Kluge Ärztinnen und Ärzte wissen, dass sie ihre Patientinnen und Patienten nicht nur im Sprechzimmer „behandeln“. Um erfolgreich zu heilen, bietet es sich deshalb an, sich auch über das Image seiner Praxis Gedanken machen.

Text: Ulrich Drees | Fotos: Adobe Stock, privat

Haben Sie sich dafür entschieden, Ihr Leben in den Dienst der Gesundheit anderer zu stellen? Allein sind Sie damit auf jeden Fall nicht, denn obwohl Ihr Beruf oft psychisch und physisch kräftezehrend ist, gehört jeder sechste bis achte Arbeitsplatz in Deutschland zur Gesundheitswirtschaft – Tendenz steigend. Falls Sie zu den Menschen gehören, die nicht nur andere behandeln, sondern darüber hinaus noch die Verantwortung für eine eigene Praxis tragen, dann ist auch eine 60-Stunden-Woche keine Seltenheit, in der Sie sich ziemlich sicher 20 Stunden lang mit Bürokratie befassen. Anders aber trotzdem vergleichbar sind die Herausforderungen, denen sich die chronisch unterfinanzierten Krankenhäuser heute stellen müssen. Denn wer jenseits medizinischer Themen Verantwortung übernimmt, muss sich auch mit Fragen beschäftigen, auf die Praxisinhaberinnen und -inhabern zumeist schlicht nicht vorbereitet wurden. Neben vielen Regularien geht es dabei um Wirtschaftlichkeit und Marketing.
Insbesondere Letzteres fällt bei überlasteten Praxisinhaberinnen und -inhabern verständlicherweise leicht unter den Tisch. Doch es lohnt sich, über einen durchdachten Außenauftritt nachzudenken, denn der kann effektiv zur besseren Behandlung Ihrer Patienten beitragen.

Warum Corporate Design heilen hilft >>> Als Ärztin oder Arzt wissen Sie, wie wichtig das Vertrauen Ihrer Patientinnen und Patienten für Ihren Behandlungserfolg ist. Genau das erwächst aber beispielsweise bereits daraus, wenn Sie über ein passendes Erscheinungsbild Ihrer Praxisbekleidung, Ihres Logos, Ihrer Terminzettel, ja sogar über die Farbauswahl an Ihren Wänden, Türen und anderen Einrichtungselementen sagen: Ich habe mir Gedanken gemacht. Ob mit interessanter Kunst an Ihren Wänden, verständlichen Schaubildern mit Gesundheitsinformationen oder vielen Zimmerpflanzen – wie wäre es, wenn Sie Ihre Praxisräume, Ihr Team und sich selbst als gut organisiertes und zugängliches Ganzes präsentieren? Ihre Patientinnen und Patienten werden das mindestens unbewusst wahrnehmen und sich in sicheren Händen fühlen.

Warten ist nicht gleich Warten >>> Warten und Professionalität bilden einen weiteren, wichtigen Bereich, in dem Sie Patientinnen und Patienten für Ihre Praxis wirklich begeistern können. Die Menschen, die zu Ihnen kommen, werden zwar nur äußerst selten einfach wieder gehen, wenn sie über Gebühr lange auf die Begegnung mit Ihnen warten müssen, aber angenehm oder nachvollziehbar finden sie das deshalb noch lange nicht. Wäre es nicht sinnvoll, Ihre Praxis so zu organisieren, dass Ihre Patientinnen und Patienten nach einem Termin begeistert davon erzählen, dass man bei Ihnen selten lange warten muss? Und wenn es doch einmal geschieht, sprechen Sie es an und erklären Sie, warum es sich nicht vermeiden ließ. Wenn Ihre Patientinnen und Patienten das Gefühl bekommen, dass es Ihnen nicht egal ist, wie lange Sie gewartet haben, kann das zu der Vertrauensgrundlage beitragen, die ihren Teil zu jeder erfolgreichen Behandlung beiträgt. Immerhin würden Sie sich im Ernstfall ja auch für sie die Zeit nehmen, die anderswo zu Verzögerungen führt.

Wo Ihr Marketing wirklich wirkt >>> Bevor Sie Patientinnen und Patienten behandeln können, müssen diese jedoch zunächst zu Ihnen finden – am besten solche, denen Sie auch wirklich helfen können. Warum beginnen Sie deshalb nicht damit, genau diese darauf aufmerksam zu machen? Zwar setzt die ärztliche Werbeordnung hier Grenzen. Hauswände mit überlebensgroßen Plakaten, auf denen Sie im weißen Kittel mit wilden Versprechungen glänzen, garantieren Ärger, denn es nützt niemandem, wenn sich Ärztinnen und Ärzte in der Öffentlichkeit im kommunikativen Wettstreit profilieren. Erwünscht ist stattdessen, dass Patientinnen und Patienten leicht und solide in Erfahrung bringen können, welche Praxis die für sie passende Behandlung anbietet.
Erreichen Sie Ihre Patientinnen und Patienten also nicht über Hauswände, sondern über informative Medien, wie beispielsweise den „Charakter“ in Ihren Händen. Ein Magazin, das in Ihrer Region erscheint und dort über Monate hinweg von vielen Menschen gelesen wird, ist für ein auf Information basierendes Marketing, wie es Ihren Interessen entgegenkommt, einfach sinnvoller als ein flotter Spruch im Radio oder ein schnelles TikTok-Video.

Von Profis lernen >>> Bevor Sie Ihren Außenauftritt starten, lohnt sich die Überlegung, wie Ihre Strategie aussehen soll. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten – und auch die spielen natürlich eine Rolle – unterscheiden Profis zwei Herangehensweisen: die Differenzierungsstrategie und die Konzentrationsstrategie. Erstere unterstreicht die Einzigartigkeit Ihrer Praxis, indem besondere Attribute, wie beispielsweise ein erfolgreiches Terminmanagement oder modernste Behandlungsmöglichkeiten, hervorgehoben werden. Die Konzentrationsstrategie zielt im Unterschied dazu darauf ab, sich auf eine sehr begrenzte Zielgruppe zu fokussieren, die dann natürlich ein entsprechendes, wirtschaftliches Potenzial besitzen sollte.
Darüber hinaus sind auch die „4 ps“ – product, place, promotion, price – des Marketings spannend. Fragen Sie sich einmal: Was biete ich, bzw. genauer: welche Behandlungsmethoden biete ich? Wem nützen diese Therapien? Wo behandle ich meine Patientinnen und Patienten? Wie verbreite ich diese Informationen, und welche Möglichkeiten der Preisgestaltung habe ich? Ihre Antworten bilden eine gute Basis für Ihre Strategie.
Ebenso wichtig ist, dass gutes Marketing keineswegs darauf abzielt, direkt etwas zu verkaufen. Im Zentrum stehen vielmehr die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden – also Ihrer Patientinnen und Patienten. Zentral ist nicht, Ihr Behandlungsangebot als besonders gut herauszustellen, sondern vielmehr zu erkennen, welche tieferliegenden Bedürfnisse ein erkrankter Mensch hat. Die zerschlissenen Hüftgelenke finden ihren Weg schon zu Ihnen; sorgen Sie deshalb lieber dafür, dass sich der Mensch, der unter ihnen leidet, bei Ihnen barrierefrei bewegen und bequem sitzen kann.
Zu zeitgemäßem Marketing gehört außerdem eine sehr genaue Zielgruppendifferenzierung. Aus dieser Sicht haben Sie z. B. nicht einfach Patientinnen und Patienten, sondern behandeln vielleicht ältere, hilfsbedürftige Personen ebenso wie junge Familien mit jeweils ganz unterschiedlichen Ansprüchen. Die einen wollen Wartezimmer mit Spielzone, kindgerechte Toiletten und Toleranz gegenüber schreienden Sprösslingen. Die anderen erwarten Geduld, Ruhe und dass Sie sich Zeit für sie nehmen. Müssen die sich wirklich dieselben Terminzeiten teilen – oder ließe sich das auch anders organisieren? Und wie wäre es, davon anschließend öffentlich zu berichten?
Auch wenn all das für Sie als Medizinerin oder Mediziner vielleicht weit weg zu sein scheint, so kann es doch dazu beitragen, dass Sie das, was Ihren Traumberuf ausmacht – der Hilfe für erkrankte Menschen – besser nachkommen können. Das sieht auch der Praxismanager Navid Lodhia so, der sich bereits seit Jahren mit der Frage beschäftigt, wie sich die „Infrastrukturen“ des Gesundheitswesens für alle Beteiligten besser organisieren lassen (vgl. Interview am Textrand). Für ihn steht fest: Gutes Marketing verkauft nicht Ihre Praxis, es trägt in erster Linie dazu bei, dass Ihre Patientinnen und Patienten wissen, dass Sie bei Ihnen in guten Händen sind.

Wo sind meine Patientinnen und Patienten?
Ohne Wartezeiten in Praxen oder Übernachtungen im Krankenhaus wird es vermutlich nie gehen. Aber vielleicht wäre es sinnvoll, sich als Verantwortliche oder Verantwortlicher zu fragen, wie man selbst gern „warten“, bzw. nach einer Operation aufwachen würde und das dann mit dem eigenen Warte- oder Patientenzimmer vergleichen. Wer zwei Stunden in einem Wartezimmer sitzt, um zehn Minuten im Behandlungsraum zu verbringen, wird sich einen großen Teil seiner Meinung über eine Praxis im ersteren Raum bilden. Wie sieht der bei Ihnen aus? Auch wer einen oder mehrere Tage in einem Krankenhausbett verbringt, wäre möglicherweise froh, wenn es rund und ihm herum ein wenig „wohnlicher“ zuginge. Warum also nicht ein paar Farben reinbringen? Auf Stühlen, dem ein oder anderen Kissen oder der Wand des Wartezimmers. Auch mit ein paar Pflanzen hier und lässt sich ganz leicht ein wenig mehr Wohlfühlatmosphäre schaffen.

Navid Lodhia
Praxismanager Lodhiamedics

Herr Lodhia, worin sehen Sie den Vorteil einer guten Außendarstellung für eine Arztpraxis?
Sie hilft Patienten, sich bei der Arztwahl zu orientieren, und sie ermöglicht es, relevante Informationen zu Gesundheitsthemen in der Öffentlichkeit zu präsentieren, für die in einer Sprechstunde nicht immer Zeit ist, weil es um akute Themen geht. Das gilt besonders für hausärztliche Praxen. Wenn hier jemand wegen Rückenschmerzen kommt, ist beispielsweise nicht immer die Zeit, ihn über die Vor- oder Nachteile von Grippeimpfungen zu informieren. In diesem Zusammenhang können Ärztinnen und Ärzte gleichzeitig Ihrer gesellschaftlichen Aufgabe nachgehen und auf sich aufmerksam machen.
Braucht es für eine Praxis dann überhaupt so etwas wie eine Corporate Identity?
Unbedingt, denn ohne ein klares „Markenbild“ überlasse ich anderen, wie sie mich wahrnehmen wollen. Das Ganze muss nur vom Patienten aus gedacht werden. Dabei geht es auch um die Details, wie die Farbe der Praxiskittel, denn kurz bevor wir alle eine Information rational verarbeiten, erfolgt bereits eine emotionale Einordnung. Jemandem, den ich unsympathisch finde, höre ich nur ungern zu.
Wie wird Marketing im Gesundheitswesen heute wahrgenommen?
Die großen Institutionen sind zwar aktiv, übertreiben es jedoch häufig und gehen an ihr Marketing wie klassische Wirtschaftsbetriebe heran. Im Unterschied dazu hat jemand, der allein für seine Praxis verantwortlich ist, zumeist überhaupt keine Zeit dafür und ist auch gar nicht darauf vorbereitet. Entsprechende Weiterbildungsangebote seitens der Gesundheitsverbände wären da absolut sinnvoll. Es gibt auch immer noch dieses veraltete Klischee, dass Marketing zum Verkaufen von etwas gedacht sei. Dabei geht es eigentlich darum, die gesellschaftliche Wirkung, die ärztliche Arbeit ohnehin mit sich bringt, zu professionalisieren und so besser zu nutzen.
Das kostet natürlich Geld. Zahlt sich das am Ende aus?
Das tut es ganz sicher. Was die reine Ertragssteigerung angeht, mag der Profit auf den ersten Blick nicht immer so stark ausfallen wie vielleicht erhofft. Da ein funktionierendes Marketing jedoch auch immer eine Form von Prozessoptimierung ist, wird es unter dem Strich stets zu einem wirtschaftlichen Ergebnis führen.