Reinhild Jung – Ehrenamtliche Richterin / Geschäftsführerin der SerNet GmbH, Larissa Kirchner – Ehrenamtliche Richterin / Inhaberin von Ninette Moden, Stefan Zammit – Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Mitte e. V. (AGV)

Alle fünf Jahre vermittelt der Arbeitgeberverband Mitte e. V. ehrenamtliche Richterinnen und Richter in die Finanz- und Arbeitsgerichte. Dort bringen sie dann Praxis- und Lebenserfahrung in die Rechtsprechung ein.

Text: Ulrich Drees | Foto: Sylvia Stein

„Das ehrenamtliche Engagement als Richterin oder Richter an einem Finanz- oder Arbeitsgericht“, betont Stefan Zammit, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Mitte e. V. (AGV), „ist ein extrem wichtiger Beitrag zur Demokratisierung unseres Rechtssystems.“ Schon seit Jahrzehnten schlägt der AGV Mitte e. V. deshalb geeignete Kandidatinnen oder Kandidaten vor, die dann am Nds. Finanz- und Landesarbeitsgericht in Hannover und am Arbeitsgericht in Göttingen diese Funktion ausfüllen. „Unsere Vorschläge“, beschreibt Stefan Zammit, „umfassen Menschen aus Geschäftsführung, Personalleitung, Prokuristen oder Mitarbeiter aus Rechtsabteilungen.“
Alle fünf Jahre, demnächst wieder zum 1. Januar 2024 für das Arbeitsgericht, werden die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter bestimmt, die dann etwa zwei bis drei Mal pro Jahr in eine Verhandlung berufen werden. „Dort ist dann der Berufsrichter dafür zuständig, die rechtlichen Aspekte eines Falles zu erklären“, schildert Larissa Kirchner, Inhaberin von Ninette Moden in Göttingen. „Meist reicht für die Einarbeitung eine halbe Stunde vor Prozessbeginn. Auf Wunsch kann man sich aber auch vorher vorbereiten.“ Sie wurde schon 2009 erstmals in das Ehrenamt berufen, als sie im Rahmen ihrer Selbständigkeit die Kaufmännische Leitung bei einem Mercedes-Vertragspartner in Einbeck übernahm, und übt es seither mit Überzeugung aus. Beim Nds. Finanzgericht ist sie seit zwei Jahren aktiv und findet es sehr spannend, je nach Sachverhalt, für oder gegen das Finanzamt stimmen zu dürfen. „Es geht nicht nur darum, dass ohne uns rein rechtlich gar keine Urteile gefällt werden könnten“, erklärt sie ihre Motivation. „Wir bringen vor allem die Praxis in die Verfahren ein und sehen Aspekte, die einem Berufsrichter gar nicht auffallen würden, weil wir uns mit den konkreten, alltäglichen Details auskennen.“ Weil die Zahl der Richterinnen an den Arbeitsgerichten noch immer klein ist, ruft sie insbesondere Frauen auf, sich für das Amt zur Verfügung zu stellen. „Unsere Perspektive ist wichtig!“, so Larissa Kirchner.
Das sieht Reinhild Jung, Geschäftsführerin der SerNet GmbH, genauso. Auch sie entschied sich vor 10 Jahren, – auf Vermittlung des Arbeitgeberverbandes – sich als ehrenamtliche Richterin zu engagieren. „Für mich ist es vor allem von Bedeutung“, erklärt sie ihre Motivation, „warum Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Gericht landen. Einerseits, um aus der Sicht der Praxis heraus an einer gerechten Entscheidung mitzuwirken, andererseits, um diese Situation selbst vermeiden zu können.“ So nimmt die Unternehmerin aus ihrem Engagement immer wieder auch Impulse für ihre eigene Arbeit mit. Als ehrenamtliche Vertreterin der Arbeitgeberseite ist sie dabei auch keineswegs immer auf der „eigenen Seite.“ „Es kommt immer darauf an, den einzelnen Fall mit dem gesunden Menschenverstand anzuschauen“, so Reinhild Jung. „Manchmal verhält sich ein Arbeitgeber eben auch nicht fair gegenüber einem Mitarbeiter.“ Sie empfiehlt das richterliche Ehrenamt gern weiter. „Es ist eine große Bereicherung, aus dem man viel für den Arbeitsalltag mitnehmen kann.“

Rechtliche Aspekte
Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass bei Verhandlungen vor Arbeitsgerichten neben einer Berufsrichterin oder einem -richter auch je eine ehrenamtliche Richterin oder ein ehrenamtlicher Richter für die Arbeitgeberseite und die Arbeitnehmerseite mit einfacher Mehrheit ein Urteil beschließen. Bei Nds. Finanzgericht in Hannover, wo es stets darum geht, über Ansprüche des Finanzamts zu entscheiden, fällen drei Berufsrichterinnen und -richter zusammen mit zwei ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern die Urteile. Da alle Mitglieder gleichberechtigt sind, können z. B. am Arbeitsgericht die Ehrenamtlichen den Berufsrichter auch überstimmen. Rechtliche Vorkenntnisse sind für die vorgeschlagenen Personen nicht notwendig. Die Auswahl unter den Vorgeschlagenen trifft das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung.