Im Institut für Klinische und Interventionelle Radiologie der UMG kommen minimalinvasive Verfahren zur Behandlung von Tumoren zum Einsatz, die für die Patientinnen und Patienten besonders schonend sind. Auf dem Bild zu sehen ist Dr. Carolin Sobotta, Oberärztin des Instituts, bei einem Eingriff.
Minimal-invasive Verfahren in der Radiologie
Text: Giovanni F. Torsello, Lorenz Biggemann, Babak Panahi, Ali Seif | Fotos: UMG, Frank Stefan Kimmel
Nicht jede Tumorbehandlung bedeutet heute große Operationen oder lange Chemotherapien. Die Radiologie bietet Verfahren an, die über stecknadelkopfgroße Zugänge arbeiten und den Tumor gezielt erreichen. Der häufig verwendete Begriff „Minimal-invasiv“ heißt in der Radiologie: Mit millimeterdünnen Nadeln oder Kathetern, die mittels moderner Bildgebung wie CT, MRT oder Ultraschall zum Ziel geführt werden, können zahlreiche Krebsarten behandelt werden. Die Verfahren sind für die Betroffenen schonender und viele Patientinnen und Patienten sind am Tag nach dem Eingriff schon wieder auf den Beinen.
Minimal-invasive Therapien finden vor allem dann Anwendung, wenn eine Operation aus anatomischen Gründen nicht möglich ist, für die Betroffenen zu belastend wäre oder wenn einzelne Tumorherde gezielt behandelt werden sollen. Häufige Einsatzorte sind Leber, Niere, Lunge oder auch Knochen. Welche dieser Methoden geeignet ist, wird immer individuell entschieden, meist in einer interdisziplinären Tumorkonferenz, in der Fachleute verschiedener Disziplinen gemeinsam den Befund besprechen. Wie krankes Gewebe präzise behandelt werden kann, während gesundes Gewebe möglichst geschont wird, zeigen die vier häufig eingesetzten Methoden.
Transarterielle Verfahren >>> Transarterielle Verfahren behandeln den Tumor „von innen“, indem sie die Blutversorgung nutzen. Viele Lebertumoren erhalten einen Großteil ihrer Nährstoffe über bestimmte Arterien. Genau dort setzt die transarterielle Chemoembolisation an. Über einen haarfeinen Katheter, der meist in der Leistengegend eingeführt und bis zur Leber vorgeschoben wird, wird eine hohe Dosis eines Chemotherapeutikums direkt in den Tumor gespritzt. Gleichzeitig verschließt man mit winzigen Kügelchen die den Tumor versorgenden Gefäße. So wird der Knoten doppelt getroffen: Der Tumor wird sehr großen Mengen an Chemotherapeutikum ausgesetzt, während der Rest des Körpers verschont bleibt. Zusätzlich „verhungert“ der Tumor, da ihm die Blutzufuhr abgeschnürt wurde.
Sehr wirksam ist auch die selektive interne Radiotherapie (SIRT). Hier werden statt Chemotherapie winzige, radioaktive Mikrokügelchen in die Tumorgefäße der Leber gebracht. Diese Kügelchen geben ihre Strahlung direkt im Tumor ab; das umliegende Gewebe wird dadurch weit weniger belastet. Da diese radioaktiven Kügelchen sehr wirksam sind, muss die Behandlung in zwei Schritten erfolgen: Zunächst wird die Gefäßsituation genau kartiert und mit Testpartikeln geprüft, ob alles sicher an der richtigen Stelle ankommt. Einige Wochen später folgt die eigentliche Therapie. Viele Patientinnen und Patienten profitieren von einer guten lokalen Kontrolle, gerade wenn andere Optionen eingeschränkt sind.
Mikrowellenablation >>> Bei der Mikrowellenablation wird eine dünne Sonde millimetergenau in den Tumor geführt. Über diese Sonde werden Mikrowellen abgegeben, die das Tumorgewebe auf Temperaturen deutlich über 60 Grad erhitzen und so die Tumorzellen zerstören. Der Eingriff dauert häufig nicht viel länger als eine Stunde, die eigentliche Energieabgabe nur wenige Minuten. Um eine präzise und schmerzfreie Therapie zu gewährleisten, ist eine kurze Narkose sinnvoll. Viele Patientinnen und Patienten können die Klinik nach ein bis zwei Tagen wieder verlassen. Typisch sind vorübergehende Schmerzen an der Einstichstelle oder eine kurze Abgeschlagenheit; schwerwiegende Komplikationen sind selten.
Kryoablation >>> Die Kryoablation arbeitet mit Kälte. Über eine feine Sonde wird ein Gas geleitet, das an der Sondenspitze eine „Eiskugel“ entstehen lässt. Das betroffene Gewebe wird eingefroren, wieder aufgetaut und erneut eingefroren. Dieser Wechsel zerstört die Tumorzellen. Die Grenzen der Eiskugel sind in der CT klar abgrenzbar und ermöglichen eine präzise Behandlung des Tumors bei gleichzeitiger Schonung des gesunden, umgebenden Gewebes. Häufig kommt die Methode bei kleineren Nierentumoren, einzelnen Knochenmetastasen oder der Lunge zum Einsatz. Auch hier sind die Belastungen für Betroffene überschaubar: leichter Druckschmerz, gelegentlich Taubheitsgefühle, selten Blutungen – die Symptome klingen in der Regel rasch ab.
Welche Methode die richtige ist, hängt von vielen Faktoren ab: Art, Größe und Lage des Tumors, Anzahl der Herde, Zustand des betroffenen Organs, Vorerkrankungen und Vorbehandlungen. In Abhängigkeit von Art und Lage der Tumore lassen sich diese vollständig ausschalten. Manchmal ist die Kombination mehrerer Verfahren sinnvoll. Oft steigern diese Verfahren nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch die Lebensqualität. Gleichzeitig sind sie so schonend, dass sie für die Betroffenen schmerzfrei oder -arm zu überstehen sind. In vielen Fällen sind die Betroffenen nach wenigen Tagen wieder im Alltag. Risiken bestehen, sind aber durch Bildführung, standardisierte Abläufe und die Erfahrung eingespielter Teams gut beherrschbar. Entscheidend ist, sich in einem Zentrum behandeln zu lassen, welches das gesamte Spektrum anbietet und alle Entscheidungen im Team trifft.
Gebündelte radiologische Expertise im starken Netzwerk des Onkologischen Spitzenzentrums >>> Die minimal-invasiven Tumortherapien an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) werden von einem hochspezialisierten, multidisziplinären Team durchgeführt. Expertinnen und Experten der Radiologie arbeiten dabei eng mit kooperierenden Disziplinen wie der Onkologie, Gastroenterologie, Chirurgie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie zusammen, um für jede Patientin und jeden Patienten die individuell bestmögliche Behandlung zu gewährleisten. Die Eingriffe erfolgen nach klaren Qualitätsstandards, eingebettet in Forschung und Lehre, und profitieren von modernster Bildgebung und Kathetertechnik. Der Fachbereich Interventionelle Radiologie wird von Priv.-Doz. Dr. Giovanni F. Torsello geleitet. Gemeinsam mit Dr. Babak Panahi (Leitender Oberarzt) und Dr. Lorenz Biggemann (Leiter CT und CT-Intervention) haben sie die Mikrowellenablation und die Kryoablation an der UMG eingeführt und weiterentwickelt; durch ihre Forschung und klinische Erfahrung tragen sie entscheidend zur kontinuierlichen Verbesserung dieser Verfahren bei. Als Teil des Instituts für Klinische und Interventionelle Radiologie (Direktor: Prof. Dr. Ali Seif) sind sie aktiv an wissenschaftlichen Studien beteiligt und gestalten den medizinischen Fortschritt in diesem Bereich mit. Die Behandlung erfolgt unter dem Dach des UniversitätsKrebszentrums Göttingen (G-CCC), das gemeinsam mit der Medizinischen Hochschule Hannover als Onkologisches Spitzenzentrum der Deutschen Krebshilfe gefördert wird.
Prof. Dr. Ali Seif
Direktor des Instituts für Klinische und Interventionelle Radiologie der UMG
Priv.-Doz. Dr. Giovanni F. Torsello
Bereichsleitung Interventionelle Radiologie des Instituts für Klinische und Interventionelle Radiologie der UMG
Dr. Babak Panahi
Leitender Oberarzt des Instituts für Klinische und Interventionelle Radiologie der UMG
Dr. Lorenz Biggemann
Bereichsleitung CT und CT-Intervention des Instituts für Klinische und Interventionelle Radiologie der UMG.
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