Fabian Freiherr von Berlepsch (47) mit Ehefrau Daniela Freifrau von Berlepsch (46), Sohn Adrian (3) und Tochter Tamina (9)

Seit Oktober 2021 baut Fabian Freiherr von Berlepsch seiner Frau Daniela Freifrau von Berlepsch und seinen Kindern ein Haus. Ganz allein. Wie er darauf kam, und was er mehr als 4000 Stunden später darüber denkt, erzählt der hessische Adlige im Charakter-Interview.

Interview: Ulrich Drees | Fotos: Stephan Beuermann trapezfilm

Herr von Berlepsch, seit Herbst 2021 bauen Sie in Gertenbach ein Haus – und zwar im wörtlichen Sinne, also allein. Wie kommt man auf solch eine Idee?
Der Auslöser war der Wunsch, meiner Frau Daniela – meiner Traumfrau – etwas zu bieten, das ihr gerecht wird. Obwohl sie das nie eingefordert oder erwartet hat und auch immer abwinkt, wenn ich ihr diese Sicht darauf schildere, möchte ich sie irgendwann über die Schwelle tragen, in ihre Augen sehen und diesen Moment genießen.

In der Öffentlichkeit bringt man Sie als Freiherr von Berlepsch ja eher mit dem Schloss Berlepsch in Verbindung. Das macht durchaus auch den Eindruck, als würde es einer Traumfrau gerecht werden können.
Das stimmt, allerdings ist es für uns beide eben der Arbeitsplatz und nicht Wohnort, wie für meinen Vater. Bislang wohnen wir zur Miete und es ist mir wichtig etwas eigenes zu schaffen, ein Heim, wie eine Frau es sich eben wünscht …

Es gibt ja auch diesen Spruch: „Ein Mann soll in seinem Leben ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und einen Sohn zeugen.“ Hat der Sie beeinflusst?
Da steckt natürlich viel Sinnhaftes drin. Mir ging es aber eher um Daniela. Ich selbst könnte auch in einem Schrebergarten wohnen – nur ihr gegenüber sehe ich mich in einer emotionalen Bringschuld. Dieses Haus, ist für mich auch ein Maß dessen, was ich für sie empfinde.

Aber warum bauen Sie es selbst?
Dass hängt einfach damit zusammen, dass ich es mir in der Form, die ich mir wünsche, sonst nicht hätte leisten können. Und als wir dann erst einmal angefangen haben, darüber nachzudenken, was wir alles selbst machen könnten, setzte das so eine ganze Dominokette in Gang.

Haben Sie Ihre Frau dementsprechend in die Planungen einbezogen?
Auf jeden Fall. Die ganze Gestaltung des Hauses stammt eigentlich von ihr. Wo ich für Aspekte wie Energetik und Machbarkeit zuständig war, hat sie das Design bestimmt. Natürlich mussten wir da immer Kompromisse finden. Aber beispielsweise hätte das Haus ohne sie jetzt nicht diese großzügigen, übereinander liegenden Fenster. Ich hätte die einfach verteilt, je nach Funktion des dahinter liegenden Innenraums. Dass wir wiederum nur außenliegende Vorsatzrolladen nutzen, geht auf mich zurück.  Für Daniela ist das so etwa der Antichrist. Aber sie sind einfach energetisch viel sinnvoller und leichter zur reparieren. Ebenso war sie nicht glücklich darüber, dass wir aus Gründen der Finanzierung zwei Einliegerwohnungen im Haus haben werden, die wir dann vermieten wollen.
Sobald das Haus soweit ist, wird sie dann auch die Innenausstattung übernehmen, von der Küche bis Wandverkleidung. Glücklicherweise hat sie ein ausgeprägtes Talent dafür, schöne Dinge für wenig Geld zu entdecken.

Bei Ihnen begann die Eigenleistung ja bereits in der Planungsphase, in der normalweise Architekten, Ingenieure und Statiker aktiv werden. Wie lief das bei Ihnen?
Konkret haben wir das ganze Haus 18 Mal durchgeplant. Beim ersten Entwurf hätte ein Architekt vermutlich noch die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Doch wir haben weitergemacht und uns über die „Dreifaltigkeit“ Energetik, Kosten und Machbarkeit nach und nach dem 18. Entwurf angenähert, in dem dann schließlich alles passte. Dann habe ich einen Kostenplan erstellt. Wieder ein sehr komplexer Prozess, denn ich musste mir immer wieder vorstellen, wie ich jeweils vorgehen würde, ohne es jemals getan zu haben. Insgesamt kamen ca. 1.500 Stunden Planung zusammen, und der Kostenplan umfasste ca. 480 einzelne Punkte, mit denen ich dann zur Bank gegangen bin.

Wie hat die Bank reagiert?
Bei der ersten Bank hielt man mich vermutlich für verrückt, die zweite und dritte waren jedoch dabei, und so war irgendwann auch die Finanzierung unter Dach und Fach.

Und dann ging es los?
Ja, im Oktober 2021 sind wir in See gestochen. Mitten in der Corona-Pandemie. Was uns dann auch gleich zum Umplanen zwang, denn weil die Materialkosten inzwischen so gestiegen waren, musste ich den ursprünglichen Plan aufgeben, mit zwei weiteren Leuten zu arbeiten. Die musste ich komplett streichen, wodurch ich 70.000 Euro sparte, um Material zu kaufen. Insofern liegt es eigentlich an Corona, dass ich wirklich alles allein mache. Ebenso übrigens die Idee, das Projekt mit einem eigenen YouTube-Kanal zu verbinden.
Zwei Tage, bevor der Bagger kam, als hier noch gar nichts war, haben Daniela und ich das erste Video gemacht. Vor Kurzem habe ich es mir noch einmal angesehen.  Das war eine seltsame Atmosphäre. Daniela machte sich Sorgen, dass das Ganze schiefgehen könnte, und ich fühlte mich wie beim Aufbruch in ein unbekanntes Abenteuer.

Wie ging es dann weiter?
Eine der schönsten Zeiten meines Lebens begann. Mich handwerklich zu betätigen, hat mir schon immer Spaß gemacht, seit mein Vater – der selbst sehr hochwertig alte Möbel restaurierte – mir mit 4 Jahren zum ersten Mal Stemmeisen und Hammer in die Hand drückte. Auch später habe ich in jungen Jahren auf Baustellen gearbeitet und immer gern handwerkliche Sachen ausprobiert, über die ich vorher nichts wusste. Bis auf ganz wenige Ausnahmen habe ich die Arbeit an diesem Haus jeden Moment geliebt.

Was wäre so eine Ausnahme?
Für die Deckenbeleuchtung musste ich über Kopf 800 Löcher ausmessen und dann über Kopf in den Stahlbeton bohren. Das habe ich wirklich gehasst.

Und wie viele Momente sind es inzwischen?
Bis heute, am 12. Juni, sind ca. 2.500 Arbeitsstunden zusammengekommen, dazu aber noch einmal zahlreiche weitere Planungsstunden. Gestern habe ich beispielsweise auf der Baustelle selbst keinen Finger gerührt, sondern zu Hause weiter an der Installation von Wasser, Heizung und Strom geplant.

Ihre Planungen scheinen sehr umfassend zu sein?
Sie dauern natürlich länger, weil ich das ja alles noch nie gemacht habe. Es ist jedoch auch inhaltlich spannend, dabei wirklich in die Tiefe zu gehen und sich nicht einfach auf die Aussage von jemand anderem zu verlassen. Um ein KfW-Darlehen zu bekommen, muss man beispielsweise eine Wärmebilanzierung machen. Im Normalfall geht es dabei darum, über die Dämmwerte der einzelnen Bauteile zu einem Wert zu kommen, der dann noch einmal mit pauschalen Korrekturwerten bereinigt wird. Dann kommt man bei den entsprechenden Daten an, die für das Darlehen nötig sind. Das ist der einfache Weg. Für den anspruchsvolleren braucht man eine spezielle Software, mit der man eine sogenannte detaillierte Wärmebrückenberechnung erstellt, die dann eine viel exaktere Simulation der Wärmeverluste ermöglicht und somit eine adequatere Wahl der Dämmmaßnahmen. Ich habe mir das eigens von einem Privatdozenten der Universität Kassel erklären lassen. Warum? Weil ich jetzt nicht mehr einfach den maximalen Dämmwert für die Hausmauern nutze, sondern eine etwas dünnere Dämmung, die mich am Ende zwar jährlich 80 Euro mehr an Heizkosten kostet, dafür aber schon vom Materialaufwand her eine bessere CO₂-Bilanz aufweist, vor allem aber im Innenraum 21 m² weniger an Fläche verbraucht. Wenn ich mir ausrechne, dass ich diese Fläche zu 10 Euro pro m² – die Einliegerwohnungen sind, wie gesagt, gehobener Standard – vermieten kann, dann nehme ich darüber in 30 Jahren ca. 75.000 Euro ein. Ich finde, da lohnt sich der Aufwand.

Schon aus Sicherheitsgründen werden Häuser in Deutschland für gewöhnlich von Fachleuten, wie Handwerksmeistern, Statikern und Architekten, errichtet. Wie haben Sie die nötige Qualität garantiert?
Natürlich habe ich in allen Bereichen, vom Architekten über den Statiker bis zum Maurer, Dachdecker und Klempner Profis einbezogen. Das funktionierte immer so, dass ich einen Arbeitsabschnitt durchdachte, mich eingelesen und eingearbeitet habe, während ich, wo nötig, Fragen stellte. Die haben mich wirklich großartig unterstützt und haben sich am Ende von dem Projekt regelrecht mitreißen lassen. Oft konnte ich auch abends noch anrufen. Am Ende entstand dann jeweils ein Planungsentwurf, den die Experten dann korrigieren und anpassen konnten, bis er gut war. Dann setzte ich das um, und ließ es am Ende von den Profis absegnen, oder machte es noch einmal, was glücklicherweise aber selten vorkam. Wie auf anderen Baustellen auch, wird das durch die jeweiligen Rechnungen der Experten dokumentiert, die ich für ihre Beratungsleistungen natürlich auch bezahle.

Wie haben die Experten reagiert? Immerhin verdienen die an Ihrem Haus ja vermutlich weniger, als wenn sie selbst gearbeitet hätten.
Das war aus deren Sicht kein Problem. Nicht nur, weil ich sie ja bezahlt habe, sondern auch, weil viele der Arbeiten, die ich ausführe, für einen Handwerksmeister ja vollkommen unattraktiv sind. Ein Elektriker beispielsweise will keine Kabelstränge verlegen, der hat Freude daran, den Zählerkasten einzurichten. Natürlich dauert es länger, wenn ich diese einfacheren manuellen Arbeiten erledige, und vielleicht kostet es auch mal etwas Material, wenn etwas schiefgelaufen ist, insgesamt ist es aber deutlich günstiger.
Möglicherweise sehen die Handwerksverbände das anders, aber aus meiner Sicht ist diese „Arbeitsteilung“ auch eine sinnvolle Reaktion auf den Fachkräftemangel im Handwerk. Wenn sich die Experten darauf konzentrieren können, in ihrer Arbeitszeit nur die wirklich anspruchsvollen Arbeiten zu erledigen, können sie ihr Fachwissen viel effizienter nutzen. In der Wirtschaft ist diese sogenannte Skalierung ein längst anerkanntes Konzept.

Sie bauen ja nicht nur ein Haus, sondern gehen ja weiter Ihrer ganz alltäglichen Arbeit rund um Schloss Berlepsch nach. Wie lässt sich das vereinbaren?
Ich arbeite nach „Feierabend“, bzw. wenn gerade Zeit ist auf der Baustelle. Da ich im Oktober anfing, bedeutete das, dass ich hier oft im Dunkeln und bis spät in die Nacht am Werk war. Um die Nachbarn nicht zu sehr zu stören, habe ich auch kein Flutlicht genutzt, sondern nur eine Stirnlampe eingesetzt. Es war manchmal eisig kalt, aber mit guter Musik auf den Kopfhörern und in meiner gemütlichen, warmen Arbeitskleidung habe ich auch diese Nächte genossen.

Nachts, allein, nur mit einer Stirnlampe auf der Baustelle – haben Sie sich auch mal verletzt?
Einmal ist mir nachts um 23 Uhr ein Werkzeug auf die Hand – genau zwischen den Ansatz von Zeigefinger und Daumen – gefallen. Bis auf meine Stirnlampe war es stockfinster, und ich telefonierte gerade mit Daniela, um ihr zu sagen, dass es wohl noch bis 4 Uhr dauern würde, bis ich nach Hause kommen könnte, weil am nächsten Morgen betoniert werden sollte.
Der Schmerz war so intensiv, ich dachte, die Hand sei gebrochen. Mir wurde speiübel, und ich spürte meinen Kreislauf aussetzen, sodass ich mich auf die Treppe setzte und tatsächlich einen Moment lang „weg“ war. Währenddessen war die ganze Zeit Daniela am Telefon, die sich natürlich schlimme Sorgen machte. Ich bin dann erst mal nach Hause gefahren und frühmorgens wieder zurück, sodass das Betonieren trotzdem noch gelang.

Wie weit sind Sie jetzt?
Der Rohbau inklusive des Dachstuhls ist fertig, das Dach samt Dämmung eingedeckt, die 45 Fenster und Türen sind drin, ebenso die Treppen, und die Klempnerarbeiten wurden abgeschlossen. Aktuell fehlen mir noch die letzten 5 Prozent der Elektroinstallation, die sind zäh, weil es plötzlich noch an so viele Details zu denken gilt, die später nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Alles selbst gemacht?
Alles selbst gemacht.

Daniela Freifrau von Berlepsch

Frau von Berlepsch, ohne Sie gäbe es das Haus nicht, das Ihr Mann gerade bau. Wie haben Sie Zeit seit Oktober 2021 erlebt?
Als verheirateter Single. Allerdings ist Fabian eigentlich immer derart engagiert. Als er damals den Betrieb auf Schloss Berlepsch aufgebaut hat, war es nicht anders. Wir feiern unsere Feste einfach, wie sie fallen. Ein Freibadbesuch ist da schon so wie für andere Weihnachten.

Wie ist das für Sie, wenn er sagt, er baut das Haus für Sie, seine Traumfrau?
Unser Haus trägt den Untertitel „Das Haus der tausend Kompromisse“. Umzingelt von Mietwohnungen suche ich meinen Kamin, meine Garage, meine Privatsphäre, aber das wäre dann nicht wirtschaftlich oder energetisch nicht sinnvoll. Dafür darf ich die Farbe des Putzes aussuchen … Im Ernst: Ich glaube ihm das. Und Wirtschaftlichkeit und Energetik machen ja auch Sinn. Mir ist auch lieber, dass er so ein Projekt rockt, als dass ich mit ihm darüber diskutieren müsste, ob er noch mal tausend Euro in seine Modellbaueisenbahn versenkt, oder warum er immer so betrunken von den Fußballspielen nach Hause kommt.

Neben dem Äußeren des Hauses, das Sie maßgeblich gestaltet haben, werden Sie auch die Inneneinrichtung übernehmen. Freuen Sie sich schon darauf?
Schon, aber momentan hänge ich da noch sehr in der Luft. Wenn ich jetzt beispielsweise irgendwo ein Angebot für tolle Fliesen sehe, kann ich sie eben noch nicht kaufen, weil wir gar nicht wüssten, wohin damit. Ich darf sozusagen jagen gehen, aber noch keine Beute machen.

Als Frau eines „Selbsthausbauers“ – würden Sie die Erfahrung weiterempfehlen?
Man muss sich klar sein, dass man so ein Projekt zeitlich überhaupt nicht abschätzen kann, man also eine sichere Wohnsituation haben sollte. Außerdem ist eine große Ehrlichkeit gegenüber den eigenen Fähigkeiten nötig, man kann nicht unbedingt ein Haus bauen, nur weil man mal drei Regale zusammengeschraubt hat. Auch für den Fall einer Verletzung braucht es einen Plan B. Wer kann dann weitermachen? Es kann sehr teuer werden, wenn man am Ende doch Handwerker einschalten muss – und jemanden, der kaum Schlaf braucht. Ich kenne niemanden, der mit so wenig Schlaf auskommt, wie Fabian oder sich zwischendurch einfach mal ein Stündchen Schlaf abholen kann. Es ist bemerkenswert, wozu er bereit und in der Lage ist, solange er das Gefühl hat, das macht jetzt Sinn.

Der YouTube-Kanal
Mit seinem YouTube-Kanal „Schatz ich bau ’n Haus“ konnte Fabian von Berlepsch bereits mehr als 3.700 Abonnenten überzeugen und auch eine Reihe von Sponsoren für sein Projekt gewinnen. „Die Videos waren aber nicht dazu gedacht“, erklärt Fabian von Berlepsch. „Die Einnahmen aus dem Sponsoring fallen nicht so sehr ins Gewicht. Es ging mir vor allem darum, meine Freude an diesem Abenteuer zu dokumentieren, weil mir natürlich bewusst war, dass ich da etwas nicht ganz Alltägliches vorhabe. Ich wollte einfach zeigen, dass man es schaffen kann. Natürlich haben die Reaktionen darauf mich dann motiviert, weiterzumachen.“
@SchatzIchBauEinHaus

Kann ich das auch?
Selbst ein Haus bauen? Das klingt nicht nur nach einer Herausforderung, das klingt auch nach viel gespartem Geld. Doch was sagt einer, der mittendrin steckt, ist das der neue Weg zum Eigenheim?
„Ich kann es empfehlen“, meint Fabian von Berlepsch. „Es hat als Erfahrung einfach eine große Sinnhaftigkeit, allerdings nur unter einer Bedingung: Man muss total Bock auf Bauen haben. Macht man es nur des Geldes wegen, geht man kaputt. Dann kann es zum schlimmsten Alptraum werden. Mein YouToube-Kanal ist letztlich auch dazu gedacht, anderen zu zeigen, was da auf sie zukommt.“