Göttingen als Whisky-Stadt zu bezeichnen wäre vermessen. Weder gibt es hierorts darauf spezialisierte Geschäfte noch findet man Bars, deren Angebote man als herausragend bezeichnen könnte. Dennoch geht hier was.
Text: Lutz Stein | Fotos: iStock, Sylvia Stein, Hersteller, privat
Wo kaufen?
Wer in der Disziplin Flaschenkauf in Göttingen sein Whiskyglück suchen möchte, schaut vielleicht bei Barley & Hops, bei Bremer, bei Edeka Köhler an der Kasseler Landstraße oder bei Ewert Tee und Gewürze vorbei. In Northeim lohnt ein Besuch der Vinothek. Als Geheimtipp der Region sei Edeka Gotthardt in Duderstadt empfohlen.
Beim Kauf beachten
Wie die meisten Lebensmitteltests werden auch professionelle Whiskyverkostungen nicht ohne Grund morgens oder vormittags angesetzt. Die sensorischen Zellen und die sie verarbeitenden Zentren des Gehirns sind kurz nach dem Aufstehen ausgeruht und lassen deutlich intensivere Geruchs- und Geschmackserlebnisse zu als der Konsum zu später Stunde. Wer seinen Whisky in Geschäften oder auf Messen dort tagsüber probiert, sollte also nicht überrascht sein, wenn der vermeintlich gute Tropfen am Abend nicht mehr ganz hält, was er ein paar Stunden zuvor noch versprochen hatte. Im Whiskyladen vor dem Kauf ein Gläschen probieren zu können, ist ein unbestreitbarer Vorteil des Buy Local. Leider füllen aber die wenigsten Läden ihre Flaschen nach dem erstmaligen Öffnen in kleine Probierfläschchen um. Wenn dann die zur Neige gehende 0,7-Liter Flasche, aus der man ein Schlückchen zum Probieren ins Glas bekommt, schon einige Monate offen steht, hat der Probeschluck nur noch teilweise mit dem zu tun, was zu Hause aus einer frisch geöffneten Flasche ins Glas fließt. Am geringsten ist die Trefferquote allerdings bei den Flaschen, die man aufgrund blumiger Beschreibungen und guter Kritiken im Internet bestellt. Hier empfiehlt es sich, zunächst Probiergrößen, meist Miniaturen genannt, zu bestellen und die großen Brüder erst später bei Gefallen nachzukaufen. Eine besonders analoge, sehr gesellige und zu Recht immer beliebter werdende Variante zur Suche des persönlichen Lieblingswhiskys sind Tastings.
Ein Whisk(e)y-Abend in Göttingen
von Helge Koch
Jede wirklich gute Bar führt ihre Gäste individuell und ausführlich in die Welt des Whisk(e)ys ein. Meine Lokalrunde beginnt im Esprit oder im Herbarium. In beiden Bars trifft man auf echte, sympathische Profis und ihre Geschichten zu dieser Spirituose. Neugierigen sei die recht große Auswahl der DIVAlounge ans Herz gelegt. Gut informiert und für das Thema erwärmt, geht es weiter in die Monster Bar. Dort lasse ich dem straight Whisk(e)y einen Cocktail folgen, der modern oder klassisch den Durst löscht und tiefere Einsichten ins „uisge beatha“ erlaubt. Zur Welt des Whiskys gehört unbedingt auch die Atmosphäre eines Pubs, und so führt der Weg zum etwas versteckt gelegenen The Queen’s Head, wo ich mich auf einen tiefsinnigen Dialog mit Bier und Whisky einlasse. Braucht der Abend schließlich noch eine Bar „at the end oft he road“, mit Rauch, Spirit und Rob dem Schotten, lande ich in der Buddha Lounge und der Weisheit: Ein Jameson geht immer und überall.
Whisky-Tastings
Die Bandbreite dieser Genuss-Events reicht vom kleinen Treffen im privaten Kreis, bei dem jeder eine Flasche mitbringt, die dann von allen probiert wird, bis hin zum feudalen Empfang an vornehmsten Orten mit professionellem Barpersonal und dem Whiskyfachmann von Weltruhm, der kurzweilig alles Wichtige über die zu probierenden Edelbrände zu berichten weiß. In Göttingen werden Whisky-Tastings von den meisten der oben erwähnten Göttinger Adressen angeboten, wobei insbesondere die Events mit Hans Strenge bei Bremer einen sehr guten Ruf genießen. Näher eingehen möchte ich allerdings auf ein weniger öffentliches Event. Unter dem Label Private Whisky Tastings Bovenden lädt Camil Grubinski etwa zehnmal im Jahr Genießer zu aufwendig gestalteten Tastings in seinen extra dafür hergerichteten Whiskykeller.
Herr Grubinski, wie entstand diese Idee?
Nachdem ich begonnen hatte, mich für Whisky zu interessieren, habe ich zahlreiche Tastings bei verschiedenen Anbietern besucht, um überhaupt ein Gefühl dafür zu bekommen, warum gerade Whisky so besonders sein soll. Die kommerziellen Tastings liefen meistens nach dem gleichen Schema ab: Man bekam sechs bis acht Drams, ein bisschen Wasser und hörte dem Moderator etwa zwei Stunden zu. Und länger dauerten diese Tastings im Regelfall dann meist nicht. Ich dachte mir, das geht doch auch anders.
Wie laufen denn Ihre Tastings ab?
Ganz ungezwungen, vergleichbar mit einem Treffen unter Freunden. Es gibt keine Moderation, sondern die Teilnehmer tauschen sich untereinander aus. Es sind Blind Tastings in denen keiner außer mir vorher weiß, was zu welchem Preis im Glas ist. So kann man am ehrlichsten an die Materie rangehen, und zum Genießen unserer sechs Drams zu je 2cl lassen wir uns sechs Stunden Zeit und gönnen uns in der Halbzeitpause zudem ein warmes Essen.
Was ist denn so und zu welchem Preis bei Ihren Tastings im Glas?
Überwiegend sind das Single Malt Whiskys, Single Casks und oft in Fassstärke. Ich suche vor allem Flaschen aus, die man auf dem Markt nur schwer bekommt. Die Kosten werden 1:1 auf die Teilnehmerzahl verteilt, sprich: Jeder zahlt das, was er verzehrt, zum Einkaufspreis. Im Grunde ist es vergleichbar mit einer Flaschen-Teilung, nur dass das mit vielen Flaschen gemeinsam an einem Tisch getan wird. Die Tastings kosten die Teilnehmer dadurch deutlich weniger als die von kommerziellen Anbietern. Diesen Vorteil nutzen wir, um auch hochwertige Flaschen im Wert von einigen hundert Euro zu öffnen, denn wir sind auf der Suche nach der perfekten Balance zwischen Geruch, Geschmack und Nachklang.
Sind Sie und Ihre Gäste eine geschlossene Gruppe, oder können Interessierte auch einmal daran teilnehmen?
Wir sind keine feste Gruppe in dem Sinne, auch wenn man einen Teil der Teilnehmer durchaus als Stammgäste bezeichnen kann. Die maximale Teilnehmerzahl liegt bei zwölf Personen, und solange noch Plätze frei sind, ist jeder, der interessiert ist, willkommen. Wer Lust darauf verspürt, eher seltene Whiskys zu probieren, ohne sich gleich eine ganze Flasche davon kaufen zu müssen, der kann sich unter grubinskicamil@gmail.com gerne bei mir melden, ohne Teilnahmegarantie und Gewinnabsichten, aber garantiert mit der nötigen Leidenschaft.
Whisky-Lagerung
Füllen Sie Ihre besten Whiskys (wie alle hochwertigen Spirituosen) am besten in mehrere kleine Flaschen ab. Im Flaschenland finden Sie auch die passenden Verschlüsse und Klebeetiketten. Besorgen Sie sich zum Abdichten noch Parafilm-Streifen in der Größe 3 x 10 cm, youtuben Sie deren Bedienung, und Ihre handversiegelten Fläschchen bleiben über Jahre frisch wie am ersten Tag. Vorausgesetzt, Sie bunkern die Kleinen dunkel und nicht viel wärmer als bei Zimmertemperatur. Am wichtigsten jedoch: Hochprozentiges, das mit einem Korken verschlossen ist, muss immer stehend lagern! Mögen Weine und Korken verträgliche Partner sein – Schnaps hat Korken zum Fressen gern und verleibt sich mit ihm in erstaunlich kurzer Zeit einen äußerst unschönen Fehlgeschmack ein.
Torf und Rauch
Seinen natürlichen Rauchgeschmack erhält Whisky, wenn die Trocknung (das Darren) der gewässerten Gerste am Ende des Malzprozesses durch den warmen Rauch eines Torffeuers erfolgt. Während es bis ins 19. Jahrhundert mangels ausreichender Holzvorkommen in weiten Teilen der schottischen Highlands und deren vorgelagerten Inseln Usus war, die Erde der dort in großer Menge vorhandenen Deckenmoore als Heizstoff zu verwenden, ist die Torfheizung heute schon allein aus Kostengründen aus der Mode gekommen. Torf entsteht, wenn abgestorbene Pflanzen am Grunde eines Gewässers nicht biologisch abgebaut, sondern dort über die Jahrhunderte gewissermaßen gestapelt werden. Das Aroma dieses organischen Materials hängt davon ab, in welcher geographischen Region es sich gebildet hat. Eine besondere Stellung nimmt hier die dem Südwesten Schottlands vorgelagerte Insel Islay ein. Der hier abgebaute Torf verleiht den Islay-Whiskys ihre vielschichtigen, von salzig über torfig bis zu medizinisch-phenolisch riechenden Aromen.
Ein schöner Einstieg in die Welt der rauchigen Schotten ist der Ardmore im Port Wood Finish. Ein weicher, runder 12-jähriger Highland-Whisky, der im Portweinfass lagerte und die damit verbundenen Fruchtnoten mit einem dezenten Raucharoma verbindet. Mit dem Ardmore holt man sich einen ausgewogenen, dezent rauchigen, leicht pfeffrig-süß-salzig-fruchtigen Whisky ins Haus, den man zu jedem Anlass anbieten kann, und das gerne pur.
Der geographisch logische Weg zu mehr Rauch würde nun über Orkney (Highland Park) und die Isle of Skye (Talisker) verlaufen, doch meine Empfehlung ist die, direkt nach Islay zu springen und zu einem Bowmore 15 zu greifen. Bowmore ist sozusagen die milde Sorte der Islay-Destillen und der 15-Jährige aus dem Sherry-Fass die aromatisch logische Fortsetzung des Ardmore: eine Spur rauer, schärfer – die Islay-typische Salznote macht’s – aber immer noch unglaublich vielschichtig und ausgewogen. Die Zugabe von ein paar Tropfen Wasser wird mit der Zunahme von Eichen- und Leder-Aromen belohnt.
Folgen wir diesem geschmacklichen Pfad weiter, gelangen wir zu Lagavulin. Deren normaler 16-Jähriger ist schon gut, doch die Distillery Edition aus Pedro-Ximinez-Sherryfässern ist noch besser: ein kräftig rauchiger und dabei gleichzeitig unglaublich komplexer und vollmundiger Whisky voller aromatischer Highlights. Die kräftige Rauchnote ist perfekt eingebunden in ein Kompott aus bittersüßer Schokolade, Trockenfrüchten und süßsauren Trauben. Einer der wenigen großen Single Malt Whiskys, die es diesseits der Sammlerecke zum fairen Preis zu kaufen gibt. Unverdünnt schmeckt er am besten.
Den besten Einstieg ins typische Laphroaig-Aroma bietet der Quarter Cask, der unverdünnt nebenbei einer der ganz wenigen günstigen, guten Single Malts auf dem Markt ist. Torfiger Rauch mit leichter Hustensaftnote dominiert hier deutlich leichte Vanille- und helle Fruchtaromen. Der 18-jährige Laphroaig ist übrigens angeblich, nachdem der 15-jährige nicht mehr abgefüllt wird, der aktuelle Lieblingswhisky von Prinz Charles. Er zeigt die typische Hausnote mit deutlich mehr Reife und Stil, kostet aber auch mal eben das Vierfache, was zumindest der Prince of Wales aber bestimmt verschmerzen kann.
Eine nochmals andere Ausprägung der Rauchigkeit findet man bei Ardbeg. Erdiger Torfrauch, süße Zitrusfrüchte und frisches Seegras konkurrieren im zehnjährigen Ardbeg miteinander, wobei der Rauch als Sieger die Sinne verlässt. Dieses Spiel der Aromen treibt der 57,1-prozentige Corryvreckan aus gleichem Hause auf die Spitze. Während man den Ardbeg Ten am besten ungestreckt genießt, erweist sich der fassstarke Corryvreckan bei Wasserzugabe als wahres Chamäleon. Pur riecht meine Nase hier 1. Rauch, 2. Rauch und 3. einen Hauch von Salz und Menthol. Nach Zugabe von drei Tropfen Wasser weicht der Mentholgeruch einer unangenehmen Esternote. Verdünnt man ihn weiter auf etwa 50 Prozent Alkohol wird der Ardbeg runder, bleibt aber irgendwie unharmonisch. Pipettiert man weiter, so erhält man bei etwa 45 Volumenprozent die große Belohnung: Der Corryvreckan duftet nun überraschend voluminös und umschmeichelt die vorher arg strapazierte Nase mit einer harmonischen Kombination von maritimem Rauch und fruchtiger Süße. Im Mund das gleiche Spiel: unverdünnt geradezu attackierend, bei 45 Prozent ein schönes Zusammenspiel von Rauch, Torf, Salz und süßen Zitrusfrüchten.
Whisky und Wasser
Ethanol wird in der Medizin in Konzentrationen ab 60 Prozent als hochwirksames Desinfektionsmittel eingesetzt. Whiskys in Fassstärke liegen meist in Bereichen von 55 bis 65 Prozent und sollten daher den meisten klinischen Anforderungen an ein Antiseptikum durchaus genügen. Man kann fassstarken Whisky natürlich pur genießen und die eigene Härte hochleben lassen, man muss es aber nicht. Verköstigungsprofis verdünnen ihre Proben nicht selten bis auf 25 Prozent Ethanolgehalt. Sie tun das, weil ein derart verdünnter Whisky seine sensorischen Fehler nicht mehr hinter einer Mauer des Alkohols verstecken kann und natürlich weil ihre Geschmackszellen ansonsten nicht die Beurteilung einer größeren Zahl an Proben zulassen würden. Ein guter Whisky mit deutlich über 50 Prozent ist für einen kurzen Moment vielleicht ein sensorisches Highlight – danach aber ganz sicher ein anhaltendes Betäubungsmittel der Geschmacksnerven. Mein persönlicher Whisky-Wohlfühlbereich endet bei etwa 48 Volumenprozenten Alkohol, und höherprozentigen Stoff pipettiere ich mir in mehreren Stufen mit Leitungswasser auf etwa 45 % runter und verfolge dabei dessen Geruchsveränderung. Manche Whiskys werden dadurch komplett enttarnt, wie z.B. der 63,9-prozentige Bunnahabhain Staoisha 2013 vom Abfüller The Ultimate, während andere sich regelrecht öffnen und zeigen, was an Aromen tatsächlich in ihnen steckt. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Ardbeg Corryvreckan. Doch auch in Trinkstärke abgefüllten Whiskys kommt ein wenig Wasser oft zugute. Diese gezielte Zugabe von ein paar Tropfen nennt sich „aufschließen“ und öffnet bei den vielen Whiskys tatsächlich die Tür zu mehr Genuss. Einfach ausprobieren!
Bartender’s Cocktail Tipp
von Helge Koch
Der Cocktailklassiker Horse’s Neck wird zuweilen als Brandy-Drink kolportiert. Seine wahren Wurzeln liegen aber beim Whiskey. Das Rezept ist denkbar einfach: 5 cl Bourbon, 10cl Ginger-Ale oder -Beer, etwas Eis und einen Streifen Zitronenschale, viel mehr braucht es nicht. Eine weitere Zutat, ein Spritzer Aromatic Bitter, macht aus dem Einfachen dann das Besondere. Angostura fügt südamerikanische Würze hinzu, Peychaud‘s Bitters macht den Drink weich und komplex, Schokoladenbitter akzentuiert die Süße des Bourbons, Cucumber Bitter macht den Drink frischer; oder man nimmt Pfirsich- bzw. Orangenbitter, das eine fruchtige Dimension entstehen lässt. Herzlich willkommen zum genüsslichen Experimentieren.