­pu­tern gilt die Quan­ten­kryp­to­gra­fie bei­na­he als eben­so wich­tig, denn für einen funk­tio­nie­ren­den Quan­ten­com­pu­ter dürf­ten her­kömm­li­che Ver­schlüs­se­lun­gen kaum noch ein Hin­der­nis dar­stel­len.

Wer hat die Nase vorn? >>> Ange­sichts die­ses Poten­zi­als ist klar: Wer die Vor­herr­schaft auf dem Gebiet der Quan­ten­tech­no­lo­gien erreicht, ver­fügt damit über eine gewal­ti­ge Macht, die kei­nes­wegs nur wirt­schaft­li­chen Nut­zen brin­gen wird.
Selbst wenn es anfangs deut­sche Phy­si­ker waren, die zu Beginn der Quan­ten­wis­sen­schaf­ten die wesent­li­chen Impul­se ein­brach­ten, brei­te­te sich die Quan­ten­me­cha­nik schnell in der gesam­ten aka­de­mi­schen Welt aus. Zuletzt erhiel­ten bei­spiels­wei­se der Öster­rei­cher Anton Zei­lin­ger, der US-Ame­ri­ka­ner John Clau­ser und der Fran­zo­se Alain Aspect 2022 im Kon­text der Quan­ten­in­for­ma­ti­ons­wis­sen­schaf­ten einen Nobel­preis. Doch weg­wei­sen­de For­schungs­er­geb­nis­se sind das eine, ihre Über­füh­rung in funk­tio­nie­ren­de Anwen­dun­gen ist eben­so wich­tig.
Wur­de der Wett­be­werb dar­um frü­her maß­geb­lich zwi­schen Natio­nen ent­schie­den, spie­len heu­te die gro­ßen inter­na­tio­na­len Tech-Kon­zer­ne längst eine eben­so bedeut­sa­me Rol­le. Zu den wich­tigs­ten gehört bei­spiels­wei­se Inter­na­tio­nal Busi­ness Machi­nes Cor­po­ra­ti­on (IBM). Bei Intel – einem der welt­weit füh­ren­den Chip-Her­stel­ler – wer­den Tran­sis­to­ren zur Her­stel­lung gro­ßer Stück­zah­len von Sili­zi­um-Spin-Qubits-Chips ent­wi­ckelt, um die Inte­gra­ti­on von Quan­ten­com­pu­ting und klas­si­scher Tech­no­lo­gie zu opti­mie­ren. Unter­des­sen hat die Goog­le-Mut­ter­ge­sell­schaft Alpha­bet für das eige­ne Pro­jekt Quan­tum AI das Ziel aus­ge­ru­fen, „ska­lier­ba­re Quan­ten­com­pu­ter zu bau­en, die es der Mensch­heit ermög­li­chen, Pro­ble­me zu lösen, die sonst unmög­lich zu lösen wären.“
Ange­sichts der Sum­men, die von die­sen und ande­ren gro­ßen US-ame­ri­ka­ni­schen Unter­neh­men inves­tiert wer­den, dürf­ten sie aktu­ell und in abseh­ba­rer Zukunft die welt­wei­te Tech­no­lo­gie­füh­rer­schaft bean­spru­chen kön­nen, zumin­dest, wenn sich die Tech­no­lo­gie auf der Basis supra­lei­ten­der Qubits als Gold­stan­dard eta­blie­ren soll­te. „Bemer­kens­wert ist dabei“, erläu­tert Ste­fan Keh­r­ein, „dass die­se gro­ßen Fir­men in Form einer mir sonst nir­gends bekann­ten Ver­qui­ckung von Indus­trie und For­schung gewis­ser­ma­ßen Grund­la­gen­for­schung betrei­ben – etwas, das sonst staat­lich finan­ziert an Uni­ver­si­tä­ten statt­fin­det. Bei­spiels­wei­se unter­hält Micro­soft seit weit mehr als zehn Jah­ren ein Pro­jekt zum Quan­ten­com­pu­ting, das noch immer ziem­lich weit von einer Anwen­dung ent­fernt ist.“
Dass sich damit zukünf­tig ent­schei­den­de Tech­no­lo­gien, von denen die gan­ze Mensch­heit pro­fi­tie­ren könn­te, tat­säch­lich unter der Kon­trol­le von drei oder vier Groß­kon­zer­nen befin­den könn­ten, wird dabei nicht nur unter Wis­sen­schaft­lern heiß dis­ku­tiert.
Gänz­lich ent­schie­den scheint das Ren­nen jedoch noch nicht zu sein. „Auch in Euro­pa und Deutsch­land arbei­ten durch­aus inter­es­san­te Start-ups an eige­nen Quan­ten­com­pu­ting-Pro­jek­ten“, erklärt Ste­fan Keh­r­ein. „Sie nut­zen aller­dings eige­ne Hard­ware und Tech­no­lo­gien als Grund­la­ge, die wesent­lich weni­ger kos­ten­in­ten­siv sein kön­nen als jene, die in den USA ver­wen­det wer­den. Was sich letzt­lich durch­set­zen wird, lässt sich zum jet­zi­gen Zeit­punkt noch nicht sagen.“ So könn­ten sich Tech­no­lo­gien auf Basis der deut­lich ein­fa­cher zu rea­li­sie­ren­den Ionen-Fal­len als erfolg­rei­che Alter­na­ti­ve erwei­sen. Dass die schie­re Höhe inves­tier­ter Sum­men in Wett­ren­nen die­ser Art kei­nes­wegs immer aus­schlag­ge­bend sein muss, zeig­te sich zuletzt am Bei­spiel von Deep­seek, einer Künst­li­chen-Intel­li­genz-Soft­ware aus Chi­na.


Wür­felt Gott?

Gött­li­ches, Par­al­lel­wel­ten und die Phi­lo­so­phie >>> Weil die Quan­ten­me­cha­nik ganz neue Räu­me für unse­re Vor­stel­lun­gen von der Natur der Rea­li­tät öff­ne­te, beschäf­ti­gen ihre Erkennt­nis­se, bzw. ihre Erkennt­nis­lü­cken immer wie­der auch Theo­lo­gen und spi­ri­tu­ell Inter­es­sier­te. Ste­fan Keh­r­ein beur­teilt das so: „Für mich ist es pro­ble­ma­tisch, Gott dort, wo man etwas nicht ver­steht, als Lösung hin­ein­zu­in­ter­pre­tie­ren. Die­ses „Look for God in the gaps of know­ledge“ wur­de his­to­risch immer wie­der gemacht, und dann wur­den die Wis­sens­lü­cken geschlos­sen.“
Auch der Phy­si­ker und Pro­fes­sor der Theo­re­ti­schen Phi­lo­so­phie Prof. Dr. Dr. Nor­man Siero­ka von der Uni­ver­si­tät Bre­men sieht eine kla­re Tren­nung zwi­schen reli­giö­ser und phy­si­ka­li­scher bzw. phy­si­scher Erfah­rung. „Aus mei­ner Sicht geht es dar­um, wel­che Erfah­run­gen ein Mensch macht“, erklärt er. „Ich neh­me eine reli­giö­se Erfah­rung sehr ernst, aber sie ist für mich nicht das­sel­be wie das, was ich im Labor mache, wenn ich Phy­sik betrei­be oder eine Mes­sung mache.“
Die Fra­gen nach den Erfah­run­gen, die Men­schen machen und machen kön­nen, nutzt der Phi­lo­soph für sei­ne Her­an­ge­hens­wei­se eben­so Erkennt­nis­se der Quan­ten­theo­rie. Wird die Rea­li­tät tat­säch­lich durch eine Viel­zahl zeit­gleich ein­tre­ten­der zufäl­li­ger Ergeb­nis­se bestimmt, so könn­te das auf die mög­li­che Exis­tenz einer Viel­zahl par­al­le­ler Wel­ten hin­wei­sen, die sich aus den Fol­gen jedes Zufalls erge­ben. Dar­aus folgt ein sich unend­lich ver­zwei­gen­der Strom ähn­li­cher, aber nicht glei­cher Rea­li­tä­ten. „Das ist“, so Nor­man Siero­ka, „tat­säch­lich eine Inter­pre­ta­ti­on der Quan­ten­theo­rie, die gegen­wär­tig von eini­gen ver­tre­ten wird. Es wäre dem­zu­fol­ge mög­lich, dass es in ver­schie­de­nen Wel­ten ver­schie­de­ne Pen­dants zu uns gibt, die sich bei­spiels­wei­se durch ihre Haar­far­be unter­schei­den. Doch erfah­rungs­mä­ßig bedeut­sam wür­de das für uns ja erst dann, wenn es zu einer Inter­ak­ti­on zwi­schen die­sen Ver­sio­nen unse­res Selbst käme. Die Mög­lich­keit sol­cher Inter­ak­tio­nen wird jedoch in der Regel ver­neint, so dass es für mich gar kei­nen Ein­fluss hat, ob oder wie vie­le Ver­sio­nen mei­ner Selbst es in die­sen ande­ren Wel­ten geben mag.“

Ana­ly­ti­scher Idea­lis­mus >>> Die Erkennt­nis­se der Quan­ten­me­cha­nik wei­chen so weit von unse­ren gewohn­ten Welt­bil­dern ab, dass sie von Anfang an auch eine phi­lo­so­phi­sche Kom­po­nen­te besit­zen. Ein aktu­el­les Bei­spiel ist der Ana­ly­ti­cal Idea­lism – haupt­säch­lich ver­tre­ten von durch den Infor­ma­ti­ker und Phi­lo­so­phen Ber­nar­do Kastrup, einem ehe­ma­li­gen Mit­ar­bei­ter des CERN, der Euro­päi­schen Orga­ni­sa­ti­on für Kern­for­schung. Er bezieht sich unter ande­rem auf ähn­li­che Über­le­gun­gen, die in der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts bereits von Wer­ner Hei­sen­berg ange­stellt wur­den, und Aspek­te der Quan­ten­ver­schrän­kung. In sei­ner gegen­wär­ti­gen Form ist der Ana­ly­ti­cal Idea­lism eine Theo­rie über die Natur der Rea­li­tät. Sie beschreibt das Uni­ver­sum als ein vom Men­schen erfahr­ba­res Wesen. Das bedeu­tet jedoch nicht, dass „Rea­li­tät“ nur in unse­rem Geist exis­tiert. Für die Ver­tre­ter des Ana­ly­ti­cal Idea­lism ist das Uni­ver­sum real. Es besteht als räum­lich unge­bun­de­nes Feld der Sub­jek­ti­vi­tät, in dem Men­schen als ein­zel­ne Seg­men­te exis­tie­ren.
Tref­fen die­se Annah­men zu, lie­ßen sich bei­spiels­wei­se reli­gi­ös inter­pre­tier­te „Wun­der“ oder „Zau­be­rei“ als kom­ple­xe Inter­ak­tio­nen mit die­sem „Feld“ inter­pre­tie­ren, die den meis­ten Men­schen als über­na­tür­lich erschei­nen, weil sie nicht dazu in der Lage sind, sie zu wir­ken oder wahr­zu­neh­men, wie sie gewirkt wer­den. Was den Ana­ly­ti­cal Idea­lism zur moder­nen Vari­an­te uralter Tra­di­tio­nen von Erleuch­tungs­pro­zes­sen wer­den lässt, die im Ver­lauf der Mensch­heits­ge­schich­te immer wie­der neu­in­ter­pre­tiert wur­den.
Jen­seits sol­cher Exkur­se in Phi­lo­so­phie und Spi­ri­tua­li­tät bie­tet die am 27. März im Forum Wis­sen eröff­ne­te Son­der­aus­stel­lung „Was zum Quant?!“ noch bis zum 14. Sep­tem­ber eine kon­kre­te Mög­lich­keit, sich mit den viel­sei­ti­gen Aspek­ten der Quan­ten­wis­sen­schaf­ten – ins­be­son­de­re ihren Ursprün­gen in Göt­tin­gen – aus­ein­an­der­zu­set­zen.

Prof. Dr. Ste­fan Keh­r­ein
Ste­fan Keh­r­ein arbei­tet als Pro­fes­sor am Insti­tut für Theo­re­ti­sche Phy­sik der Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen. Sein Haupt­for­schungs­in­ter­es­se gilt den Quan­ten-Viel­teil­chen­sys­te­men in der Fest­kör­per­phy­sik, aber auch Ver­bin­dun­gen zu ande­ren The­men­be­rei­chen wie Schwar­zen Löchern und zur Quan­ten­in­for­ma­ti­ons­theo­rie.

Prof. Dr. Dr. Nor­man Siero­ka
Nor­man Siero­ka arbei­tet als Pro­fes­sor für Theo­re­ti­sche Phi­lo­so­phie an der Uni­ver­si­tät Bre­men und als Kodi­rek­tor des Turing Cent­re Zurich. Neben sei­nen phi­lo­so­phi­schen Qua­li­fi­ka­tio­nen stu­dier­te er in Cam­bridge auch Mathe­ma­tik und Phy­sik und erwarb in Hei­del­berg das Diplom in Phy­sik. 2004 pro­mo­vier­te er am Insti­tut für Theo­re­ti­sche Phy­sik der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg mit einer Arbeit über „Neu­ro­phy­sio­lo­gi­sche Aspek­te der Zeit­wahr­neh­mung“.

Ionen­fal­le
Die­se Ionen­fal­le stammt aus dem Nach­lass des Phy­si­kers Prof. Peter E. Toschek (1933-2020), der in Göt­tin­gen Phy­sik stu­dier­te und dem es erst­mals gelang, ein­zel­ne iso­lier­ter Ato­me (Ionen) in einer expe­ri­men­tell kon­trol­lier­ten Umge­bung zu spei­chern.
Foto: Deut­sches Muse­um / Andre­as Kauf­mann, CC BY-SA 4.0

Wer hat‘s erfun­den? Die Creme de la Creme der Phy­si­ker um Erwin Schrö­din­ger, Wolf­gang Pau­li, Wer­ner Hei­sen­berg, Max Born, Niels Bohr, Max Planck, Marie Curie und Albert Ein­stein auf der Sol­vey-Kon­fe­renz 1927 in Brüs­sel.

Quan­ten­com­pu­ter in Deutsch­land
Ein wich­ti­ger Teil der deut­schen Quan­ten­com­pu­ter­ent­wick­lung läuft über die Deut­sche Gesell­schaft für Luft- und Raum­fahrt, wel­che dazu Part­ner­schaf­ten zur Erfor­schung der ver­schie­de­nen Sys­te­me ein­ge­gan­gen ist. Einen beson­de­ren Stel­len­wert hat dabei die Koope­ra­ti­on mit dem Unter­neh­men Uni­ver­sal Quan­tum, das 2022 eine 67 Mil­lio­nen Euro Aus­schrei­bung zum Bau zwei­er Rech­ner nach dem Prin­zip der Ionen-Fal­len für sich ent­schei­den konn­te. Es geht dabei um einen 50 Qubits Sin­ge-Chip Pro­to­typ, der wohl schon im Sta­tus Aus­lie­fe­rung an die DLR ist und ein Mul­ti-Chip-Sys­tem in der Grö­ßen­ord­nung von 100 Qubits, das in abseh­ba­rer Zeit fol­gen soll. Span­nend: Das modu­la­re Sys­tem des Eng­lisch-Deut­schen Unter­neh­mens soll offen­bar noch in die­sem Jahr­zehnt die Kon­struk­ti­on von Quan­ten­com­pu­tern im Mega-Qubit-Bereich ermög­li­chen.

Quan­ten: Von der Rechen­grö­ße zum Bau­stein
Bereits 1900 for­mu­lier­te der Phy­si­ker Max Planck die Quan­ten­hy­po­the­se. Sie besag­te, dass eine Strah­lung, wie bei­spiels­wei­se Licht, ihre Ener­gie mit Mate­rie nicht als „flie­ßen­des Gan­zes“ aus­tau­sche, son­dern in einer Sequenz ein­zel­ner „Ener­gie­pa­ke­te“ – den soge­nann­ten „Quan­ten“ (lat. quan­tum – wie viel). Obwohl sei­ne Hypo­the­se als ein­zi­ge bestimm­te phy­si­ka­li­sche Phä­no­me­ne erklär­te, stand selbst Planck ihr kri­tisch gegen­über. 1921erhielt Albert Ein­stein dann für sei­ne Umdeu­tung der Quan­ten zu Bau­stei­nen, aus denen ein Strah­lungs­feld – z. B. Licht – besteht, den Nobel­preis. Aus dem expe­ri­men­tel­len Beweis der Quan­ten­hy­po­the­se 1922 ent­wi­ckel­te sich dann die heu­ti­ge Quan­ten­me­cha­nik.

Die Macht der Qubits
Qubits oder Qbits steht für Quan­ten­bits. Gemeint ist die Grund­ein­heit der Infor­ma­ti­on in der Quan­ten­in­for­ma­tik, die dort dem Bit ent­spricht und im Kon­text von Daten­spei­chern benutzt wird. In Quan­ten­com­pu­tern kön­nen Qubits belie­bi­ge Über­la­ge­run­gen von „binä­ren“ 0 oder 1 klas­si­scher Com­pu­ter spei­chern, was eine gewal­ti­ge Stei­ge­rung der Rechen­leis­tung ermög­licht. So will Goog­le bei­spiels­wei­se schon in zwei Jah­ren einen Quan­ten­com­pu­ter vor­stel­len, der bis zu 100 Mil­lio­nen mal schnel­ler ist als ein her­kömm­li­cher PC.

Was zum Quant?!
Anläss­lich des von den Ver­ein­ten Natio­nen aus­ge­ru­fe­nen „Inter­na­tio­na­len Jah­res der Quan­ten­wis­sen­schaft und -tech­no­lo­gie“ 2025 erzählt die Son­der­aus­stel­lung „Was zum Quant?!“ – die Aus­stel­lung zum Quan­ten­jahr 2025 in Göt­tin­gen vom 27. März bis 14. Sep­tem­ber im Forum Wis­sen – die Geschich­te der Quan­ten­me­cha­nik bis in die Gegen­wart. Die Son­der­aus­stel­lung geht dabei der For­mu­lie­rung der Quan­ten­me­cha­nik im Jahr 1925 auf den Grund und ver­an­schau­licht, dass Wis­sen­schaft eine gemein­schaft­li­che Ange­le­gen­heit ist und vom Aus­tausch mit ande­ren getra­gen wird. Sie zeigt außer­dem, wel­che Rol­le inter­na­tio­na­le For­schungs­netz­wer­ke damals spiel­ten, wel­che finan­zi­el­len, poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Umstän­de den wis­sen­schaft­li­chen Durch­bruch ermög­lich­ten und wel­che aktu­el­len tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen auf der Quan­ten­phy­sik auf­bau­en. Neben Hands-on-Expe­ri­men­ten zu quan­ten­phy­si­ka­li­schen Phä­no­me­nen beinhal­tet die Aus­stel­lung auch von Jugend­li­chen ent­wi­ckel­te spie­le­ri­sche und schau­spie­le­ri­sche Bei­trä­ge sowie künst­le­ri­sche Instal­la­tio­nen und stellt vie­le Anwen­dungs­ge­bie­te vor. Ent­wi­ckelt wur­de die Aus­stel­lung von den Kura­to­rin­nen Dr. Ramo­na Döl­ling und Chris­ti­ne Nawa vom Forum Wis­sen in Zusam­men­ar­beit mit der Fakul­tät für Phy­sik (Prof. Dr. Ste­fan Keh­r­ein) und den Kus­to­din­nen und Kus­to­den ver­schie­de­ner Samm­lun­gen der Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen. Ein brei­tes Rah­men­pro­gramm beglei­tet die Aus­stel­lung. www.forum-wissen.de.