Bereits seit 100 Jahren verändert die in Göttingen begründete Quantenwissenschaft unsere Welt – ohne sie gäbe es keine digitale Revolution – und steht doch erst am Anfang des Möglichen. Eine Wissenschaft, die sogar Religion und Philosophie berührt.
Text: Ulrich Drees | Fotos: Adobe Stock, Wiki Commons, privat
Ohne sie gäbe es weder Internet noch Smartphones oder eine Diagnostik per Magnetresonanztomografie (MRT). Im Rahmen von „Quantum 2025“ wird deshalb in 57 Ländern auf der ganzen Welt das 100-jährige Jubiläum der Quantenmechanik gefeiert. Obwohl der Physiker Max Planck seine Quantenhypothese bereits 1900 veröffentlichte (siehe Sidefact), entschied sich die UN-Generalversammlung, unterstützt von vielen physikalischen Fachgesellschaften, bewusst für das Jahr 2025 als „Internationales Jahr der Quantenwissenschaft und Quantentechnologien“. 1925 erschienen nämlich am Institut für theoretische Physik der Universität Göttingen drei entscheidende wissenschaftliche Arbeiten von Werner Heisenberg, Max Born und Pascual Jordan, die das Gebiet der Quantenmechanik überhaupt erst dauerhaft begründeten.
„Das war der Beginn der Quantenmechanik als mathematische und physikalische Theorie, die sich dann im Anschluss geradezu explosionsartig an akademischen Zentren wie beispielsweise München, Kopenhagen oder Cambridge verbreitete“, erläutert Prof. Dr. Stefan Kehrein, der sich am Institut für theoretische Physik der Universität Göttingen mit der Quantenmechanik befasst. „Dass solch ein internationales Themenjahr auf Göttingen zurückgeht, ist schon etwas ganz Besonderes.“
Der Natur ist es egal >>> Sich auf die Quantenmechanik einzulassen, braucht Mut. Dass ein Teilchen gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten existiert, energetische Zustände erst „real“ werden, wenn man sie misst, ist ebenso wenig intuitiv erfassbar, wie das Beispiel von „Schrödingers Katze“, die gleichzeitig leben und tot sein kann. All das widerspricht unserer Vorstellung davon, wie die Welt funktioniert.
Für Stefan Kehrein beruht dieses Problem jedoch vor allem auf menschlicher Selbstüberschätzung. „Unser Verständnis von Naturgesetzen“, erklärt der theoretische Physiker, „beruht auf Beobachtungen auf den Längenskalen und Maßeinheiten der klassischen Physik. Wir halten für normal, was wir dort erfahren und damit begreifen können. Den Naturgesetzen ist das aber ziemlich egal. Wir Menschen sind nicht das Zentrum des Universums. Obwohl sich die Quantenmechanik mit Prozessen auf so kleinen Längenskalen befasst, dass wir sie auch mit dem besten Mikroskop nicht messen können, erklärt sie dennoch das, was die klassische Physik nicht erklären kann. Es ist zwar eine nette Beschreibung, dass die Quantenmechanik nicht intuitiv ist, aber wir sollten uns da nicht zu wichtig nehmen.“
Das ist immer gut. Doch warum operiert die Quantenmechanik jenseits der klassischen Physik? Wenn ein Apfel durch die Schwerkraft mit einer bestimmten Geschwindigkeit zu Boden fällt, können wir – sind Gewicht und Fallhöhe bekannt – berechnen, wann er mit welcher Geschwindigkeit aufprallt. Das ist das deterministische Weltbild der klassischen Physik.
Alles ist Zufall >>> Die Quantenmechanik ist jedoch indeterministisch. Bei ihr geht es um subatomare Prozesse, die sich im Unterschied zum Gewicht eines Apfels nicht messen lassen, weil sie sich unserer direkten Beobachtung entziehen. Und weil sich diese Prozesse unserer Wahrnehmung entziehen, werden sie für uns erst dann Realität, wenn sie zu einem messbaren Ergebnis führen. Diese Messergebnisse haben in der Quantenmechanik aber grundsätzlich Zufallscharakter. Das ist vergleichbar mit dem Werfen einer Münze, bei der wir erst wissen, ob sie Kopf oder Zahl zeigt, nachdem sie gelandet und zur Ruhe gekommen ist. Zwar wird das Verhältnis einigermaßen ausgeglichen sein, wenn wir den Wurf 1.000 mal wiederholen, was uns z. B. die Aussage erlaubt, dass sie mit 50 % Wahrscheinlichkeit auf der Zahl landet. Mehr Voraussage ist aber nicht möglich. Im Grunde sagt die Quantenmechanik also, dass es keine exakte Vorhersehbarkeit für ein individuelles mikroskopisches Ereignis gibt, wir müssen uns für immer mit Wahrscheinlichkeitsaussagen zufriedengeben. Aber gerade daraus ergeben sich die noch gar nicht überschaubaren Möglichkeiten der Quantenmechanik.
Sei still und rechne! >>> Das ist das probabilistische Weltbild der Quantenmechanik, aus dem Stefan Kehrein die für ihn fundamentalste Beobachtung der Quantenmechanik ableitet: „Auf der mikroskopischen Ebene gelten Regeln, die einfach nicht unserer Vorstellung von Normalität entsprechen.“ Dass damit auch die berühmtesten Wissenschaftler ihre Schwierigkeiten hatten, zeigt sich am Beispiel Albert Einsteins, der 1926 in einem Brief an Max Born sogar Gott – den Alten, wie er ihn nannte – ins Spiel brachte: „Die Quantenmechanik ist sehr achtunggebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, daß das noch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, daß der nicht würfelt.“
Auch wenn der wohl berühmteste Physiker der Welt nicht akzeptieren mochte, dass zwar nach einer bestimmten Zeitspanne – der Halbwertszeit – typischerweise 50 von 100 dieser Atomkerne zerfielen, aber keine Aussage darüber möglich sein sollte, warum ein einzelner Atomkern zu einem bestimmten Zeitpunkt zerfiel, entwickelte Einstein die in ihren Anfängen steckende Quantenmechanik aktiv weiter. Eine Situation, die auch heute noch existiert. „Es ist zwar nicht unumstritten“, so Stefan Kehrein, „aber es gibt Kollegen, die wollen weiterhin die Grundlagen der Quantenmechanik erkunden, auch wenn es Kritikern zufolge dabei nur um alternative Formulierungen geht, die zu identischen Ergebnissen führen. Den meisten reicht es, korrekte Vorhersagen machen zu können.“ Deshalb hören viele Studierende der Quantenmechanik wohl auch ab und zu den Satz: „Shut up and calculate“, wenn sie zu sehr ins Zweifeln kommen.
Schneller als das Licht! >>> Zu den Aspekten der Quantenmechanik, die nicht nur Laien herausfordern, gehört die Quantenverschränkung, die Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ beschrieb. Vereinfacht ausgedrückt, geht es bei der Quantenverschränkung darum, dass einzelne Partikel, waren sie einmal miteinander verschränkt, auch nach ihrer Trennung völlig unabhängig von ihrer Entfernung verbunden bleiben. Da sie gleichzeitig nur entweder einen Spin nach oben oder einen Spin nach unten aufweisen können, reicht es, einen Spin nach oben zu messen, um zu wissen, dass das andere Teilchen einen Spin nach unten aufweist. Verändert sich die Messung beim ersten, verändert sich der Spin beim zweiten ebenso. Und zwar zeitgleich – völlig unabhängig von der Entfernung, welche die verschränkte Quanten voneinander trennt. Das bedeutet nicht nur, dass sich die Lichtgeschwindigkeit als theoretische Maximalgeschwindigkeit in gewisser Weise verabschiedet. Darüber hinaus ergeben sich aus dieser „Verschränkung“ Theorien eines Universums, in dem alles mit allem verbunden sein könnte, und zu neuen Vorstellungen von „Zeit“. Beispielsweise gelang 2023 österreichischen Wissenschaftlern der Nachweis, dass sie den Quantenzustand von Photonen sowohl in einen vergangenen Zustand zurückversetzen als auch in einen zukünftigen Zustand nach vorn versetzen konnten. Winzig kleine Zeitreisen!
Quantentechnologie 2.0 >>> Die Quantenmechanik entwickelt sich beständig weiter. Nicht nur die Fachwelt geht davon aus, dass wir erst am Anfang dessen stehen, was möglich ist. Die Quantentechnologie 2.0 kündigt sich an. „In den letzten beiden Jahren ist immer mehr die Rede davon, einen Strich zwischen der Quantentechnologie 1.0 und der Quantentechnologie 2.0 zu ziehen“, erläutert Stefan Kehrein. „Technologien, wie sie bei einem Laser oder einer Kernspintomographie, bei Transistoren oder Solarzellen vorliegen, lassen sich zwar ohne die Quantenmechanik nicht verstehen, doch um sie zu bauen, brauchen wir keine Quantenmechanik, denn wir können die dazu nötigen Charakteristiken dieser Technologien, z. B. die Strom-Spannungs-Kennlinie, messen. Quantenmechanik dient hier lediglich dem Zweck, herauszufinden, warum bestimmte Materialien z. B. spezifische Strom-Spannungs-Kennlinien aufweisen, und sie so möglicherweise zu optimieren. Bei der Quantentechnologie 2.0 – beispielsweise Quantencomputing, -kryptographie und -sensorik – sind wiederum die quantenmechanischen Eigenschaften einer Technologie für das Verständnis ihres Funktionierens essenziell.
Damit wird deutlich: Nutzt die Quantenmechanik 1.0. noch das Verständnis der Quantenforschung, um z.B. Materialien mit Hilfe von Verfahren der klassischen Physik zu optimieren, setzt die 2.0-Version hingegen auch bei den Anwendungen selbst auf quantenmechanische Abläufe – um insbesondere beim Quantencomputing eine im Vergleich zu klassischen Rechnern extreme Steigerung von Geschwindigkeit und Rechenleistung zu erzielen. So werden maßgebliche neue Entwicklungen möglich, die im Zusammenhang mit der Nutzung künstlicher Intelligenz unsere Welt noch einmal komplett „revolutionieren“ dürften.
„Noch sind wir aber nicht an dem Punkt“, so Stefan Kehrein, „dass wir mit Quantencomputern schon tatsächlich nützliche Probleme lösen könnten. Wann das so weit ist, ist schwer zu sagen. Die bisherige Entwicklung zeigt jedoch, dass exponentielle Fortschritte möglich sind, wenn nur genügend Menschen mit genügend Geld sich mit einem Thema befassen. Aus meiner Sicht tippe ich auf zehn Jahre.“
Angesichts der zu erwartenden Leistungssteigerung im Bereich von Computern gilt die Quantenkryptografie beinahe als ebenso wichtig, denn für einen funktionierenden Quantencomputer dürften herkömmliche Verschlüsselungen kaum noch ein Hindernis darstellen.
Wer hat die Nase vorn? >>> Angesichts dieses Potenzials ist klar: Wer die Vorherrschaft auf dem Gebiet der Quantentechnologien erreicht, verfügt damit über eine gewaltige Macht, die keineswegs nur wirtschaftlichen Nutzen bringen wird.
Selbst wenn es anfangs deutsche Physiker waren, die zu Beginn der Quantenwissenschaften die wesentlichen Impulse einbrachten, breitete sich die Quantenmechanik schnell in der gesamten akademischen Welt aus. Zuletzt erhielten beispielsweise der Österreicher Anton Zeilinger, der US-Amerikaner John Clauser und der Franzose Alain Aspect 2022 im Kontext der Quanteninformationswissenschaften einen Nobelpreis. Doch wegweisende Forschungsergebnisse sind das eine, ihre Überführung in funktionierende Anwendungen ist ebenso wichtig.
Wurde der Wettbewerb darum früher maßgeblich zwischen Nationen entschieden, spielen heute die großen internationalen Tech-Konzerne längst eine ebenso bedeutsame Rolle. Zu den wichtigsten gehört beispielsweise International Business Machines Corporation (IBM). Bei Intel – einem der weltweit führenden Chip-Hersteller – werden Transistoren zur Herstellung großer Stückzahlen von Silizium-Spin-Qubits-Chips entwickelt, um die Integration von Quantencomputing und klassischer Technologie zu optimieren. Unterdessen hat die Google-Muttergesellschaft Alphabet für das eigene Projekt Quantum AI das Ziel ausgerufen, „skalierbare Quantencomputer zu bauen, die es der Menschheit ermöglichen, Probleme zu lösen, die sonst unmöglich zu lösen wären.“
Angesichts der Summen, die von diesen und anderen großen US-amerikanischen Unternehmen investiert werden, dürften sie aktuell und in absehbarer Zukunft die weltweite Technologieführerschaft beanspruchen können, zumindest, wenn sich die Technologie auf der Basis supraleitender Qubits als Goldstandard etablieren sollte. „Bemerkenswert ist dabei“, erläutert Stefan Kehrein, „dass diese großen Firmen in Form einer mir sonst nirgends bekannten Verquickung von Industrie und Forschung gewissermaßen Grundlagenforschung betreiben – etwas, das sonst staatlich finanziert an Universitäten stattfindet. Beispielsweise unterhält Microsoft seit weit mehr als zehn Jahren ein Projekt zum Quantencomputing, das noch immer ziemlich weit von einer Anwendung entfernt ist.“
Dass sich damit zukünftig entscheidende Technologien, von denen die ganze Menschheit profitieren könnte, tatsächlich unter der Kontrolle von drei oder vier Großkonzernen befinden könnten, wird dabei nicht nur unter Wissenschaftlern heiß diskutiert.
Gänzlich entschieden scheint das Rennen jedoch noch nicht zu sein. „Auch in Europa und Deutschland arbeiten durchaus interessante Start-ups an eigenen Quantencomputing-Projekten“, erklärt Stefan Kehrein. „Sie nutzen allerdings eigene Hardware und Technologien als Grundlage, die wesentlich weniger kostenintensiv sein können als jene, die in den USA verwendet werden. Was sich letztlich durchsetzen wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.“ So könnten sich Technologien auf Basis der deutlich einfacher zu realisierenden Ionen-Fallen als erfolgreiche Alternative erweisen. Dass die schiere Höhe investierter Summen in Wettrennen dieser Art keineswegs immer ausschlaggebend sein muss, zeigte sich zuletzt am Beispiel von Deepseek, einer Künstlichen-Intelligenz-Software aus China.
Würfelt Gott?
Göttliches, Parallelwelten und die Philosophie >>> Weil die Quantenmechanik ganz neue Räume für unsere Vorstellungen von der Natur der Realität öffnete, beschäftigen ihre Erkenntnisse, bzw. ihre Erkenntnislücken immer wieder auch Theologen und spirituell Interessierte. Stefan Kehrein beurteilt das so: „Für mich ist es problematisch, Gott dort, wo man etwas nicht versteht, als Lösung hineinzuinterpretieren. Dieses „Look for God in the gaps of knowledge“ wurde historisch immer wieder gemacht, und dann wurden die Wissenslücken geschlossen.“
Auch der Physiker und Professor der Theoretischen Philosophie Prof. Dr. Dr. Norman Sieroka von der Universität Bremen sieht eine klare Trennung zwischen religiöser und physikalischer bzw. physischer Erfahrung. „Aus meiner Sicht geht es darum, welche Erfahrungen ein Mensch macht“, erklärt er. „Ich nehme eine religiöse Erfahrung sehr ernst, aber sie ist für mich nicht dasselbe wie das, was ich im Labor mache, wenn ich Physik betreibe oder eine Messung mache.“
Die Fragen nach den Erfahrungen, die Menschen machen und machen können, nutzt der Philosoph für seine Herangehensweise ebenso Erkenntnisse der Quantentheorie. Wird die Realität tatsächlich durch eine Vielzahl zeitgleich eintretender zufälliger Ergebnisse bestimmt, so könnte das auf die mögliche Existenz einer Vielzahl paralleler Welten hinweisen, die sich aus den Folgen jedes Zufalls ergeben. Daraus folgt ein sich unendlich verzweigender Strom ähnlicher, aber nicht gleicher Realitäten. „Das ist“, so Norman Sieroka, „tatsächlich eine Interpretation der Quantentheorie, die gegenwärtig von einigen vertreten wird. Es wäre demzufolge möglich, dass es in verschiedenen Welten verschiedene Pendants zu uns gibt, die sich beispielsweise durch ihre Haarfarbe unterscheiden. Doch erfahrungsmäßig bedeutsam würde das für uns ja erst dann, wenn es zu einer Interaktion zwischen diesen Versionen unseres Selbst käme. Die Möglichkeit solcher Interaktionen wird jedoch in der Regel verneint, so dass es für mich gar keinen Einfluss hat, ob oder wie viele Versionen meiner Selbst es in diesen anderen Welten geben mag.“
Analytischer Idealismus >>> Die Erkenntnisse der Quantenmechanik weichen so weit von unseren gewohnten Weltbildern ab, dass sie von Anfang an auch eine philosophische Komponente besitzen. Ein aktuelles Beispiel ist der Analytical Idealism – hauptsächlich vertreten von durch den Informatiker und Philosophen Bernardo Kastrup, einem ehemaligen Mitarbeiter des CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung. Er bezieht sich unter anderem auf ähnliche Überlegungen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bereits von Werner Heisenberg angestellt wurden, und Aspekte der Quantenverschränkung. In seiner gegenwärtigen Form ist der Analytical Idealism eine Theorie über die Natur der Realität. Sie beschreibt das Universum als ein vom Menschen erfahrbares Wesen. Das bedeutet jedoch nicht, dass „Realität“ nur in unserem Geist existiert. Für die Vertreter des Analytical Idealism ist das Universum real. Es besteht als räumlich ungebundenes Feld der Subjektivität, in dem Menschen als einzelne Segmente existieren.
Treffen diese Annahmen zu, ließen sich beispielsweise religiös interpretierte „Wunder“ oder „Zauberei“ als komplexe Interaktionen mit diesem „Feld“ interpretieren, die den meisten Menschen als übernatürlich erscheinen, weil sie nicht dazu in der Lage sind, sie zu wirken oder wahrzunehmen, wie sie gewirkt werden. Was den Analytical Idealism zur modernen Variante uralter Traditionen von Erleuchtungsprozessen werden lässt, die im Verlauf der Menschheitsgeschichte immer wieder neuinterpretiert wurden.
Jenseits solcher Exkurse in Philosophie und Spiritualität bietet die am 27. März im Forum Wissen eröffnete Sonderausstellung „Was zum Quant?!“ noch bis zum 14. September eine konkrete Möglichkeit, sich mit den vielseitigen Aspekten der Quantenwissenschaften – insbesondere ihren Ursprüngen in Göttingen – auseinanderzusetzen.

Prof. Dr. Stefan Kehrein
Stefan Kehrein arbeitet als Professor am Institut für Theoretische Physik der Universität Göttingen. Sein Hauptforschungsinteresse gilt den Quanten-Vielteilchensystemen in der Festkörperphysik, aber auch Verbindungen zu anderen Themenbereichen wie Schwarzen Löchern und zur Quanteninformationstheorie.

Prof. Dr. Dr. Norman Sieroka
Norman Sieroka arbeitet als Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Bremen und als Kodirektor des Turing Centre Zurich. Neben seinen philosophischen Qualifikationen studierte er in Cambridge auch Mathematik und Physik und erwarb in Heidelberg das Diplom in Physik. 2004 promovierte er am Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg mit einer Arbeit über „Neurophysiologische Aspekte der Zeitwahrnehmung“.

Ionenfalle
Diese Ionenfalle stammt aus dem Nachlass des Physikers Prof. Peter E. Toschek (1933-2020), der in Göttingen Physik studierte und dem es erstmals gelang, einzelne isolierter Atome (Ionen) in einer experimentell kontrollierten Umgebung zu speichern.
Foto: Deutsches Museum / Andreas Kaufmann, CC BY-SA 4.0

Wer hat‘s erfunden? Die Creme de la Creme der Physiker um Erwin Schrödinger, Wolfgang Pauli, Werner Heisenberg, Max Born, Niels Bohr, Max Planck, Marie Curie und Albert Einstein auf der Solvey-Konferenz 1927 in Brüssel.
Quantencomputer in Deutschland
Ein wichtiger Teil der deutschen Quantencomputerentwicklung läuft über die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt, welche dazu Partnerschaften zur Erforschung der verschiedenen Systeme eingegangen ist. Einen besonderen Stellenwert hat dabei die Kooperation mit dem Unternehmen Universal Quantum, das 2022 eine 67 Millionen Euro Ausschreibung zum Bau zweier Rechner nach dem Prinzip der Ionen-Fallen für sich entscheiden konnte. Es geht dabei um einen 50 Qubits Singe-Chip Prototyp, der wohl schon im Status Auslieferung an die DLR ist und ein Multi-Chip-System in der Größenordnung von 100 Qubits, das in absehbarer Zeit folgen soll. Spannend: Das modulare System des Englisch-Deutschen Unternehmens soll offenbar noch in diesem Jahrzehnt die Konstruktion von Quantencomputern im Mega-Qubit-Bereich ermöglichen.
Quanten: Von der Rechengröße zum Baustein
Bereits 1900 formulierte der Physiker Max Planck die Quantenhypothese. Sie besagte, dass eine Strahlung, wie beispielsweise Licht, ihre Energie mit Materie nicht als „fließendes Ganzes“ austausche, sondern in einer Sequenz einzelner „Energiepakete“ – den sogenannten „Quanten“ (lat. quantum – wie viel). Obwohl seine Hypothese als einzige bestimmte physikalische Phänomene erklärte, stand selbst Planck ihr kritisch gegenüber. 1921erhielt Albert Einstein dann für seine Umdeutung der Quanten zu Bausteinen, aus denen ein Strahlungsfeld – z. B. Licht – besteht, den Nobelpreis. Aus dem experimentellen Beweis der Quantenhypothese 1922 entwickelte sich dann die heutige Quantenmechanik.
Die Macht der Qubits
Qubits oder Qbits steht für Quantenbits. Gemeint ist die Grundeinheit der Information in der Quanteninformatik, die dort dem Bit entspricht und im Kontext von Datenspeichern benutzt wird. In Quantencomputern können Qubits beliebige Überlagerungen von „binären“ 0 oder 1 klassischer Computer speichern, was eine gewaltige Steigerung der Rechenleistung ermöglicht. So will Google beispielsweise schon in zwei Jahren einen Quantencomputer vorstellen, der bis zu 100 Millionen mal schneller ist als ein herkömmlicher PC.
Was zum Quant?!
Anlässlich des von den Vereinten Nationen ausgerufenen „Internationalen Jahres der Quantenwissenschaft und -technologie“ 2025 erzählt die Sonderausstellung „Was zum Quant?!“ – die Ausstellung zum Quantenjahr 2025 in Göttingen vom 27. März bis 14. September im Forum Wissen – die Geschichte der Quantenmechanik bis in die Gegenwart. Die Sonderausstellung geht dabei der Formulierung der Quantenmechanik im Jahr 1925 auf den Grund und veranschaulicht, dass Wissenschaft eine gemeinschaftliche Angelegenheit ist und vom Austausch mit anderen getragen wird. Sie zeigt außerdem, welche Rolle internationale Forschungsnetzwerke damals spielten, welche finanziellen, politischen und gesellschaftlichen Umstände den wissenschaftlichen Durchbruch ermöglichten und welche aktuellen technologischen Entwicklungen auf der Quantenphysik aufbauen. Neben Hands-on-Experimenten zu quantenphysikalischen Phänomenen beinhaltet die Ausstellung auch von Jugendlichen entwickelte spielerische und schauspielerische Beiträge sowie künstlerische Installationen und stellt viele Anwendungsgebiete vor. Entwickelt wurde die Ausstellung von den Kuratorinnen Dr. Ramona Dölling und Christine Nawa vom Forum Wissen in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Physik (Prof. Dr. Stefan Kehrein) und den Kustodinnen und Kustoden verschiedener Sammlungen der Universität Göttingen. Ein breites Rahmenprogramm begleitet die Ausstellung. www.forum-wissen.de.