Düfte aus der Parfum-Serie Annette Neuffers
Seit einiger Zeit bin ich auf der Suche nach einem neuen Duft für mich. Das ist bei mir kein leichtes Unterfangen. Einerseits habe ich eine ziemlich gute Nase, zweitens eine spielverderbende Hautchemie und drittens ein Umfeld mit dem Hang zu entwaffnender Ehrlichkeit.
Text: Lutz Stein| Fotos: iStock, Hersteller, privat
Von hui bis pfui >>> Begegnungen jener penetranten Art, wenn uns eine Duftwolke in Menschengestalt zu nah kommt, kennen wir alle. Doch Duft geht auch mit Stil. Kürzlich traf ich mit einem Geschäftspartner zusammen – sympathischer Typ, gepflegte Erscheinung, geschäftlich leger gekleidet – dessen Parfüm ihm wie ein guter Maßanzug stand. Die harzig-grüne Basisnote, wahrscheinlich Vetiver, passte zu ihm ebenso wie zur Jahreszeit, und dank einer Silage (im Deutschen würde man das wohl mit Dunstkreis übersetzen) von etwa einem halben Meter war sein Duft gut wahrnehmbar, ohne aufdringlich zu wirken. Ein rundum positiver Eindruck.
Und genau das ist es, was ein gut ausgesuchtes Parfüm leisten kann. Wenn wir jemanden gut riechen können, dann mögen wir ihn, und wenn wir ihn mögen, dann lassen wir uns auf ihn ein, sei es privat oder geschäftlich. Der gute erste Eindruck entsteht im Stammhirn, und das erreichen wir nicht mit den Waffen des Intellekts.
Die leise Welt der flüchtigen Chemie >>> Künstliche Düfte umgeben uns heute nahezu überall, meist ohne dass wir sie bewusst wahrnehmen. In Wasch- und Putz- und Lebensmitteln, in Zahn-, Haar- und Hautpflegeprodukten, in der Raumluft von Fahrzeugen, Märkten, Kaufhäusern und Hotels. Ohne moderne Chemie wäre dieser olfaktorische Overkill unmöglich, denn um den weltweiten Duftstoffbedarf wie vor 200 Jahren nur durch Verwendung natürlicher Ingredienzien zu decken, bräuchten wir zu deren Anbau die Fläche einiger Dutzend fruchtbarer Planeten.
Die Qualität eines Parfums >>> Was macht die Qualität eines guten Parfums aus? Die Güte der Inhaltsstoffe und deren Kombination. Duftstoffe der Qualität wie sie in Lenor oder Dosensuppen verwendet werden, würden wir wohl kaum auf unsere Haut sprühen. Die wahre Meisterschaft der Parfumherstellung liegt jedoch in der Auswahl und Komposition der verschiedenen Duftkomponenten zu einem olfaktorischen Gesamtkunstwerk. Gute Parfums können durchaus günstig sein. Ein Beispiel hierfür ist der deutsche Parfumklassiker überhaupt: 4711. Weil die Anzahl an günstig herstellbaren, qualitativ hochwertigen Duftkomponenten aber überschaubar ist, riechen gute Budgetdüfte meist recht ähnlich. Zudem verfliegt der Duft aus Parfums mit geringerer Konzentration an Duftstoffen viel schneller als der aus einem intensiven Eau de Parfum. Nicht zu unterschätzen ist für die gute Entfaltung eines Duftes übrigens auch ein hochwertiger Zerstäuber.
Richtig lagern! >>> Parfum kann schon nach wenigen Monaten völlig verändert sein oder viele Jahre lang wie frisch gekauft riechen. Direktes Sonnenlicht und ein ständiger Wechsel von Temperatur und Luftfeuchtigkeit lassen Parfum rapide altern. Weil nicht jeder einen temperierten Weinschrank oder Humidor im Hause hat und der Gang vom Bad dorthin auch nerven kann, wird als Mindeststandard die möglichst heizungsferne Lagerung in einem dunklen Schrank oder zumindest in der Umverpackung des Parfums empfohlen.
Wie findet man seinen Duft? >>> Hier hilft nur testen. Am einfachsten geht das mithilfe einer erfahrenen, duftbegeisterten Verkäuferin in einer Parfümerie mit einem großen und hochwertigen Sortiment. Göttingen hat „Liebe“, doch die besten Geschäfte findet man logischerweise in den Metropolen der Welt, und dort einfach mal reinzuschnuppern, ist schon ein Erlebnis. Wenn es um olfaktorische Wahrnehmungen geht, ist es nicht immer einfach, die richtigen Worte für deren Beschreibung zu finden. Das Schöne beim Kauf in der realen Welt ist die Möglichkeit des Testens vor dem Kauf. Die Kopfnote eines Parfums (das ist die, welche einem sofort beim Aufsprühen in die Nase steigt) entfaltet sich auf Haut und Pappstreifen halbwegs ähnlich. Wenn schon auf dem Papier der erste Eindruck nicht passt, kann man sich die Beduftung der Haut schon mal sparen. Umgedreht entwickelt sich ein anfangs schöner Duft auf der Haut nicht selten nach einiger Zeit ins Unerfreuliche. In einer guten Parfümerie wird man Sie nie zum Sofortkauf nötigen, sondern Ihnen gerne eine Probe von infrage kommenden Parfums mit nach Hause geben. Belohnen Sie diesen Service, indem Sie das Parfum nach ausgiebigem Testen bei Gefallen auch dort kaufen.
Eine Alternative sind seriöse Onlineparfümerien wie „Aus Liebe zum Duft“, bei denen man zum fairen Preis Duftproben bestellen kann. Auf digitale Schnäppchenjagd sollte man beim Parfümkauf lieber verzichten, denn kaum eine andere Ware lässt sich so einfach und lukrativ faken wie ein teurer Markenduft. Die für mich beste Internetseite zum Thema Düfte ist „Parfumo“, eine Plattform auf der sich Parfumfans miteinander austauschen. Hier findet man Beschreibungen zu fast allen Düften der Welt, und von den meisten kann man auch aus dem „Souk“ der zahlreichen Mitglieder Duftproben zu deren Selbstkostenpreis kaufen. Den Duftbeschreibungen auf Parfumo darf man nach meinen Erfahrungen aber nicht immer blind vertrauen. Jeder nimmt Düfte anders wahr, und wenn in der Community eine nicht mehr ganz taufrische Duftprobe eines Exoten die Runde macht, haben die anschließend veröffentlichen Duftbeschreibungen mit dem frischen Parfüm vom Hersteller eher wenig zu tun. Unter dem Strich ist Parfumo jedoch eine große Hilfe und zudem sehr unterhaltend.
Besondere Düfte >>> Seit Oktober vergangenen Jahres habe ich ausgiebig Parfums dies- und jenseits des Douglas-Mainstreams getestet und deren Duftverlauf dokumentiert. Unter dem Strich haben mir die Parfums britischer Dufthäuser am besten gefallen, und besonders angetan haben es mir dabei die Marken Heeley und Haeckels. Letztere ist eine ganz kleine Manufaktur mit einem vorbildlich nachhaltigen Gesamtkonzept.
Wirklich außergewöhnliche Parfums fand ich bei Annette Neuffer. Die Münchenerin bedient nicht aktuelle Trends, sondern kreiert ihre intensiven Düfte weitgehend intuitiv und ausschließlich aus natürlichen, teilweise sündhaft teuren Duftstoffen.
Annette Neuffer
Duftdesignerin und Inhaberin von www.naturparfum.net
Frau Neuffer, wie kommt eine Jazz-Musikerin zur Parfumherstellung?
Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für Düfte, schon als ganz kleines Kind habe ich im Garten meiner Oma sämtliche Pflanzen analysiert. Es gibt von mir eigentlich gar kein Kinderfoto, auf dem ich nicht gerade Blumen in der Hand habe und daran rieche. Das Thema hat mich nie wirklich losgelassen, und ich habe immer mal wieder mit Düften experimentiert. Ernsthaft angefangen habe ich mit der Parfumproduktion aber erst 2012, als ich in ein neues Haus in Freising gezogen bin. Das hatte eine zweite Küche, und ich habe sofort gedacht „Das wird mein Duftlabor.“
Waren Sie schnell im Geschäft?
Nicht so ganz. Meine ersten intensiveren Experimente ab 2005 hätten eher gut als Repellent funktioniert, doch es nahm durch extrem viele Versuche allmählich Gestalt an. Glücklicherweise hatte ich über Parfumforen einige Kontakte geknüpft und hin und wieder mit anderen Usern Parfumproben ausgetauscht. Aufgrund einiger euphorischer Reviews in Blogs und Foren für mein erstes Parfum Avicenna im Jahr 2007 waren plötzlich Dutzende E-Mails aus aller Herren Länder in meinem Postfach. Anfangs war ich beinahe geschockt, dass die Leute das, was ich mache, tatsächlich kaufen wollten.
Ist die Parfumherstellung mittlerweile ein Geschäft für Sie, von dem Sie leben können?
Ich habe meine Düfte nie als Geschäftsmodell mit Businessplan geplant. Es ist eher eine Mischkalkulation, denn ich mache ja immer noch Musik und unterrichte auch einen Tag in der Woche an einer Musikschule. Ich möchte das auch nicht ändern, zumal die europäische Regulierungswut das Ganze langfristig auch unkalkulierbar macht. Der olfaktorische Mainstream ist heute an billig reproduzierbare, synthetische Riechstoffe angepasst, die man von Kind an schon aus allen möglichen Wasch- und Putzmitteln kennt. Viele Konsumenten sind darauf derart konditioniert, dass sie als Parfum nur das wahrnehmen, was die typischen synthetischen Komponenten wie z. B. Galaxolide oder Iso-E-Super etc. beinhaltet. Wenn man, wie ich, nur natürliche Rohstoffe verwendet, die rein chemisch betrachtet ja ein Gemisch aus Hunderten von Duftmolekülen darstellen und zudem noch bis zu dreimal so teuer wie Gold sind, ist das natürlich im geschäftlichen Sinne kein Abräummodell mit den handelsüblichen Gewinnmargen.
Was macht aus Ihrer Sicht ein gutes Parfüm aus?
Aus meiner Sicht ist ein Duft gut, wenn er komplex ist, wenn er mir eine Geschichte erzählt, positive Erinnerungen und Wohlbefinden hervorruft. Für mich zählt auf jeden Fall noch die Abwesenheit von Synthetik dazu, einfach weil ich das Natürliche, das Pflanzliche und Authentische liebe.
Welche aktuellen Dufttrends gibt es derzeit?
Bei meinen eigenen Kreationen setze ich nicht auf Trends. Während meiner Besuche der Münchener Parfümerien fällt mir aber seit Längerem auf, dass der Begriff des Natürlichen auch im Mainstreambereich immer wichtiger wird. Das ist natürlich in erster Linie Marketing mit schönen Worten und vielen Blümchen. Labdanum ist derzeit sehr populär. Seit einigen Jahren gewinnen auch archaische Substanzen wie Weihrauch und Oud zunehmend an Bedeutung. Nur dass in Kaufhausdüften eben kein wirkliches Oud drin ist. Was ja auch nicht schlimm ist, denn so viel Oud könnte weltweit niemals erzeugt werden, sowie auch viele andere seltene natürliche Rohstoffe. Die weltweite Knappheit natürlicher Vanille ist übrigens momentan ein sehr großes Problem.
Wie findet man am besten seinen eigenen, individuellen Duft?
Wenn ich Parfumworkshops gebe, lasse ich die Leute an unterschiedlichen Rohstoffen riechen und mit einer Skala von 1-10 bewerten. So können sie ganz einfach herausfinden, welche Noten ihnen am meisten zusagen und sich dann bei Düften umsehen, die eine Kombination dieser Noten enthalten. Im Workshop selbst kann man natürlich einfach ein wenig mit diesen Noten und ihren Möglichkeiten experimentieren.
Kommen zu Ihnen Menschen, die ein individuelles Parfum haben wollen, das sonst keiner hat?
Eher selten, dafür müsste man schon sehr gut betucht sein. Ich hatte einmal einen Kunden hier, der Botschafter eines arabischen Staates war. Er kam extra aus Berlin angereist und hatte ein bestimmtes Oud-Öl dabei. Mit ihm habe ich zusammen eine Duftmischung gefertigt, in die wir sein Oud-Öl eingearbeitet haben. Einen völlig neuen Duft für eine Person zu entwickeln, wäre bei dem Aufwand, den ich dazu teils über Jahre hinweg betreibe, allerdings schon ziemlich kostspielig, aber natürlich nicht unmöglich.
Welche Düfte tragen Sie selbst? Nur Ihre eigenen?
Ja, fast ausschließlich. Und am liebsten mag ich die schweren, orientalischen, würzigen Düfte. Ich halte es da mit dem Motto „wenn schon, denn schon“ und trage entweder gar keinen oder einen üppigen Duft.
Haben Sie einen aktuellen Favoriten?
Zurzeit benutze ich meistens „Mellis“, von dem manche Leute sagen, er rieche wie ein Weihnachtsteller. Erfreulicherweise werde ich auf diesen Duft sehr häufig positiv angesprochen.
Sur la Route von Louis Vuitton startet mit einer wunderschönen Zitrusnote und entwickelt bald danach zusätzliche Duftnoten, die an gemähtes Gras erinnern. Für Menschen ohne Gräserallergie ein angenehmer, leichter Duft für schöne Frühlings- und Sommertage.
Bei der Komposition des Duftes Flowers Turn Purple von Floraiku hatte Symrise, ein Global Player der Duft- und Geschmacksstoffwelt mit Hauptsitz in Holzminden, seine Hände im Spiel. Einem einzigartigen blumig-frischen Start folgt ein etwas unauffälligerer, aber angenehmer Langzeit-Duftzustand. Ein feiner Duft für Frühling und Sommer mit leicht femininem Touch.
Bei Moonlight Shadow von Prada sind Kakao und Früchte sofort präsent und werden im weiteren Verlauf mit rauchigem Leder ergänzt. Der Duftverlauf endet in trockenem Zedernholz. Ein ausgefallener, leckerer, hinreichend dezenter Ganzjahresduft für den Abend.
Sahara Blue aus der Art Collection-Serie von Moresque beginnt mit einer sehr natürlich anmutenden frischen Frische aus Zitrone und Pfeffer. Nach einigen Minuten entwickelt der Duft eine dezent ingwer-krautige Note, die im Verlauf an grünen Tee erinnert. Ein ebenso hervorragendes wie kostspieliges ganztagstaugliches Parfum für die wärmeren Tage.
Wonderwood von Comme des Garcons nimmt seinen Träger mit auf eine lange Reise von pfeffrigem Weihrauch hin zu trockenem Holz. Ein alltagstauglicher Duft für kühlere Tage, dessen Weihrauchkomponente auf der Haut wesentlich natürlicher wirkt als auf Papier.
Wer Weihrauch pur sucht, greift zu Cardinal von Heeley. Die ersten Minuten mutet der Duft noch etwas weihrauchtypisch alkalisch an, doch nach einer Viertelstunde kommt der Pfeffer durch und der Duft damit in Fahrt. Durchhalten lohnt sich, denn nach gut einer Stunde trägt man passend zur kalten Jahreshälfte den vielleicht schönsten Weihrauchduft der Welt.
Fugit Amor von Jul et Mad startet mit einer frischen Note aus Gewürzen und Ingwer. Im Abstand mehrerer Minuten kommen nacheinander Pfeffer, harzige Waldnuancen, eine dezente Ambersüße und Zedernholz ins Spiel. Im weiteren Verlauf erzeugen Zeder, Vetiver und Pfeffer gemeinsam die täuschend echte Duftillusion duftenden, staubtrockenen Saunaholzes, die zu allen Gelegenheiten tragbar ist. Toll.
Haeckels Düfte sollen den Zauber von Orten aus der Umgebung des britischen Parfumhauses abbilden, und zur Orientierung gibt man die genauen Koordinaten gleich im Parfumnamen an. Botany Bay 51° 23’ 19”N 1° 26’ 3”E bietet ein unglaublich herb-grünes Erlebnis, das mit wildem Gras startet und nach einer Stunde das Naturerlebnis mit einer leichten Süße kombiniert und über 12 Stunden konserviert. Die von Haeckels selbst erzeugten natürlichen Substanzen bieten ein völlig eigenständiges, grandioses Dufterlebnis.