Im Unterwegs-Interview sprach der KWS-Vorstandssprecher Felix Büchting während eines Rundgangs über den Firmensitz und auf einem Abstecher in die Einbecker Innenstadt mit Charakter-Chefredakteur Ulrich Drees über Landwirtschaft, Lieblingspflanzen und Löwen.

Interview: Ulrich Drees | Fotos: Stephan Beuermann trapezfilm, Roman Thomas

Herr Büchting, seit Beginn des Jahres sind Sie als Vorstandssprecher der KWS tätig. Welche Entwicklung ging dem voraus?
Zunächst habe ich ganz klassisch Landwirtschaft – also Agrarbiologie – in Stuttgart-Hohenheim studiert und bin nach meinem Vordiplom dann in die USA gewechselt, die damals – Mitte der 90er-Jahre – im Bereich Biotechnologie klar führend war. Ich studierte dann an der Oregon State University, wo ich meinen Master in den Bereichen Crop und Plant Science absolvierte. Aus geplanten zwei wurden fünf Jahre, weil ich einen tollen Professor und ein tolles Projekt hatte, und auf den Master folgte die Promotion als Ph.D. Schließlich kehrte ich jedoch zurück, um bei KSW im Bereich Saatgutproduktion als Trainee anzufangen.
Gibt es bestimmte Erfahrungen, die Sie aus den USA mitgenommen haben?
Vor allem die, nicht mehr alles als selbstverständlich zu betrachten. Als Student waren die USA für mich zum Beispiel vor allem das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und des technischen Fortschritts. Umso überraschter war ich, dass ich meine Miete mit monatlichen Schecks bezahlen musste, die mein Vermieter zur Bank trug, obwohl das in Deutschland längst per Dauerauftrag oder Einzugsermächtigung funktionierte. Zu erleben, wie sehr sich selbst westliche Industrieländer unterscheiden können, war ein echtes Key-Learning.
Als Sie aus den USA zur KWS zurückkehrten, sind Sie zunächst als Trainee nach Frankreich gegangen.
Ja, in Einbeck hätte ich zu sehr unter dem Brennglas gestanden. Außerdem wollte ich noch eine andere Sprache, bzw. Mentalität kennenlernen. Nachdem ich dort in der Saatgutproduktion und im Vertrieb und Marketing für Mais und Ölfrüchte gearbeitet hatte, wechselte ich für ca. fünf Jahre zum Aromenhersteller Symrise, zuerst ins Produktmanagement für Pflanzenextrakte und dann in den Einkauf. Inhaltlich war das ein wenig „back to the roots“, weil es dabei genauso um den lokalen Zwiebelanbau in Holzminden wie um Sonnenblumen- und Sojaöl sowie exotischere Rohstoffe, wie Tee, Kaffee, Kakao und natürlich Vanille, ging.
Das klingt nach internationalen Aufgaben?
Ja. Weil z.  B. 80  % der weltweiten Vanille aus Madagaskar kommt, konnte ich bei Symrise die Welt – insbesondere Afrika – kennenlernen. 2016 kehrte ich dann zur KWS zurück, um die Verantwortung für unser operatives Getreidegeschäft zu übernehmen.
Was sind die ersten drei Worte, die Ihnen zu Afrika einfallen?
Diversität, Safari und Herzlichkeit.
Safaris, dann haben Sie dem Löwen ins Auge geblickt?
Ja. Das fasziniert mich. Seit ich auf meiner ersten Safari in Südafrika Tiere in freier Wildbahn gesehen habe, gehe ich auch nicht mehr in Zoos. Am beeindruckendsten war für mich der Besuch der Serengeti, wegen der Weite der Landschaft und der schieren Masse an Tieren. Wenn eine Gnu-Herde an einem vorbeizieht und man die Tiere fast mit der Hand berühren kann, sind das unvergessliche Erinnerungen.
Herzlichkeit, woher kommt die in Afrika?
Natürlich bin ich kein Ethnologe oder Soziologe, aber ich vermute, dass wir Europäer sie deshalb so deutlich wahrnehmen, weil unser Lebensrhythmus durch die Industrialisierung deutlich stärker durchgetaktet ist. Daneben spielt die Bedeutung von Großfamilien in Afrika eine Rolle und drittens das Klima. Weil das Leben in Afrika viel mehr auf der Straße und im öffentlichen Raum stattfindet – natürlich auch bedingt durch die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse vieler Menschen – sind alle sehr viel offener zueinander. Besonders habe ich das in Madagaskar gespürt, einem sehr, sehr armen Land. Die Menschen dort kamen mir im Durchschnitt viel glücklicher vor als die Leute hierzulande. Für mich war das ein echter „reality check“ – hautnah zu erfahren, dass jemand, der sehr viel weniger hat als ich, deswegen nicht weniger glücklich sein muss.
Aktuell wohnen Sie wieder in Einbeck?
Ja, das gehört für uns als hier ansässiges Familienunternehmen einfach mit dazu. Wie soll ich Menschen davon überzeugen, für uns zu arbeiten und sich hier niederzulassen, wenn ich selbst von Freitagnachmittag bis Montag früh in Berlin lebe? Meine Frau und ich wohnen jetzt in dem Haus, das meine Urgroßeltern bauten, als Anfang der 50er-Jahre klar war, dass sie nach der Gründung der Bundesrepublik und der DDR – also der Trennung von West und Ost – nicht mehr nach Klein Wanzleben zurückkehren würden.
Das liegt in der Nähe von Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Stammt Ihre Familie von dort?
Ja, mein Ur-ur-ur-ur-Großvater Matthias Christian Rabbethge war Landwirt in der Magdeburger Börde. Er hatte 1847 einen Hof in Klein Wanzleben gepachtet und so Anteile an der dort schon 1838 von den Landwirten der Gegend gegründeten Zuckerfabrik übernommen. Und weil er seinen Hof sehr erfolgreich bewirtschaftete, konnte er nach und nach die Anteile anderer Landwirte an dieser Zuckerfabrik übernehmen, bis er 1856 die Anteilsmehrheit hielt und unternehmerisch Einfluss nehmen konnte. Bis 1945 hat die Familie dort weiter Landwirtschaft betrieben; in den 30er-Jahren bewirtschafteten wir rund 7.000 Hektar Land.
Spielte diese Tradition in Ihrer Jugend eine Rolle? Gab es ein Selbstverständnis: Wir sind Landwirte?
Klar. Schon bei meinen Großeltern und dann auch bei meinem Vater stand immer ein Regenmesser im Garten. Da wurde nicht nur geguckt, wie viel es geregnet hatte, das wurde ebenfalls notiert, weil ausreichender Niederschlag für die Landwirtschaft eben maßgeblich ist. Ich habe auch schon sehr früh gelernt, was da auf unseren Feldern wuchs.


Tradition und Familie manifestieren sich oft in bestimmten Gegenständen. Gibt es da etwas, bei dem Sie so eine Verbindung spüren?
In unserem Haus gibt es eine Reihe von Objekten, die mich an verschiedene Episoden erinnern. Wir haben zum Beispiel im Eingangsbereich eine Truhe aus dem Haus meiner Großeltern, bei deren Anblick ich stets an sie denken muss. Es ist einfach schön, diese Verbindung zu haben.
Weshalb haben Sie sich entschieden, Landwirtschaft zu studieren – als Vorbereitung darauf, einmal die Verantwortung für das Familienunternehmen zu übernehmen?
Nein, zunächst hat mich mein Studium vor allem inhaltlich interessiert. Damals gab es die ersten Freisetzungsversuche mit gentechnisch verändertem Mais und eine entsprechende öffentliche Diskussion. Ich fand das Thema einfach sehr faszinierend. Trotzdem war mir natürlich bewusst, dass ich durch meine Familie von Beginn an in gewisser Weise privilegiert war, und irgendwann gab es die bewusste Entscheidung, mich auf das unternehmerische Erbe vorzubereiten.
Dieses Selbstverständnis als Landwirt, passt das zu Gentechnologie und internationalen Wirtschaftsbeziehungen, den Themen bei KWS?
Das gehört zusammen. Trotz dieses vielleicht etwas romantisierten Bildes der Landwirtschaft, das die Lebensmittelindustrie gern in der Werbung bemüht, ist landwirtschaftliche Produktion eine industrielle Fertigung, bei der weit mehr Technologie genutzt wird als Traktoren und Mähdrescher. Gleichzeitig stellen wir keine Schrauben oder Schokoladentafeln her. Wir sind immer von den Umweltbedingungen abhängig, die draußen auf den Feldern herrschen. Zum Beispiel sind neue Wirtschaftsprüfer oft irritiert, dass das Gewicht von sagen wir eintausend Weizenkörnern von Jahr zu Jahr variiert.
Saatgut herzustellen, hat das angesichts des Hungers in der Welt auch eine ethische Komponente? Spielt die eine Rolle für Ihre Arbeit?
Wir stehen natürlich am Anfang der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette. Das erfüllt uns zum einen mit einem gewissen Stolz, ist aber auch eine Verpflichtung. Denn wir können Landwirten ermöglichen, mit einer neuen, ertragsstärkeren Sorte auf derselben Fläche ein wenig mehr zu ernten. Dieser Zusammenhang ist jungen Menschen aktuell so wichtig, dass er uns sogar einen Wettbewerbsvorteil auf dem enger werdenden Fachkräftemarkt bietet. Trotzdem kann Pflanzenzüchtung die globale Ernährungsherausforderung nicht allein lösen. Dazu gibt es zu viele große Stellschrauben.
Wird sich die in der europäischen Landwirtschaft herrschende Vielfalt an Pflanzensorten im Zuge des Klimawandels und des Einsatzes besonders effizienter Sorten verkleinern?
Ganz im Gegenteil. Für eine nachhaltige Landwirtschaft, die gegen schwankende Umwelteinflüsse resilient ist, brauchen wir eher Diversität auf dem Acker. Hinzu kommt, dass die Europäische Union bis 2050 klimaneutral sein will. Dazu gehört eine „Farm to Fork“-Strategie, nach der bis 2030 50  % weniger Pflanzenschutzmittel und 20  % weniger synthetischer Dünger zum Einsatz kommen sollen. Auch das braucht Lösungen. Eine davon ist eine höhere Diversität in der Fruchtfolge, die insbesondere gegen Unkraut hilft.
Ein weiterer Teil der EU-Strategie ist die Ausweitung biologischer Landwirtschaft. Wie geht KWS mit dieser Entwicklung um?
Wir sind der größte Anbieter ökologischen Saatguts in Deutschland und sind bereits vor 20 Jahren in diesem Bereich aktiv geworden. Schon 2000 haben wir in Wiebrechtshausen einen Betrieb gepachtet, den wir auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt haben. Dort testen wir Produkte unter ökologischen Bedingungen. Die Umsätze in diesem Bereich sind zwar noch überschaubar, aber das ist klar eines unserer Standbeine.
Betrifft die zunehmende Digitalisierung der Landwirtschaft auch die Arbeit der KWS?
Zunächst sind wir von derselben Grundvoraussetzung abhängig wie die Landwirtschaft: einer guten Netzabdeckung. Ohne die können wir die Technologien, die heute längst normal sind, gar nicht nutzen. Eine Drohne, die über ein Feld fliegt, kann mit ihren Sensoren weit mehr Informationen erfassen als ein Mensch mit bloßem Auge, der zu Fuß unterwegs ist. Aber ohne die entsprechende Bandbreite bringt das nichts.
Bei unserem Rundgang haben wir direkt nach dem Besuch Ihres hochtechnisch wirkenden Laborgebäudes zwei KWS-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesehen, die neben einem großen Gewächshaus ganz traditionell per Hand an einigen Grünpflanzen arbeiteten. Braucht man bei Ihnen noch den berühmten „Grünen Daumen“?
Diese Verbindung aus Hightech und manueller Tätigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Arbeit. Ohne den grünen Daumen geht es nicht. Wenn wir im Sommer beispielsweise eine Zuckerrübe kreuzen wollen – also eine Vaterpflanze mit einer Mutterpflanze –, dann muss bei der Mutterpflanze der männliche Pollenspender entfernt werden. Das machen speziell geschulte Kolleginnen und Kollegen mit ruhigen Händen, die den Pollen mit der Pinzette entfernen, damit er für die Bestäubung einer anderen Pflanze genutzt werden kann.
Wie ist es mit Ihnen, erleben Sie auch noch diesen direkten Kontakt?
Das gehört dazu. Ich habe immer Gummistiefel im Auto, weil ich beispielweise im späten Frühjahr bis frühen Sommer mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Züchtung aufs Feld fahre – vor allem zu Getreide und Raps –, um mir einen Eindruck von der Produktentwicklung zu ermöglichen. Im Herbst geht es dann in die Rüben oder den Mais. Da gilt die Devise: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung. Zu erleben, mit welcher Leidenschaft die Kolleginnen und Kollegen dabei sind, macht viel Spaß.


Welche Beziehung haben Sie zu Pflanzen?
Das ist eine gute Frage. Ich bin zwar kein Gärtner und habe auch keinen ausgewiesenen grünen Daumen, aber trotzdem sind mir Pflanzen sehr nahe. Aus meinem Verständnis dafür, wie Landwirtschaft funktioniert und was es braucht, um Lebensmittel zu produzieren, erwächst eine große Faszination für Pflanzen. Wenn man ein einzelnes Weizenkorn nimmt, es aussät und am Ende der Vegetationsperiode eine ganze Handvoll Weizen erntet, der dann in Mehl verwandelt werden kann – das ist ganz nah am Ursprung des Lebens. Ich empfinde großen Respekt dafür, was die Natur immer wieder auf die Beine stellt.
In gewisser Weise helfen Sie der Natur mit Ihrer Arbeit ja dabei. Was empfinden Sie in diesem Zusammenhang als Erfolgserlebnis?
Wenn eines unserer manchmal langwierigen Projekte gelingt, ist das etwas ganz Besonderes. Als die EU z.  B. vor drei Jahren die Insektizide Chlorpyrifos und Chlorpyrifos-methyl verbot, verschwanden damit natürlich nicht die Insekten, die durch diese Mittel sehr gut in Schach gehalten wurden. Sie befallen weiter den Raps, die Zuckerrübe und andere Kulturarten. Wenn wir dann erfolgreich eine wilde Rübe, die mit der Zuckerrübe verwandt ist und eine Resistenz gegen diese Insekten besitzt, in unser Rübenmaterial einzukreuzen versuchen – dann fiebere ich dabei nicht nur mit den Kolleginnen und Kollegen mit, sondern feiere auch das Ergebnis mit ihnen.
Zumeist geht es uns aber natürlich um eine Ertragssteigerung, die eine größere Ernte auf der gleichen Fläche ermöglicht. Das ist zum einen nachhaltig, vor allem aber eine der Hauptvoraussetzungen für die nötige Zulassung einer Sorte durch das Bundessortenamt. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass in Europa staatliche Regelungen darüber entscheiden, ob wir ein Produkt überhaupt anbieten dürfen. Bevor wir es am Markt anbieten, prüft das Bundessortenamt objektiv, ob in Sachen Ertrag, aber z.  B. auch Krankheitstoleranz oder Backqualität, dieses besser ist als andere bereits verfügbare Produkte.
Vom KWS-Standort sind wir jetzt in die Einbecker Innenstadt in die KWS Art Lounge in der Tiedexer Straße gefahren. Welche Bedeutung hat Kunst für einen Saatgutspezialisten?
Kunst ist ein Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie. Seit ca. 1999 führen wir regelmäßig in einem Raum vor unserem Laborgebäude Ausstellungen durch, um jungen Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform zu bieten. Zu diesem Konzept gehört auch die Art Lounge, die ja öffentlicher ist. Auf dem Betriebsgelände ist die Idee, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Mittagspause oder beim Kaffeeholen mit Kunst in Verbindung treten können, sich Anregungen und neue Blickwinkel eröffnen können. Genauso wie die Kunst braucht auch Wissenschaft einen Freiraum, um sich zu entfalten, einen Ort für Kreativität, in dem Neues entsteht. Bei der Art Lounge geht es uns aber auch darum, die Attraktivität der Einbecker Innenstadt zu erhalten. Deshalb zeigen wir hier Kunst, bieten den Raum aber auch zur Nutzung für Workshops und Ähnliches an.
Gibt es da Rückmeldungen? Funktioniert dieses Zusammenspiel von Kunst und Wissenschaft für die KWS?
Sicher gibt es Ausstellungen, die besser angenommen werden als andere, aber insgesamt sind die Reaktionen sehr positiv. Wir erleben immer häufiger, dass Kolleginnen und Kollegen mit eigenem Büro anfragen, ob sie nicht ein Kunstwerk bei sich aufhängen können.
Nicht nur die Landwirtschaft, unsere ganze Gesellschaft erlebt gerade einen echten Strukturwandel. Welche Themen sind für Ihr Unternehmen in den nächsten Jahrzehnten wichtig?
Alle drei Jahre erstellen wir eine Analyse, welche politischen, technologischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen sich auf die „landwirtschaftliche“ Welt auswirken werden. Darauf richten wir unsere Strategien dann aus. 2018 haben wir auf dieser Basis beispielsweise beschlossen, uns noch etwas breiter und resilienter aufzustellen, und sind in den für uns neuen Gemüsemarkt eingestiegen. Langfristige Planungen sind für uns wichtig, weil Projekte, die wir heute starten, erst in sechs bis zehn Jahren erfolgreich abgeschlossen werden können. Diese Zeit brauchen wir in der Pflanzenzüchtung einfach.
Wie informieren Sie sich selbst für Ihre Aufgaben?
Zum einen lese ich ganz klassisch Zeitung und Bücher – in Papierform, weil ich einfach ungern den ganzen Tag vor einem Tablet oder Monitor sitzen möchte. Ansonsten informiere ich mich natürlich über verschiedene Newsletter. Wir haben auch Kolleginnen und Kollegen, die täglich alle branchenrelevanten Informationen sichten und bündeln. Eine wichtige Rolle spielt darüber hinaus der persönliche Austausch über Netzwerke, auf Veranstaltungen oder auf Unternehmerebene. Beispielsweise besuche ich immer wieder gern die jährliche „Falling Walls Conference“ in Berlin. Dort werden in 15-minütigen Kurzreferaten die relevantesten Entwicklungen in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen vorgestellt, wobei die Naturwissenschaften zwar dominieren, es aber auch geisteswissenschaftliche Themen gibt. Das ist vor allem deshalb spannend, weil ich mitbekomme, was außerhalb der „Pflanzenwelt“ läuft.
Was lesen Sie in Ihrer Freizeit?
Im Normalfall lese ich Fachbücher, gerade jedoch einen Roman: „Welten auseinander“ von Julia Franck. Ansonsten mag ich eher Krimis, beispielsweise eine Reihe von Martin Walker, „Bruno, Chef de police“, die ich sehr empfehlen kann. Die Geschichten spielen in der Dordogne in Südfrankreich und geizen nicht mit der Beschreibung der Landschaft und des Essens und Trinkens.
Haben Sie eigentlich eine Lieblingspflanze?
Ja. Habe ich. Das ist meiner Promotion geschuldet. Ich habe an Sonnenblumen gearbeitet, und ich finde, die Sonnenblume ist eine wunderschöne Pflanze. Angesichts meiner Familiengeschichte müsste ich eigentlich die Zuckerrübe nennen, aber von der sieht man ehrlich gesagt auf dem Feld so wenig, weil der wichtigste Teil in der Erde liegt.

Dr. Felix Büchting
Dr. Felix Büchting (geb. 1974) ist seit 2019 Mitglied des Vorstands von KWS und seit dem 01. Januar 2023 Vorstandssprecher. Er studierte an der Hochschule Stuttgart-Hohenheim Agrarbiologie und an der Oregon State University, Corvallis, Oregon, Agrarwissenschaften und Molekularbiologie und promovierte dort auf dem Gebiet der Pflanzenzüchtung. Bei KWS verantwortet er aktuell die Ressorts Research, Breeding, Global Human Resources, Farming, Group Strategy, Corporate Office & Services.

Neue Pflanze – neuer Name
Die KWS entwickelt beständig neue Pflanzensorten, die dann auch einen Namen brauchen. Wie etwa eine neue Zuckerrübensorte heißen soll, das wird beim Bundessortenamt genehmigt, die Züchterin oder der Züchter hat jedoch das Vorschlagsrecht. Felix Büchting erinnert sich beispielsweise an einen Züchter, „der war sehr fußballaffin, und so gab es eine Reihe von Maissorten, die dann „Ronaldinho“, „Torres“ usw. hießen. „Bei der Zuckerrübe“, führt er aus, „haben wir vor einigen Jahren aus Wiedererkennungsgründen entschieden, dass jeder neue Name auf „a“ enden soll. Ab einem bestimmten Zeitpunkt mussten wir dann sehr kreativ werden, um Namen zu finden, die noch nicht durch eigene Produkte oder solche der Konkurrenz besetzt waren.“

KWS Saat SE & Co. KGaA 
Die KWS (ursprünglich: Klein Wanzlebener Saatzucht) ist ein börsenorientiertes Unternehmen, das sich auf die Themen Pflanzenzüchtung und Biotechnologie spezialisiert hat. Weltweit ist KWS, bezogen auf den Umsatz aus landwirtschaftlichen Nutzpflanzen, der viertgrößte Hersteller von Saatgut. Im Geschäftsjahr 2021/2022 beschäftigte das Unternehmen über 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in mehr als 70 Ländern und erzielte einen Jahresumsatz von rund 1,5 Mrd. Euro. Gegründet wurde es von dem Zuckerrübenzüchter Matthias Christian Rabbethge und seinem späteren Schwiegersohn 1856 in Klein Wanzleben bei Magdeburg als Rabbethge & Giesecke OHG. Die OHG betrieb zunächst die Zuckerfabrik Klein Wanzleben.

„Urban Gardening“ mit Spezial-Saatgut aus Einbeck?
„Wir freuen uns natürlich, wenn der ein oder andere Urban Gardener unsere Produkte anbaut, aber dieser Markt ist heute noch nicht relevant genug, um dafür spezifische Produkte zu entwickeln. Auch wenn es für die Nahrungsmittelversorgung immer nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein kann, ist Urban Gardening jedoch auf alle Fälle sinnvoll, weil es Menschen wieder einen Bezug zur Landwirtschaft vermittelt. Wenn ich sie selbst gehegt und gepflegt habe, schmeckt die Kirschtomate vom eigenen kleinen Beet oder Balkon eben doch besser als die aus dem Discounter um die Ecke.“