Die drei Chir­ur­gen mit Heid­run Hes­se, die kurz nach einer Hüft­ope­ra­ti­on bereits wie­der allei­ne auf­ste­hen und gehen kann.

Im letz­ten Jahr for­mier­te sich in der Heli­os Albert-Schweit­zer-Kli­nik Nort­heim eine neue Abtei­lung für Endo­pro­the­tik und Gelenk­chir­ur­gie. Im Cha­rak­ter-Inter­view spre­chen die Chir­ur­gen rund um Chef­arzt Dr. Ste­fan Kol­beck über ihre Arbeit.

Inter­view & Fotos: Ulrich Drees

Herr Dr. Kol­beck, Sie sind vor rund einem Jahr von der Heli­os Kli­nik Bad Gan­ders­heim zur Heli­os Albert-Schweit­zer-Kli­nik Nort­heim gewech­selt und lei­ten hier als Chef­arzt die Endo­pro­the­tik und Gelenk­chir­ur­gie. Wür­den Sie uns die Hin­ter­grün­de der Ent­wick­lung erläu­tern?
Nach­dem der ope­ra­ti­ve Betrieb in Bad Gan­ders­heim ein­ge­stellt wor­den war, bin ich nach Nort­heim umge­zo­gen, um hier in der Abtei­lung Unfall­chir­ur­gie, Ortho­pä­die und Wir­bel­säu­len­chir­ur­gie den Bereich Endo­pro­the­tik und Gelenk­chir­ur­gie auf­zu­bau­en. Die­ser ergänzt jetzt als drit­te Abtei­lung die Unfall­chir­ur­gie und Ortho­pä­die sowie die Wir­bel­säu­len­chir­ur­gie, die hier in Nort­heim ja bereits eta­bliert sind. Herrn Groß­heim, der als lei­ten­der Ober­arzt bereits in Bad Gan­ders­heim zu mei­nem Team gehör­te, habe ich mit­ge­bracht, und ich schät­ze mich glück­lich, dass auch Herr Prof. Wip­per­mann, ehe­ma­li­ger Chef­arzt für Ortho­pä­die und Chir­ur­gie des Heli­os Kli­ni­kums Hil­des­heim als lei­ten­der Arzt zu uns gewech­selt ist, statt sich auf sei­nen Ruhe­stand zu kon­zen­trie­ren. Sei­ne Erfah­rung ist gera­de bei den schwie­ri­ge­ren Ope­ra­tio­nen, für die wir hier in Nort­heim im Unter­schied zu Gan­ders­heim die nöti­ge Infra­struk­tur haben, von gro­ßem Nut­zen.

Wel­cher Schritt steht nach dem erfolg­rei­chen Wech­sel nun an?
Weil der Fokus in Nort­heim in den letz­ten Jah­ren vor allem auf dem Aus­bau der Unfall­chir­ur­gie lag, ist die Endo­pro­the­tik, also alle The­men rund um das künst­li­che Gelenk, etwas in den Hin­ter­grund getre­ten. Des­halb wol­len wir mit unse­rer spe­zi­fi­schen Exper­ti­se in den Berei­chen Endo­pro­the­tik und Gelenk­chir­ur­gie nun neue Pati­en­ten in Nort­heim und Göt­tin­gen für uns gewin­nen. Das ist im ers­ten Jahr auch bereits sehr gut ange­lau­fen.

Herr Groß­heim, wel­che Fak­to­ren spie­len dabei aus Ihrer Sicht eine beson­de­re Rol­le?
In Bad Gan­ders­heim haben wir gute Erfah­run­gen damit gemacht, dass wir dort vor Ort und dar­über hin­aus in See­sen ein MVZ mit ortho­pä­di­scher und unfall­chir­ur­gi­scher Sprech­stun­de haben, in der wir unse­re Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten häu­fig bereits Jah­re oder Mona­te betreu­ten. Auf die­se Wei­se kön­nen wir als Ortho­pä­den und Unfall­chir­ur­gen nicht nur bes­ser ein­schät­zen, ob und wann eine Ope­ra­ti­on nötig und sinn­voll ist, ondern auch ein funk­tio­nie­ren­des Ver­trau­ens­ver­hält­nis zu unse­ren Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten auf­bau­en. Das zahlt sich in viel­fa­cher Hin­sicht aus. Eine ähn­li­che Zusam­men­ar­beit kön­nen wir nun mit dem Ärz­te­haus hier in Nort­heim auf­bau­en.
Dr. Kol­beck: In dem Ärz­te­haus vor unse­rer Kli­nik gibt es auch ein MVZ mit der Spar­te Ortho­pä­die und Unfall­chir­ur­gie. Hier bie­te ich seit dem Som­mer die­ses Jah­res eine Ortho­pä­di­sche Sprech­stun­de mit dem Schwer­punkt Endo­pro­the­tik und Gelenk­chir­ur­gie an. Es bot sich an die­se Struk­tur auf­zu­bau­en, die Herr Groß­heim gera­de beschrie­ben hat. Vor einer Ope­ra­ti­on soll­te das zur Ver­fü­gung ste­hen­de Spek­trum kon­ser­va­ti­ver The­ra­pien genutzt wer­den. Indem wir unse­re Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten bereits hier beglei­ten, kön­nen wir gewähr­leis­ten, dass wirk­lich erst dann eine Pro­the­se ein­ge­setzt – also ope­riert – wird, wenn es nicht mehr anders geht. Im Unter­schied zu frü­her, wo wir unse­re Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten zumeist erst nach der Über­wei­sung zur Ope­ra­ti­on erst­mals gese­hen haben, hat sich die­se Her­an­ge­hens­wei­se sehr bewährt. Des­halb ist geplant, dass auch Prof. Wip­per­mann und Herr Groß­heim in dem Ärz­te­haus aktiv wer­den.

Herr Prof. Wip­per­mann, wel­che Zeit ver­geht Ihrer Erfah­rung nach von den ers­ten Beschwer­den, bzw. Ihrem ers­ten Kon­takt zu einer Pati­en­tin oder einem Pati­en­ten, bis zu dem Zeit­punkt, wo die vor­lie­gen­den Beschwer­den eine Ope­ra­ti­on unum­gäng­lich machen?
Das kann sehr unter­schied­lich aus­fal­len. Man­che Pati­en­ten beschrei­ben, dass sie schon vor zehn Jah­ren bemerk­ten, dass etwas nicht stimm­te, kom­men aber erst, wenn sie das Gefühl haben, nicht mehr mit den vor­han­de­nen Schmer­zen leben zu wol­len. Ande­re sind nach einem Vier­tel­jahr so weit, dass sie sagen, dass es nicht mehr geht und dass sie ope­riert wer­den wol­len. Grund­sätz­lich gibt es bei der Arthro­se im Knie jedoch deut­lich mehr sinn­vol­le Mög­lich­kei­ten einer kon­ser­va­ti­ven Behand­lung, die vor einer Ope­ra­ti­on aus­ge­schöpft wer­den müs­sen. Bei der Hüf­te ist die Aus­wahl eher begrenzt.

Herr Dr. Kol­beck, wel­che Aspek­te erschei­nen Ihnen hier wich­tig?
Ergän­zend wür­de ich erwäh­nen, dass 95 % der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit den Ergeb­nis­sen einer Hüft­ge­lenks­ope­ra­ti­on sehr zufrie­den sind, bei Knie­ge­lenks­ope­ra­tio­nen sind es bun­des­weit nur ca. 80 %. Aus die­ser Erfah­rung geht es bei uns dar­um, die Funk­ti­on des Knies so gut wie mög­lich zu erhal­ten. Des­halb nut­zen wir bei­spiels­wei­se ein­sei­ti­ge Knie­pro­the­sen soge­nann­te Schlit­ten­pro­the­sen – mit denen ich seit 2005 sehr gute Erfah­run­gen gemacht habe. Hier wird nur der Teil des Knie­ge­len­kes durch eine rela­tiv klei­ne Pro­the­se ersetzt, der durch die Arthro­se zer­stört ist. Der Band­ap­pa­rat des Knies bleibt erhal­ten die Ope­ra­ti­on ist auch weni­ger inva­siv, das heißt der Haut­schnitt nur etwa 8 cm lang, und die Nach­be­hand­lungs­zeit deut­lich kür­zer, als es bei der klas­si­schen Knie­ge­lenks-Ope­ra­ti­on in Deutsch­land der Fall ist. Bei die­ser soge­nann­ten Tota­len Knie­en­do­pro­the­se wird der gesam­te Knor­pel des gan­zen Knies ersetzt, zum Teil also auch die noch gesun­den Antei­le.
Viel­fach Pati­en­ten haben auf Grund eines leich­ten O-Beins nur innen­sei­tig eine Arthro­se und Schmer­zen. Hier reicht in vie­len Fäl­len eine Schlit­ten­pro­the­se aus. Natür­lich erfor­dert die Indi­ka­ti­ons­stel­lung eine aus­führ­li­che Unter­su­chung und ent­spre­chen­de spe­zi­el­le Rönt­gen­auf­nah­men. Bei unse­rem Ansatz geht es jedoch eben nicht um Stan­dard­lö­sun­gen, son­dern um die jeweils indi­vi­du­ell bes­te Ope­ra­ti­on. Dazu gehö­ren bei­spiels­wei­se auch der Ein­satz mini­mal­in­va­si­ver Ope­ra­ti­ons­tech­ni­ken, die wir auch bei unse­ren Hüft­ge­lenks­ope­ra­tio­nen nut­zen. Unser Anspruch ist es, unse­re Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten sehr früh wie­der zum Lau­fen zu brin­gen – also in vier bis fünf Tagen, statt wie frü­her in 10 bis 14 Tagen –, was uns durch eine beson­ders eng­ma­schi­ge Zusam­men­ar­beit ver­schie­de­ner Abtei­lun­gen, wie der Kran­ken­gym­nas­tik und der Schmerz­the­ra­pie, auch gelingt.

Herr Groß­heim, gibt es so etwas wie eine grund­le­gen­de Über­le­gung, wann eine Ope­ra­ti­on ange­ra­ten ist?
Hier geht es immer wie­der um die indi­vi­du­el­le Lebens­qua­li­tät der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. Wenn jemand bei­spiels­wei­se ein sehr sport­li­ches Leben füh­ren möch­te, ist das eine gan­ze ande­re Aus­gangs­la­ge als bei jeman­dem, der viel­leicht nur unbe­schwert ein­kau­fen gehen möch­te. Wir wol­len unse­ren Pati­en­ten die Lebens­qua­li­tät ermög­li­chen, die sie sich wün­schen.

Herr Dr. Kol­beck, was ist neben der Exper­ti­se des Chir­ur­gen aus Ihrer Sicht für das Gelin­gen einer Ope­ra­ti­on wich­tig?
Ent­schei­dend sind ein ein­ge­spiel­tes Team, gute OP-Pfle­ge­rin­nen und -Pfle­ger, eine gute Vor­be­rei­tung und gute Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren im OP und auf der Sta­ti­on – und nach dem ers­ten Jahr, in dem wir drei hier zusam­men­ar­bei­ten, kann ich sagen, dass das wirk­lich gut funk­tio­niert.
Prof. Wip­per­mann: Nach­dem ich vie­le Jah­re in Hil­des­heim in einem deut­lich grö­ße­ren Haus gear­bei­tet habe, ler­ne ich hier ins­be­son­de­re die „kur­zen“ Wege zu schät­zen, die eine schnel­le Kom­mu­ni­ka­ti­on ermög­li­chen. Dazu gehört auch, dass wir Chir­ur­gen uns bei Bedarf unkom­pli­ziert und auf Augen­hö­he über kom­ple­xe­re Fäl­le aus­tau­schen kön­nen. So etwas ist nicht selbst­ver­ständ­lich und trägt dazu bei, dass mir die Arbeit hier so viel Spaß macht, dass ich noch nicht auf­hö­ren möch­te.

Prof. Dr. med. Burk­hard Wip­per­mann, Lei­ten­der Arzt Endo­pro­the­tik und Gelenk­chir­ur­gie; Chris­ti­an Groß­heim, Lei­ten­der Ober­arzt Endo­pro­the­tik und Gelenk­chir­ur­gie; Dr. med. Ste­fan Kol­beck, Chef­arzt Endo­pro­the­tik und Gelenk­chir­ur­gie

Modell einer ein­sei­ti­gen Knie­pro­the­se „Schlit­ten­pro­the­se“

Zement­frei Hüft­pro­the­se: Schaft und Hüft­pfan­ne aus einer Titan­le­gie­rung

Pati­en­tin Heid­run Hes­se, enga­gier­tes Mit­glied des Kunst­krei­ses Klos­ter Bruns­hau­sen e. V. aus Bad Gan­ders­heim, zeich­ne­te ihr eige­nes Rönt­gen­bild.

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