Bjar­ne Hufen­bach, Claus-Hen­rik Schnei­der, Anke Dre­wes

Als regio­na­le Spit­ze des mit­tel­stän­di­schen Inter­es­sen­ver­ban­des „Die Fami­li­en­un­ter­neh­mer“ und sei­nes Co-Ver­ban­des „Die jun­gen Unter­neh­mer“ spre­chen Claus-Hen­rik Schnei­der, Anke Dre­wes und Bjar­ne Hufen­bach im Cha­rak­ter-Inter­view über ihr Enga­ge­ment, Lob­by-Arbeit und die Lage vor Ort.

Text: Ulrich Drees | Fotos: Ulrich Drees, Die Fami­li­en­un­ter­neh­mer

Frau Dre­wes, Herr Schnei­der, Herr Hufen­bach, was moti­viert Sie zu Ihrem Enga­ge­ment für den Ver­band?
Schnei­der: Für mich geht es um zwei Vor­tei­le. Hier in Süd­nie­der­sach­sen erle­be ich ein akti­ves Netz­werk, mit des­sen Mit­glie­dern ich mich unge­zwun­gen und sehr offen aus­tau­schen kann. Wir bie­ten zwang­los eine gro­ße Band­brei­te an Ver­an­stal­tun­gen, und es geht nie dar­um, nur Visi­ten­kar­ten aus­zu­tau­schen, um sich hin­ter­her etwas ver­kau­fen zu kön­nen. Gleich­zei­tig kann ich über den Ver­band in Ber­lin Krach für die Inter­es­sen des Mit­tel­stands machen, die sonst bei der Poli­tik häu­fig zu kurz kom­men. Wenn ich will, kann ich über die exzel­len­te Netz­werk­ar­beit unse­res Ver­ban­des bei Ver­an­stal­tun­gen in Ber­lin, Mün­chen und Frank­furt Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­kern so nahe kom­men, wie es mir sonst nicht mög­lich wäre. Ich erle­be vie­le Unter­neh­mer, die sich nur über die Poli­tik bekla­gen. Ich will mich lie­ber dafür ein­set­zen, dass sich bei zen­tra­len The­men, wie bei­spiels­wei­se bei der für unser Land wirk­lich bedroh­li­chen Ener­gie­po­li­tik, etwas ver­än­dert.
Dre­wes: Für mich ist eben­falls der Aus­tausch eine ech­te Berei­che­rung. Zu fra­gen: Wie macht Ihr das bei Euch im Unter­neh­men? Dar­aus ergibt sich immer wie­der etwas Nütz­li­ches. Auch unse­re ver­schie­de­nen Ver­an­stal­tungs­for­ma­te, wie bei­spiels­wei­se Fir­men­be­sich­ti­gun­gen oder Vor­trags­aben­de, sind für mich wirk­lich span­nend.
Hufen­bach: Weil ich selbst gera­de damit befasst bin, pro­fi­tie­re ich sehr vom Aus­tausch über das The­ma Nach­fol­ge, das vie­le unse­rer Mit­glie­der betrifft. Dass dabei auch offen über Schwie­rig­kei­ten gere­det wird, ist sehr hilf­reich. Als jun­ger Unter­neh­mer ler­ne ich dar­über hin­aus viel Nütz­li­ches aus den Gesprä­chen und Ver­an­stal­tun­gen.

Wie erle­ben Sie bei den zen­tra­len The­men der Wirt­schaft bzw. bei Ihren eige­nen Inter­es­sen den ange­spro­che­nen Aus­tausch mit der Poli­tik? Wirkt die Lob­by-Arbeit des Ver­ban­des?
Hufen­bach: Da leis­tet die Ver­bands­spit­ze gute Arbeit. Für mich zeigt sich das bei­spiels­wei­se an Sar­na Röser, der Bun­des­vor­sit­zen­den DER JUNGEN UNTERNEHMER, die auch pri­vat immer wie­der im Aus­tausch mit der Poli­tik ist. Als ein­zel­nes Mit­glied kann ich aber auch spe­zi­el­le­re The­men ver­fol­gen. So war ich vom Ver­band aus im Mai auf einem pri­va­ten Ter­min beim Staats­se­kre­tär des Minis­te­ri­ums für Digi­ta­li­sie­rung und Wirt­schaft. Das war extrem inter­es­sant, weil ich durch mei­ne beruf­li­che Aus­rich­tung natür­lich genau an der rich­ti­gen Stel­le war.
Dre­wes: Die Poli­tik kommt nicht um uns her­um. Als Inter­es­sen­ver­band des Mit­tel­stan­des mit mehr als 6.000 Mit­glie­dern ver­tre­ten wir eine wich­ti­ge, gesell­schaft­li­che Grup­pe und sor­gen auch für die nöti­ge Öffent­lich­keit. Wenn z. B. die neue Bun­des­vor­sit­zen­de der Fami­li­en­un­ter­neh­mer, Marie-Chris­ti­ne
Oster­mann, in zahl­rei­chen Talk­shows auf­tritt, dann nicht aus Eigen­in­ter­es­se, son­dern um über unse­re Posi­tio­nen zu spre­chen.
Schnei­der: Was mich an die­ser Stel­le immer ärgert, ist, dass wir bei unse­ren par­la­men­ta­ri­schen Aben­den zwar stets vie­le Gäs­te aus der CDU und der FDP haben, jedoch nur weni­ge aus der SPD und von den Grü­nen. Das ist scha­de, denn nur durch den Aus­tausch kom­men wir gemein­sam vor­an.

Sie alle befin­den sich gera­de mit­ten in oder am Ende eines Nach­fol­ge­pro­zes­ses. Ist das in Ihrem Ver­band eine ver­brei­te­te Situa­ti­on, erlebt Deutsch­land gera­de einen unter­neh­me­ri­schen Gene­ra­ti­ons­wech­sel?
Schnei­der: Ich den­ke, das ist eher ein kon­ti­nu­ier­li­cher Pro­zess. Auf­fäl­lig fin­de ich eher, dass momen­tan vie­le älte­re Unter­neh­mer Deutsch­land ver­las­sen, um anders­wo wei­ter­zu­ma­chen, weil sie das Gefühl haben, dass die stän­dig wech­seln­den Rah­men­be­din­gun­gen kei­ne Pla­nungs­si­cher­heit mehr ermög­li­chen. Noch sind das viel­leicht Ein­zel­fäl­le, aber wenn die Poli­tik hier nichts ver­än­dert, sind es viel­leicht bald grö­ße­re Fir­men, die ihre Pro­duk­ti­ons­stand­or­te ver­le­gen, weil die Rah­men­be­din­gun­gen anders­wo bes­ser sind.

Aktu­ell schei­nen Kri­sen und Her­aus­for­de­run­gen eben­so schnell auf­ein­an­der zu fol­gen wie die tech­no­lo­gi­schen Fort­schrit­te. Wie kön­nen Wirt­schaft und Poli­tik damit umge­hen?
Dre­wes: Wir müs­sen uns die­ser Geschwin­dig­keit stel­len, indem wir die eige­ne Stra­te­gie mit ent­spre­chen­der Fle­xi­bi­li­tät aus­rich­ten.
Schnei­der: In der Immo­bi­li­en­bran­che set­zen wir auf die rich­ti­ge Unter­neh­mens­grö­ße ohne gro­ßen Über­bau, die es erlaubt, agil zu reagie­ren.
Hufen­bach: Wir müs­sen auf­hö­ren, alles bis ins kleins­te Detail zu pla­nen und von Anfang an einen per­fek­ten Pro­zess für etwas haben zu wol­len. Viel­leicht guckt man sich mal die Her­an­ge­hens­wei­se von Unter­neh­men aus ande­ren Län­dern an, dort wird direkt mit der Umset­zung einer Lösung begon­nen und die­se im Lau­fe des Pro­zes­ses opti­miert Am Ende spart das Geld, Zeit und ist deut­lich effek­ti­ver.

Was wün­schen Sie sich als Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer von der Poli­tik?
Hufen­bach: Aus mei­ner Sicht wäre es drin­gend nötig, die För­der­mög­lich­kei­ten in Deutsch­land trans­pa­ren­ter zu machen. Wenn man erst ein­mal eine mög­li­che För­de­rung gefun­den hat, ist es zwar immer noch ein beträcht­li­cher Auf­wand, den ent­spre­chen­den Antrag zu schrei­ben, aber her­aus­zu­fin­den, wel­che För­de­rung wirk­lich passt, ist sehr viel schwie­ri­ger. Schon ein Detail im Antrag kann dazu füh­ren, dass man auf ein­mal gar nicht mehr för­der­fä­hig ist. Gleich­zei­tig sind vie­le Unter­neh­men zwin­gend auf För­der­mit­tel ange­wie­sen.
Schnei­der: Die Bot­schaft an die Poli­tik ist: Besinnt euch dar­auf, wer Deutsch­lands größ­ter Arbeit­ge­ber ist! Das ist der Mit­tel­stand. Die Wirt­schaft ist das Rück­grat unse­res Lan­des. Das muss wie­der mehr im Fokus der Poli­tik ste­hen.
Dre­wes: Abbau von Büro­kra­tie und mehr Prag­ma­tis­mus.
Schnei­der: Den uns die Poli­tik immer wie­der ver­spricht.

Wie emp­fin­den Sie die Situa­ti­on des regio­na­len Mit­tel­stan­des?
Dre­wes: Durch unse­ren ver­bands­in­ter­nen Aus­tausch gewin­nen wir vie­le Ein­drü­cke. Wir haben nicht nur einen DAX-notier­ten Kon­zern in Göt­tin­gen, son­dern auch eine gan­ze Rei­he von Hid­den Cham­pi­ons in Süd­nie­der­sach­sen. Aus mei­ner Sicht bewe­gen die ein­zel­nen Play­er der regio­na­len Wirt­schaft sehr viel mehr, als nach außen oft­mals erkenn­bar ist.
Schnei­der: Ich bin sehr stolz auf unse­ren Regio­nal­kreis, der auch im Ver­gleich zu Regio­nen mit deut­lich mehr Indus­trie eine hohe Mit­glie­der­zahl vor­wei­sen kann, mit stel­len­wei­se sehr inter­es­san­ten Unter­neh­men aus allen Berei­chen. Natür­lich sind uns dabei neue Mit­glie­der immer will­kom­men.

Wel­che Ent­wick­lung sehen Sie für die Zukunft Süd­nie­der­sach­sens?
Schnei­der: Nicht zuletzt durch die Uni­ver­si­tät, die ja der größ­te Arbeit­ge­ber der Regi­on ist, gehe ich von einer sta­bi­len Lage aus. Gleich­zei­tig – wenn sich an den erwähn­ten The­men nichts ändert – wer­den sicher auch die Hid­den Cham­pi­ons zu über­le­gen begin­nen, ob sie ihre Pro­duk­ti­on nicht an einen ande­ren Ort ver­la­gern, was dann Aus­wir­kun­gen auf die Gewer­be­steu­er und mög­li­che Inves­ti­tio­nen haben wird. Auf die Immo­bi­li­en­bran­che bezo­gen, kann ich sagen, dass der Bedarf an neu­en Woh­nun­gen in Göt­tin­gen sicher noch für lan­ge Zeit da sein wird. Hier ist die Fra­ge eher, wie sta­bi­li­sie­ren sich die Bau­kos­ten und die Rah­men­be­din­gun­gen, um finan­zier­ba­ren bzw. bezahl­ba­ren Wohn­raum zu schaf­fen.
Hufen­bach: Der Fach­kräf­te­man­gel ist ein wich­ti­ges The­ma. Sicher, Unter­neh­men wie KWS oder Otto­bock haben hier noch ihre Pro­duk­ti­ons­stand­or­te, aber vie­le ande­re Berei­che von der IT bis zu Sales fin­den längst in Ber­lin statt. Das muss man im Auge behal­ten.

Nicht nur durch die Digi­ta­li­sie­rung befin­det sich unse­re Gesell­schaft in einem Struk­tur­wan­del, der vor allem von neu­en Tech­no­lo­gien vor­an­ge­trie­ben wird. Ist Göt­tin­gen hier durch die Uni­ver­si­tät und eine eher tech­no­lo­gisch ori­en­tier­te Wirt­schaft im Vor­teil?
Hufen­bach: Die Chan­ce ist defi­ni­tiv da, gera­de für jun­ge Unter­neh­men. Jen­seits des Bio­tech­no­lo­gie-Bereichs könn­ten Start-ups in Göt­tin­gen jedoch mehr Unter­stüt­zung ver­tra­gen, der Fokus liegt zu sehr auf dem Bio­tech­no­lo­gie-Bereich. Ein wich­ti­ges Argu­ment für Göt­tin­gen ist sicher auch sei­ne Lage.

Birgt der vor­han­de­ne Fokus auf den Life-Sci­ence- / Bio­tech­no­lo­gie-Bereich auch eine Gefahr?
Hufen­bach: Aus mei­ner Sicht schon. Da ich ein Start-up lei­te, kann ich aus eige­ner Erfah­rung spre­chen. Wir sind zwar in das Acce­le­ra­tor-Pro­gramm für Life Sci­ence auf­ge­nom­men wor­den, aber das hat uns lei­der nur bedingt etwas gebracht, weil das eben nicht unser Bereich war und die Bran­che ganz eige­ne Bedürf­nis­se hat. Gleich­zei­tig haben wir uns mit vie­len regio­na­len Start-ups unter­hal­ten, die alle weder Unter­stüt­zung noch ein Netz­werk fan­den. Bis auf eines ist kei­nes die­ser Unter­neh­men in Süd­nie­der­sach­sen geblie­ben. Wir haben selbst über­legt, weg­zu­ge­hen. Das ist ein Pro­blem.
Dre­wes: Gera­de des­halb haben wir vom Ver­band erst kürz­lich eine Ver­an­stal­tung mit Start-ups durch­ge­führt. Vie­le unse­rer Mit­glie­der haben ein Inter­es­se am Kon­takt zu die­sen neu­en Unter­neh­men, um ihr Know-how nut­zen zu kön­nen.

Wie bewer­ten Sie das The­ma Stand­ort­mar­ke­ting in Süd­nie­der­sach­sen?
Schnei­der: Wir neh­men zunächst wahr, dass die Stadt Göt­tin­gen in einem lang­wie­ri­gen Pro­zess eine Gesell­schaft für Stadt­mar­ke­ting gegrün­det hat, für die inzwi­schen auch eine Geschäfts­füh­re­rin gefun­den wur­de. Jetzt sind wir gespannt, wie es wei­ter­geht.

Wenn Sie über Ihren Ver­band in Ber­lin unter­wegs sind und ande­re Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer ken­nen­ler­nen, wel­che Wahr­neh­mung gibt es da von Göt­tin­gen und Süd­nie­der­sach­sen?
Dre­wes: Göt­tin­gen ist bekannt als Uni­stadt, als Stadt die Wis­sen schafft – und als die Stadt mit den meis­ten ICE-Hal­ten.
Schnei­der: Bin ich mal durch­ge­fah­ren, dort habe ich mal stu­diert … zwi­schen Kas­sel und Han­no­ver. Optisch sehr schön …

Ich glau­be, Göt­tin­gen ist schon bekannt, spielt aber natio­nal im wirt­schaft­li­chen Sin­ne eine eher unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Wie gehen Sie damit um?
Hufen­bach: Ich fin­de das gar nicht schlimm. Göt­tin­gen ist nun mal eine Stu­den­ten­stadt mit einem Fokus auf For­schung und Wis­sen­schaft. Man kann nicht in allen Berei­chen zu den Bes­ten gehö­ren.
Dre­wes: Ich beto­ne gern die Lebens­qua­li­tät. Hier las­sen sich bei­spiels­wei­se Unter­neh­mer­tum und Fami­lie sehr gut ver­ein­ba­ren.
Schnei­der: Und ich betrei­be dann ein­fach Stadt­mar­ke­ting, lobe z. B. die Nähe zum Harz.